Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Kategorie: China

798 – Neue Kunst im neuen China

Photo by W. Stock

Peking, Ende Oktober 2011

Hinter dieser Zahl 798 verbirgt sich das neue Künstlerviertel im Nordosten der chinesischen Hauptstadt.

Ursprünglich eine Ansammlung von Militärfabriken, gebaut in den 50ern mit selbstloser Hilfe der DDR, haben sich heute in den leerstehenden und verfallenden Hallen Künstler der Moderne niedergelassen.

Zahlreiche kleine Bars und trendige Restaurants, die um die Galerien aufgemacht haben, verleihen dem Viertel die nötige

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Professor John Naisbitt, wie viel Kommunismus steckt noch in China?

John Naisbitt

mit Doris und John Naisbitt, Peking, den 30. Oktober 2011, Photo by J. Stock

Abendessen mit Doris und John Naisbitt im Baguo Buyi im Stadtteil Dongcheng. Das Essen in diesem Sechuan Restaurant ist mächtig scharf und abwechslungsreich. Wir schlemmen.

Doris und John Naisbitt sind zwei profunde Kenner Chinas. Doris schreibt eine 14-tägliche Kolumne in der chinesischen China News, John war mittlerweile 45 Male im Lande, er hält zwei Professuren an chinesischen Universitäten und kennt die Elite des Landes vom Präsidenten abwärts bis zu den Provinzsekretären der Partei.

Der Westen begegnet China mit einer Mischung aus Ignoranz und Arroganz, das ist ein schwerer Fehler, meint der berühmte Trendforscher. Die Belehrungen des Westens in Sachen Demokratie seien nicht nur schädlich, sondern auch falsch. Denn es gebe doch – historisch und weltweit – verschiedene Ausprägungen von Demokratie.

Diesen Blick von oben herab jedenfalls lassen sich die Chinesen immer weniger gefallen. Denn die neue Elite des Landes, das seien nicht mehr kommunistische Apparatschiks, sondern selbstbewußte und erfolgreiche Manager in Regierung und Unternehmen.

Ich habe in den USA bei den Eliten aus Politik und Wirtschaft soviel

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Peking am Morgen

Photo by W. Stock

Peking, den 29. Oktober 2011

Die Lufthansa Maschine aus München landet am späten Morgen in Peking. Direkt nach dem Aussteigen wartet am Gate der Guide des Grand Hyatt. Fünf Minuten später Zoll- und Einreiseformalitäten. Kurz, schnell und höflich.

Zehn Minuten später haben wir unser Gepäck in diesem ultramodernen Flughafen. Dann zum Auto, eine halbe Stunde später im Hotel.

Das alles geht schneller und bequemer als in München, Paris oder Barcelona. Als in New York sowieso. China hat sich in den letzten Jahren auf Effizienz getrimmt und steht den großen Metropolen der Welt in nichts nach.

Die Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes liegen jedes Jahr um die 10 Prozent. Wenn man mal bei 8 Prozent landet, wird dies als Niederlage gewertet. Ein neuer Mittelstand entsteht.

Jedes Jahr sieht die Stadt anders aus. Neue Hochhäuser wachsen entlang der Autostrassen wie anderswo die Alleenbäume. War vor einigen Jahren noch neosozialistischer Einheitslook zu beobachten, so wird nun sehr viel Wert auf raffinierte Architektur gelegt.

Wer noch daran zweifelt, der sieht sich bei einem Bummel durch diese Stadt eines besseren belehrt. China ist nicht mehr

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Die stolze chinesische Mauer

Mutianyu/China, im Oktober 2000

Ohne diese Mauer kann man dieses Land nicht begreifen. Aus jedem Stein dieses Bauwerks spricht China, die Mauer sagt einiges aus über dieses stolze und selbstbewusste Land.

Wenn man den richtigen Abschnitt dieser mehr als 7.000 Kilometer langen chinesischen Mauer aussucht und obendrein die richtige Tageszeit, dann hat man dieses grandiose Bauwerk ganz für sich allein.

Hier bei Mutianyu, eine gute Autostunde nordöstlich der Hauptstadt Peking, ist die Great Wall nicht so übervoll mit fotoknipsenden Japanern und lärmenden Amerikanern wie im weiter westlich gelegenen Badaling. Wenig Touristen, kein Geschiebe und Geschubse, nicht die langen Reisebusse, es ist, als sei man selbst und dieser Mauerabschnitt von der Welt vergessen.

Ohne Zweifel ist die chinesische Mauer das imposanteste Bauwerk, das heute noch steht und bewundert werden kann. Es gilt als das größte von Menschenhand erschaffene Bauwerk der Zivilisation. Es sollte die Mongolen fernhalten, daran erinnern die auf Sichtweite angelegten Wachtürmen der einzelnen Abschnitte. Hier lagerten Waffen und hier waren die Soldaten stationiert.

Gut 4 Meter breit und etwa 8 Meter hoch, wurde die Mauer hier gebaut. Man hat sie auf dem spitzen, bewaldeten Bergkamm errichtet, was den Bau zu einer architektonischen und logistischen Meisterleistung werden ließ. Die Mauer besteht aus Naturstein oder gebrannten Steinen, als Mörtel wurde Brennkalk verwendet. Das Fundament wurde mit Lehm und Sand befestigt.

Diese Große Mauer steht für Chinas Größe, für seine Leistungsfähigkeit, für sein historisches Denken und für sein Selbstwertgefühl. So mag diese Mauer den Wilden und den Unzivilisierten Einhalt bieten, wobei interessanterweise im Norden ja nicht nur die Reiterhorden der Mongolen zu finden waren. Die konfuzianischen Chinesen fühlen sich nicht nur den Nordasiaten zivilisatorisch überlegen, sondern auch den Europäern.

Ein Konfuzianer besitzt einen langenAtem: Die Chinesen denken nicht in Jahren oder Generationen, das veranschaulicht der Bau dieser großen Mauer, sie denken in Dynastien. Insgesamt hat man fast zweitausend Jahre an dieser Mauer gebaut. 214 v. Chr. wurde der erste Schutzwall errichtet, erst im 16. Jahrhundert, während der Ming Dynastie, war sie halbwegs fertig.

Mein Mauerabschnitt bietet nicht nur Anschauung in Architektur und Geschichte, sondern auch eine Menge Annehmlichkeit und Spass. Bei Mutianyu gondelt der Besucher in einer zweisitzigen Sesselbahn bequem den Berg hinauf und hinab geht es dann mit noch mehr Tempo: mit einem Einer-Bob auf einer Messingbahn das kurvige Geländer hinunter bis zur Talstation.

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The Great Hall of the People

Peking, den 15. Mai 2007

Eine offizielle Einladung zum Galadinner in die Große Halle des Volkes. Das ist das Herz der chinesischen Herrschaft, die Volkskongresshalle, ein Panoptikum des chinesischen Kommunismus. Hier finden die Parteitage der Kommunistischen Partei Chinas statt, der nationale Volkskongress, hier werden ausländische Gäste empfangen.

In dieser Great Hall of the People findet heute Abend der Höhepunkt des Verlegertreffens der FIPP statt. Eine Polizeieskorte hat die Strassen abgesperrt und bringt unsere Busse zur Halle. Eigentlich ist die Große Halle des Volkes für das Volk schwer zugänglich und wir sind in gespannter Erwartung.

Die Halle, 1958 erbaut, befindet sich an der Westseite des Tiananmen-Platzes. The Great Hall of the People ist ein im klassizistischen Stil errichteter Monumentalbau, wie er dem Diktatoren-Geschmack weltweit so entspricht.

Auf dem Tiananmen-Platz proklamierte Mao am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China, und hier wurden am 4. Juni 1989 mehr als 2.600 studentische Protestanten von Soldaten nieder gemetzelt. Tor des Himmlichen Friedens heißt das Ganze auch manchmal. In der Mitte des Platzes darf man das Mao-Mausoleum bewundern und zugleich eine merkwürdige Eigenart von Diktatoren: sich für die Nachwelt ausstopfen zu lassen.

Um in die Halle des Großen Volkes zu gelangen, schreitet man eine wuchtige Außentreppe hinauf und gleich hinter dem schwarzen Eingangsportal erfolgt eine gründliche Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Metallische Gegenstände werden in eine Plastikbox gelegt und der Mensch geht durch den Detektorbogen. Taschen verboten, Fotokamera verboten, Tonband verboten.

Das innere des Monumentalbaus überzeugt, wie bei Mussolini und Stalin, durch diktatorische Einschüchterungsarchitektur. Hohe Decken, wuchtige Säulen, breit gezogene Treppen, monumentale Räume. Hier haben Mao, Zhou, Deng und Genossen das Auf und Ab des Milliardenvolkes beschlossen und beschließen lassen.

Das Bankett findet in einem riesigen Saal an gesetzten Tischen statt. Die 900 Verleger werden an jeweils 12-Personen-Tischen rund um eine breite Bühne verteilt. Auf der Bühne das übliche Potpourie Chinas: ein bisschen Peking-Oper, ein wenig Pop-Schmalz und etwas Akrobatik. Anschließend Grussworte, so wie Grussworte halt zu sein pflegen. Eine zierliche, hübsche Dame, die man vor ein paar Stunden noch in TV sehen durfte, moderiert perfekt in Englisch und Mandarin.

Jeder Tisch hat seine eigene Bedienung. Nach und nach bringen die Kellner Spitzengerichte chinesischer Provenienz: Muschelsalat, Garnelen, Rindfleisch, Huhn, alles dargereicht mit feinen Variationen delikater Saucen. Dazu besten Wein von in- und auswärtigen Reben. Die Verlegerkollegen an meinem Tisch, aus USA, Indien, Korea und Indonesien waren angetan. Hübsch die Zahnstocher, eigens für die Great Hall of the People konfektioniert. Ich habe einige davon mitgehen lassen, ebenso wie die Speisekarte.

Das ist das einzige was ich mitgenommen habe. Nun ja, auch einige luzide Eindrücke zu Architektur und Politik natürlich.

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Wong Kei – Londons Kaiser von China

Photo by W. Stock

Wenn ich in London bin, versuche ich, wenn es irgend geht, meinen Weg hier hin zu lenken. Schnurstracks nach Chinatown, am besten um die Mittagzeit, zu Wong Kei. Seit ich das erste Mal – noch als junger Student – dieses chinesische Restaurant entdeckte, komme ich regelmäßig wieder. Denn Wong Kei ist für mich der Kaiser von China – natürlich kulinarisch gesprochen.

Dabei glänzt Wong Kei nicht unbedingt als Edelgastronom. Im Gegenteil. Schon Adresse und Äußeres genügen nicht gerade großbürgerlichen Ansprüchen. Wong Kei residiert am westlichen Ende von Chinatown in der Wardour Street, dort wo schwere Jungs und leichte Mädchen nicht fern sind. Die Fassade, nun ja, ein wenig in die Jahre gekommen. Die Pariser Schauspielerin Sarah Bernhardt hat den Grundstein des Hauses gelegt. Man schrieb das Jahr 1904. So mag sich einiges erklären.

Etwas robust wird dem Hungrigen am Eingang bedeutet Cash only – no credit cards. Wenn man dann über die Schwelle tritt, wird man von einem ruppigen Keller angebafft, how many people und flugs an einen der eh schon vollen Tischen gesetzt.

Auf drei Etagen wird eingedeckt, in Parterre, wo der Ton am härtesten ist, dann im Keller und im ersten Stock. Das Restaurant ist einfach ausgestattet, vielleicht auch nicht das sauberste. Wenn man an einem Tisch Platz nimmt, bekommt man zuerst und ungefragt den heißen Haustee serviert. Ob es Cola gibt, ich vermag es nicht zu sagen. Bisher habe ich mich nie getraut, zu fragen.

Wenn jedoch nach dem obligaten Tee dann das Essen kommt, dann sind bröselnde Hausfassaden, bellende Kellner und unwirsche Kommandos wie ausradiert. Denn das Essen des Wong Kei schmeckt göttlich, es scheint von einem Kaiser der Küche gesandt.

Meist bestelle ich eine Wan Tan Soup und ein Lemon Chicken. Ein solches Lemon Chicken bleibt für jeden Koch weltweit eine Herausforderung, denn bei der Zitronensauce ist höchstes Geschick gefragt. Sie darf nicht übersäuert sein, auch nicht zu lau, dann muss die Konsistenz – nicht zu sämig, nicht zu flüssig – stimmen.

Die Wahrheit ist: Das Lemon Chicken bei Wong Kei muss als eine Offenbarung bezeichnet werden. Besser habe ich das bisher nirgends auf dem großen Globus gefunden. Und dass alles preiswert obendrein ist, mag man auch nicht als Nachteil auslegen.

Leicht verunsichert erscheint der regelmäßige Wong Kei-Besucher in letzter Zeit schon. Denn die Kellner, oh Wunder, scheinen in Wesen und Ton freundlicher geworden. Oder haben wir uns an den Feldwebelton über die Jahre nur gewöhnt?

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John Naisbitt: China, China, China!

John Naisbitt, Doris Naisbitt, Wolfgang Stock (v.r.n.l.); München, im November 2007.

Ein langes Mittagessen mit John und Doris Naisbitt im exzellenten Spatenhaus mit Blick auf die Münchener Oper. John mag ein saftiges Schnitzel und trinkt, wie immer, Tafelwasser mit Eiswürfel. Doris und John kommen aus Wien und fliegen am Abend nach Peking.

John Naisbitt, der große amerikanische Trendforscher, hat über 18 Millionen Bücher verkauft und allein sein Hauptwerk Megatrends ging weltweit 11 Millionen mal über die Ladentheke. In diesen Megatrends, 1982 erschienen, beschreibt er 10 Trends, die unsere Zukunft bestimmen. Er lag bei keiner Prognose daneben.

Es gibt für John und Doris im Augenblick nur ein großes Thema: China. Beide waren in diesem Jahr bereits siebenmal im Reich der Mitte und sind von dem rasanten Tempo der Entwicklung beeindruckt. Während wir in Europa das heutige China häufig noch als Land der gelben Ameisen sehen, ihm kurioserweise gar Entwicklungshilfe zukommen lassen, hat sich das Land längst zum selbstbewussten global player entwickelt. Die Chinesen genießen ihre wirtschaftliche Freiheit und erleben einen Wohlstandsschub wie noch nie.

Präsident Hu spreche ausdrücklich von Marktwirtschaft, und nicht verbrämt von sozialistischer Marktwirtschaft oder Marktwirtschaft mit menschlichem Antlitz. In China gebe es, so John, Marktwirtschaft pur. Das Wort Kommunismus hingegen komme im offiziellen Sprachgebrauch kaum noch vor. Wahrscheinlich gibt es in Deutschland heute mehr Kommunisten als in China, machen wir uns lustig.

Die Problembereiche seien der politischen Elite bekannt: Korruption, ökonomische Überhitzung, Umweltverschmutzung. Man sei jedoch, meint John, auf dem richtigen Weg. Übrigens, er halte China nicht für eine aggressive Macht, der Militäretat sei im letzten Jahr gekürzt worden. Die Chinesen interessiert hauptsächlich, das Land wirtschaftlich voran zu bringen.

Die Entwicklung sei nicht mehr umkehrbar. Der ökonomischen Freiheit werde die politische Freiheit folgen. Dies sei ein langsamer Prozess, aber er sei voll im Gange. Und man habe Zeit. Die Chinesen denken nicht in Monaten oder Jahren, sondern in Dynastien.

Und John Naisbitt ist in solchen Fragen nicht nur Theoretiker oder Beobachter, er möchte miterleben, er will dabei sein. Am Abend haben die Naisbitts die Lufthansa-Maschine nach China genommen und werden fortan einen ihrer Wohnsitze nach Tianjin, der 10-Millionen-Metropole nördlich von Peking, verlagern.

John wird dort, neben seiner Professorentätigkeit an chinesischen Universitäten, forschen und schreiben. Doris wird ihn unterstützen und weiterhin darauf achten, dass es ihm gut geht. Ein neues Abenteuer bricht an im Leben des sympathischen Amerikaners. Respekt, man mag es kaum glauben, der Mann wird nächsten Januar 79 Jahre jung.

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