Photo by W. Stock

Peking, Ende Oktober 2011

Hinter dieser Zahl 798 verbirgt sich das neue Künstlerviertel im Nordosten der chinesischen Hauptstadt.

Ursprünglich eine Ansammlung von Militärfabriken, gebaut in den 50ern mit selbstloser Hilfe der DDR, haben sich heute in den leerstehenden und verfallenden Hallen Künstler der Moderne niedergelassen.

Zahlreiche kleine Bars und trendige Restaurants, die um die Galerien aufgemacht haben, verleihen dem Viertel die nötige Boheme und mondänes Flair.

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Das Gelände im Chaoyang District ist riesig, so groß wie eine kleine Stadt. Man kann zig Dutzend Gässchen und Strassen entlang schlendern. Dort wo früher Munitionsfabriken standen, reihen sich heute kleine und große Galerien aneinander, bedauernswerterweise  hier und da unterbrochen von ziemlichem Touristenkitsch.

Die Kunstszene Pekings zeigt sich so vital wie das ganze Land. Die Bewegung ist munter, die Konzepte sind bunt und die Ausdrucksformen vielfältig.

Die großen Trends: Zuallererst beschäftigt man sich mit der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit Chinas. Es erfolgt die Abrechnung mit den Jahrzehnten der Unterdrückung und des Paternalismus.

So dominieren wuchtige überdimensionierte Männer, die meist martialisch und furchteinflössend daher kommen, oft mit Schwertern und Gewehren aller Art.

Oder, die saftige Rechnung wird als zarte Metapher präsentiert. Da findet sich in einem Museum ein lebensgroßer niedlicher Schimmel, eingegrenzt von Stacheldraht und Stahlzäunen.

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Oder wie beim Konzeptkünstler Lee Yongbaek und seinem Angelus Novus, der gleich eine ganze Halle mit Soldaten drapiert. Krieger, die von der Decke baumeln, nun allerdings mit den bunten Blumen des Friedens überwuchert sind.

Naive Malerei bleibt ein Thema im neuen China. Nun aber gepaart mit den Elementen der klassischen chinesischen Malerei wie bei Liu Ye. Dieses Idyll weist fast schon karikierende, jedenfalls seltsam zerbrechliche Züge auf. Im Stil erinnert Liu Ye ein wenig an Johannes Hüppi, ohne natürlich dessen Gewagtheit erreichen zu wollen.

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Die Kritik der Kunst an Kommunismus und sonstiger Allgewalt ist merkbar, wird aber zumeist versteckt hinter der Überzeichnung und der Metapher oder der Allegorie.

Trotz kritischer Grundhaltung verzichten die Maler und Aktionskünstler nicht auf lebensfrohe und bunte Tupfer. Man bemerkt die Befreiung, den erhörten Schrei der Kunst. Und man spürt überall die Lust am neuen Zeitalter.

Die Luft zum freien Atmen ist nach dunklen Jahren der Beschränkung und der Uniformität mehr und mehr da. Ein frischer Wind weht durch die Kunstszene Pekings.

Auffallend bleibt, wie stark die moderne Kunst die rasante Entwicklung Chinas begleitet – kritisch und doch irgendwie wohlwollend.

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