In der Medienbranche war es die Erfolgsstory schlechthin. Aus einem winzigen katholischen Buchversand hat sich über die Jahrzehnte eine Milliarden-Verlagsgruppe entwickelt. Weltbild galt als das moderne Pendant der Buchclub-Idee und als Riese im deutschen Medienhandel.

Und nun der tiefe Fall. Vor einigen Tagen musste das Augsburger Unternehmen beim Amtsgericht Insolvenz anmelden. Die Erlöse sind weggebrochen, die Verschuldung zu hoch, es fehlt frisches Geld. Der Scherbenhaufen ist da.

Doch warum ist Weltbild in die Pleite hineingeschliddert? Und welche Lehren und Erkenntnisse bleiben aus der Weltbild-Pleite zu ziehen? Hierzu acht persönliche Eindrücke:

1. Die Kirche trifft keine Schuld. Ein Ablenkungsmanöver, die Kurie ist nicht ursächlich an der Pleite schuld. Oft wird auf die schwierige Eigentümerstruktur verwiesen, denn Weltbild gehört den deutschen Bistümern. Sicher ist die Kirche kein geborener Unternehmer und es hat im Getriebe geknirscht. Doch haben die Bischöfe bis an die Schmerzgrenze in der Krise Darlehen auf Darlehen zur Unterstützung bereit gestellt. Auch dass nun über 60 Millionen für den Sozialplan locker gemacht werden sollen, zeugt nicht gerade von eiskaltem Unternehmertum seitens der Diözesen.

2. Das Sortiment ist schlimm ausgefranst. Weltbild, das unter einem Buchhändler geführt wird, hat zuletzt einen Mischmasch im Angebot, dass man nur den Kopf schütteln kann. Bücher, klar, aber auch Wanduhren, Leuchtkerzen und Wohlfühl-BHs – das Profil ist so verwässert, das Sortiment des Versandriesen steht für alles und nichts, und für das Gegenteil davon.

3. Dem Buchhandel gehen 600 Millionen Euro flöten. Die Weltbild-Krise ist auch eine Krise des deutschen Buchhandels. Dem geht es auch nicht besonders. Weltbild sucht als Kunden eher den Ergänzungs- und Spontankäufer, denn den Traditionskäufer. Diese 600 Millionen Buchumsatz wird nicht auf andere Marktteilnehmer verlagert, sondern verschwindet komplett.

4. Als Ganzes ist Weltbild nicht sanierungsfähig. Wer daran glaubt, der macht sich etwas vor. Wenn über eine Fortführung des Geschäftes gedacht wird, ist ein „weiter so“ nicht realistisch. Denn der Versandhandel benötigt Lieferanten. Und ein Lieferant wird Liefersperren aussprechen, nur noch gegen Vorkasse liefern und damit die Insolvenz beschleunigen. Das Tagesgeschäft wird schnell wegbrechen.

5. Die Filetstücke lassen sich – vielleicht – weiterführen. In Wirklichkeit war Weltbild keine Verlagsgruppe, sondern ein Multichannel-Anbieter. Ein Mix aus Buchverlag und Vertrieb, dazu eine Buchhandelskette. Doch die Augsburger waren auch ein Katalog-Versender, ein Online-Händler und mit Tolino auch ein E-Book-Anbieter. Einiges wird sich wohl fortführen lassen. In toto ist die Idee des Komplettanbieters jedoch an seiner Komplexität und Unübersichtlichkeit gescheitert.

6. Das Billigbuch wird zurückgedrängt. Trotz aller Dramatik für die über 6.000 Beschäftigten von Weltbild lässt sich unter all den schlechten Nachrichten auch eine gute finden. Das Billigbuch, für das Weltbild auch steht, befindet sich auf dem Rückzug. Ob Zweitausendeins oder der Bertelsmann Club – die Zeit der Buch-Schnäppchen und des Verramschens neigt sich ihrem Ende zu. Den Käufer von der Reste-Rampe gibt es in einem Markt, der sich mehr und mehr auf die Kernleserschaft konzentriert, immer weniger.

7. Weltbild ist auch am eigenen Erfolg gescheitert. Im Katalog war Weltbild stark. Aber in die neue Internet-Welt zu gehen mit der Annahme, man bräuchte nur zusätzlich einen Online-Kanal, ist naiv. Die digitale Welt tickt ganz anders und hier muss sich das traditionelle Geschäft neu erfinden. E-Commerce erfordert ein neues Geschäftsmodell, eine neue Organisation, eine neue Kultur und neue Mitarbeiter. An dieser Verkennung und Vielschichtigkeit ist Weltbild letztlich gescheitert.

8. Gegen Amazon lässt sich nicht anstinken. Die Weltbild-Transformation vom Katalog-Versender zum digitalen Anbieter hat nicht funktioniert. Da ist ein Wettbewerber uneinholbar vorne. Gegen Amazon, diesen amerikanischen Online-Giganten, ist kein Ankommen. Amazon überzeugt als ein digital und logistisch stringent durchorganisiertes Unternehmen. Da kämpft die Postkutsche gegen den schnellen Porsche. Und wenn dann noch Wettbewerbsvorteile im Steuerrecht hinzukommen, dann besitzt man gar keine Chance mehr. Deshalb braucht man auch nicht lange überlegen, wer der Gewinner nach einer Weltbild-Pleite sein könnte. Amazon wird den Verlagen dann noch aggressiver die Konditionen und Rabatte diktieren können.

In summa: die Weltbild-Pleite ist ein trauriges Ereignis mit vielen Verlierern, zerplatzten Illusionen und mit einem einsamen Gewinner. Und mit einem Riesen, der die Komplexität  und Geschwindigkeit der Herausforderung unterschätzt hat.

 

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