Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Ist Neukölln wirklich überall?

Ein neues Buch, Neukölln ist überall, rechnet mit der falschen Integrationspolitik in Deutschland ab. Geschrieben hat das Werk Heinz Buschkowsky, ein SPD-Mann, seit elf Jahren Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln. Der Mann weiß also, wie es auf Berliner Strassen aussieht.

Die Wirklichkeit Neuköllns ist nicht erst seit dem Buch von Heinz Buschkowsky bekannt: soziale Ausgrenzung, offene und latente Gewalt, eine unkontrollierte Parallelgesellschaft, wachsende Kriminalität, ein erschreckender Nicht-Respekt für staatliche Institutionen, Hartz rauf und runter, am bitteren Ende steht Armut und Ausgrenzung,

Soweit, so schlecht. Doch ist Neukölln wirklich überall? Kann man diese soziale Trostlosigkeit im ganzen Land beobachten? Sind die Probleme des Berliner Bezirks die Probleme von ganz Deutschland? Spannende Fragen.

Warum, frage ich, findet sich solch ein Elend in Berlin, jedoch nicht in München? Zumal es in München mehr Migranten (38%) als in Berlin (25%) gibt. Warum also, positiv gefragt, sind die Migraten in München besser integriert als in Berlin. In München lassen sich auch keine Problembezirke oder soziale Brennpunkte wie in Berlin, Rostock oder Hamburg ausmachen.

Warum läuft es in Bayern besser? Nun, hier einige subjektive Beobachtungen und Einschätzungen. Da sind zunächst die engagierten Behörden in Bayern, die Integration, im wesentlichen eine Bringschuld, aktiv gestalten. Mir hat Bayerns oberster Beamte, Ministerialdirektor Walter Schön, im Gespräch einmal erklärt, jeder bayerische Beamte folge einem Ehrenkodex: Das beste für Bayern zu erreichen.

Dagegen in Berlin: behördliche Lustlosigkeit, administrative Indifferenz, politische Ignoranz, rot-grüner Traumtanz. Trotzdem wird in Berlin-Mitte lustig gefeiert. Drinnen Party, draußen Elend. Arm, aber sexy. Jedoch, kann Armut sexy sein?

Die Kriminalität in München ist niedrig, die Aufklärungsquote hoch. Die Industrieansiedlung ist vorbildlich. Das Investitionsklima exzellent. Und das Bildungssystem, ganz wichtig, gut und um Integration und Stärkung des Einzelnen bemüht. Ein Abitur aus Bayern, das zählt was.

Und Berlin? Na, da schafft man es doch nicht mal, einen Flughafen zu bauen. Hauptsache sexy.

Die Migranten werden in München gefordert und auch eingebunden. Seit 1974 gibt es den Ausländerbeirat, der aktiv Politik gestaltet. Schwierige Viertel wie das Hasenbergl werden besonders gefördert, das „Münchner Modell“ im Wohnungsbau stellt die soziale Mischung der Stadtviertel einigermaßen sicher.

Jetzt kommen wir zum Kern. Arbeit und Wohlstand. In Bayern gibt es mehr zu verteilen, Berlin pfeift auf dem letzten Loch. Bayern meldet Vollbeschäftigung. Einen Arbeitsplatz zu besitzen und eigenes Geld zu verdienen, ist Voraussetzung der Integration. Und Arbeit verleiht dem Menschen, egal welcher Pass oder welche Hautfarbe, Würde und Selbstwert.

Integration scheint mir insofern zum großen Teil kein ethnisches Problem, sondern ein soziales. Nicht nur in Zeiten der Globalisierung zeigt sich das Denken in Grenzen als überholt. Diversität ist kein Makel, sondern eine Bereicherung. Oder kürzer, werter Herr Buschkowsky: Mit einer falschen Wirtschafts- und Bildungspolitik wird eine richtige Integration nicht gelingen.

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Octavio Paz nörgelt ganz schön

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Ein Tag im Paradies

  1. apple

    …. „Zumal es in München mehr Migranten (38%) als in Berlin (25%) gibt“ ….

    Ja wenn die Münchner „de Saupreissn a no ois Immigranten dazuazöiln, dann passt´s scho.“ 😉

    Aber ganz im Ernst: „Einen Arbeitsplatz zu besitzen und eigenes Geld zu verdienen, ist Voraussetzung der Integration. Und Arbeit verleiht dem Menschen, egal welcher Pass oder welche Hautfarbe, Würde und Selbstwert“, ist schon richtig. Aber um einen Arbeitsplatz zu bekommen, der einigermaßen zum Auskommen reicht, dazu sollte man solche auch bereitstellen (Stichwort Mindestlohn). Wenn man aber den Niedriglohnsektor genauer betrachtet, dann braucht ein Ehepaar schon vier bis fünf Jobs, um sich wenigstens eine vernünftige Wohnung leisten zu können, zumal in München, das nicht gerade als preisgünstiges Wohnpflaster gilt, ebenso wie in Berlin.

    Und Arbeit ist schwierig zu bekommen. Ich kenne das. IT-Ingenieure haben derzeit die besten Chancen. Aber wie viele IT-Ingenieure gibt es in Neukölln? Wohne zwar nicht in Berlin, bin aber auch kein IT-Ingenieur.

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