Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Kategorie: Politik Seite 3 von 9

Michail Gorbatschow, der überrumpelte Wohltäter

Berlin, den 16. November 2009;
Photo by W. Stock

Bevor Michail Gorbatschow Reklame für Louis-Vuitton-Taschen machte, war er von 1985 bis 1991 Generalsekretär der kommunistischen Partei der Sowjetunion. Unter ihm endete die Sowjetrepublik und  bildete sich das geeinte Deutschland heraus. Gerade die Einheit Deutschlands, sie stand Ende der 80er Jahre sicherlich nicht im Fünf-Jahres-Plan der sowjetischen Supermacht.

Doch politisch waren Gorbatschow und sein Land in jenen Tagen Getriebene. Die Sowjetunion befand sich in Agonie, die Wirtschaft steuerte dem Staatsbankrott zu, die Föderation stand kurz vor dem Zerfall, die KPdSU war verhasst, die Betriebe von Streiks überzogen.

Gorbatschow war von der Entwicklung in Ost-Berlin überrascht, wenn nicht überrumpelt worden. „Gorbatschow meint, dass du zu eilig vorgehst“, informiert US-Präsident George Bush im Dezember 1989 den deutschen Kanzler Helmut Kohl. Der antwortet: „Ich habe Gorbatschow gesagt, dass es nicht in meinem Interesse ist, die Dinge außer Kontrolle geraten zu lassen.“

Nach all den alten, doktrinären Führern à la Andropow oder Tschernenko trat der junge Gorbatschow als Reformer auf. Vom Wesen jedoch eher ein Zauderer fand sich der damals Mittfünfziger plötzlich in der Rolle eines politischen Konkursverwalters. Das Land war pleite, die Ideologie am Ende, das ganze kommunistische Geschwafel entzaubert.

Aus russischer Perspektive war er

Loading

Gottfried Heller, zerbricht der Euro?

Gottfried Heller

Gottfried Heller, München, Mitte Juni 2013

Schwertfisch auf mediterranem Gemüse. Es mundet. Der Aktien-Altmeister Gottfried Heller besitzt einen wachen Geist und erfreut mit klarer Analyse.

Als elder statesman der Börse sieht er über den Tellerrand und kann die Ereignisse, über die Tagesaktualität hinweg, einordnen. Die köstliche Nachspeise – Aprikosen-Panna Cotta und Himbeer-Sorbet – wird uns fast vermiest durch unser Gesprächsthema.

Stock: Der Euro macht ja seit Jahren große Sorge.

Heller: Der Euro besitzt von Anfang an einen riesigen Konstruktionsfehler.

Stock: Wohl wahr, er ist eigentlich ein politisches Projekt gewesen – und kein wirtschaftliches.

Heller: Schlimmer noch, alle wirtschaftlichen Daten wurden bewußt ignoriert. Man hat hier gänzlich unterschiedliche Kandidaten in ein Korsett gezwängt. Länder, die nicht zusammen passen. Von der Voraussetzung, von der Mentalität, von der Leistungskraft.

Stock: Es wurde ja kräftig geschummelt…

Heller: Wobei zum Schummeln immer

Loading

Lebensgefühl 2013: Krise. Abstieg. Panik.

Grünewald1Der Mann ist diplomierter Psychologe, Psychotherapeut obendrein.Und er hat Deutschland auf die Couch gelegt. Was bei dieser Therapiesitzung herauskam, ist nicht gerade schmeichelhaft für unser Land, aber überaus erhellend.

Der Referent hält uns den Spiegel vor: Die Deutschen stehen ständig unter Dampf. Im Beruf wird immer mehr Leistung abverlangt, der Druck wird immer größer, auch der Alltag ist mit neuen Anforderungen überfrachtet. Überall und zu jeder Zeit perfekt zu funktionieren gehört zum Bild des modernen Menschen.

Doch so viel und so schnell man auch strampelt, irgendwie geht es nicht vorwärts. Das deutsche Wirtschaftswunder scheint kraftlos und schlapp. Unsicherheit und das Gefühl von innerer Leere machen sich breit. Stepham Grünewald sieht unsere Gesellschaft als erschöpft, der Lebenssinn zeige sich brüchig und leer.

Insbesondere bei der Jugend sei diese Labilität zu beobachten. Stabile Beziehungen war gestern. Alleinerziehung, Patchwork-Familien, zu wenig Fürsorge. Doch auch bei den Erwachsenen mache sich ein Gefühl des Alleingelassen breit.

Das Bild des havarierten Vergnügungsschiffes Costa Concordia stehe

Loading

Wenn Sprache verarmt…

Photo by W. Stock

Nicht nur die Schere zwischen reich und arm wird immer größer, auch die zwischen klug und dumm. Oder zwischen Vernunft und Torheit. Bisweilen muss man sich in diesem Land wirklich an den Kopf fassen und an Schule und Bildung zweifeln.

So möchte die nationale Armutskonferenz in Deutschland einige Wörter als „soziale Unwörter“ auf den Index setzen und verbieten. Es gelte, so die Argumentation, Klischees abzubauen.

Die Liste, welche Wörter man künftig nicht mehr sagen soll, ist lang: alleinerziehend, arbeitslos, Langzeitarbeitslose, bildungsfern, der ist Hartz IV, notleidender Kredit, Person mit Migrationshintergrund, Vollkasko-Mentalität. Es handele sich hierbei um abwertende oder auch irreführende Begriffe. Das schlimmste Wort überhaupt sei sozial schwach.

Dabei ist zu erinnern, das man sozial schwach sagt, seit man nicht mehr arm sagen darf. Man sieht, es gibt eine Evolution nicht-gewünschter Begriffe. Und wo das alles enden soll, kann man sich

Loading

Google, das Leistungsschutzrecht und ich

Mountain View/Kalifornien, im Oktober 2009; Photo by W. Stock

Gut 60 Prozent der mittlerweile 4.000 Besucher dieses Blogs kommen über die Suchmaschinen von Google. Wenn Sie beim googeln zum Beispiel den Namen Hemingway eingeben und Fossalta (der Ort, wo Ernest Hemingway im Ersten Weltkrieg schwer verwundet wurde), dann schauen Sie einmal, was die Websuche bei Google und auch die Bild-Suche ergeben.

Ohne Google wäre stockpress.de ein Nichts, ein Vogelschiss in der weiten digitalen Landschaft. Positiv formuliert: Ein kleiner, unbedeutender Blogger kann mittels Google – ganz ohne Geld und Einfluss – seine Rolle im Web finden. Es gibt wunderbare Beispiele dafür. Schauen Sie auf die regimekritischen Blogger auf Kuba, da schafft sich die Demokratie Gehör, trotz Gleichschaltung aller Presseorgane.

Google bringt Traffic. Dafür sollten wir der Firma aus Mountain View dankbar sein. Das müsste eigentlich auch für Verlage gelten. Die Verleger und ihre digitalen Angebote könnten ohne Google nicht mehr leben. Aber, möchte man kurz hinweisen, Google könnte ohne die Verleger leben.

Deshalb gilt es, die Diskussion nach Verabschiedung des Leistungsschutzrechtes wieder

Loading

Der sozialdemokratische Komparativ

Deutschland besser und gerechter regieren | Sozialdemokratische

Am Montag dieser Woche hat die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in Berlin mit großen Tamtam den Entwurf ihres Wahlprogramms vorgestellt. Deutschland besser und gerechter regieren, steht da als Überschrift.

Ich will hier nicht auf die Inhalte dieses Programms eingehen, darüber kann man trefflich streiten. Ob Mindestlohn, Vermögenssteuer oder eine höhere Einkommensteuer – da mag es gute Gründe dafür geben oder auch dagegen. Geschenkt, geschenkt!

Mir geht es um etwas ganz anderes. Nämlich um die Sprache. Und die Sprache ist bei der SPD verräterisch, ja, man könnte fast sagen, die Sprache der SPD kommt einer Kapitulation gleich. Einer Kapitulation vor dem Gegner CDU oder vielleicht auch einer Kapitulation vor der eigenen Ideenlosigkeit und dem eigenen Unvermögen.

Deutschland besser und gerechter regieren. Leute, obacht, das ist der Komparativ! Besser ist die Steigerungsform zu gut und gerecht wird zu gerechter gesteigert. Wenn ich nun sage, rein sprachlich gesehen, Deutschland sollte besser und gerechter regiert werden, impliziert dies, dass Deutschland heute schon gut und gerecht regiert wird.

Der Slogan hätte richtig formuliert also heißen müssen:

Loading

Bunga Bunga in Roma

clowns2Zwei Clowns hätten die Wahlen vor einer Woche in Italien gewonnen, so polterte Peer Steinbrück von der SPD. Sogleich fängt der Kanzlerkandidat sich dann eine Watschn vom italienischen Präsidenten Napolitano.

Doch wo der Problem-Peer recht hat, da hat er recht. Die zwei Komiker Grillo und Berlusconi haben verdammt viele Stimmen bekommen, ich darf es so sagen, denn ich bin nicht Kanzlerkandidat der SPD. Und auch mein Lieblingsblatt The Economist nimmt sich des Themas an unter dem Manegen-Ruf eines amerikanischen Schlagers Send in the clowns.

Wegen dieses ganzen Zirkus sieht das Londoner Wirtschaftsmagazin gar den Euro und mit ihm gleich ganz Europa am Abgrund. Die Italiener hätte die Wirklichkeit einfach nicht zur Kenntnis  genommen. Und wenn man diesen Weg weiterginge, dann sei die ökonomische Lähmung und der politische Abstieg des Kontinents nah.

In der Tat wirkt das Ergebnis der Wahlen auf den ersten Blick desaströs: Die Kräfte des Zentrums – der Sozialdemokrat Bersani und der Wirtschaftsprofessor Monti – blieben kräftig hinter den Erwartungen zurück. Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass der

Loading

Axel Springer, Ecke Rudi Dutschke

Dutschke-Strasse

Photo by W. Stock

Dicke Freunde waren sie nicht, die Studentenbewegung von 1968 und die Zeitungen des Axel-Springer-Verlages. In jenen turbulenten Tagen des Protestes lief die Front quer durch Berlin.

Auf Studentenseite mit ihrer Leitfigur Rudi Dutschke lautete die Parole Enteignet Springer!. Und auf Seiten des konservativen Verlagshauses schlug so manche Schlagzeile kräftig gegen die aufmüpfigen jungen Leute.

Ein wenig pikant scheint, dass sich seit einiger Zeit die Zentrale des Axel-Springer-Verlages in Berlin nun an der Rudi-Dutschke-Strasse befindet. Denn im April 2008 wurde ein Teil der Kreuzberger Kochstrasse in Rudi-Dutschke-Strasse umbenannt.

Und eben diese Rudi-Dutschke-Strasse läuft direkt an dem Hochhaus vorbei, in dem BILD und andere Springer-Zeitungen ihre Redaktionsbüros haben. Doch bleibt der Haupteingang des Springer-Verlages in der Axel-Springer-Strasse, so dass zumindest die Postadresse gewahrt bleibt.

Der Treppenwitz der Geschichte jedoch will, dass

Loading

So meisterte Irland die Eurokrise

Enda Kenny in Berlin, 8. November 2012; Photo by W. Stock

Am Donnerstagabend höre ich in Berlin den erfrischenden Vortrag des irischen Ministerpräsidenten Enda Kenny, der vom VDZ als Europäer des Jahres geehrt wird. Der 61-Jährige, ein Mann der christlich-konservativen Fine Gael-Partei, lenkt seit März 2011 überaus klug die Geschicke seines Landes.

Irland, das im Jahr 2009 heftig von der Finanzkrise befallen war, ist zugleich jenes Land, das 2010 als erstes unter den europäischen Rettungsschirm geschlüpft war. Dublin musste sich 64 Milliarden Euro in Brüssel leihen.

Dennoch hat Irland in kurzes Zeit etwas geschafft, wovon die Südländer Europas nur zu träumen können. Eurokrise ade. Kenny hat sein Land wieder auf Erfolgskurs gerichtet.

Die irische Politik hat auf die europäische Schuldenkrise mit einem konsequenten Anpassungsprogramm, mit Radikalsparen und Strukturreformen reagiert. Das Rentenalter wurde auf 68 Jahre angehoben, der Beamtenapparat verkleinert, die Gehälter um 14 Prozent gesenkt. Doch, oh Wunder, die Einsicht in der Bevölkerung begleitete die harte Restrukturierung.

Zwischen Dublin und Limerick gab es

Loading

Ist Neukölln wirklich überall?

Ein neues Buch, Neukölln ist überall, rechnet mit der falschen Integrationspolitik in Deutschland ab. Geschrieben hat das Werk Heinz Buschkowsky, ein SPD-Mann, seit elf Jahren Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln. Der Mann weiß also, wie es auf Berliner Strassen aussieht.

Die Wirklichkeit Neuköllns ist nicht erst seit dem Buch von Heinz Buschkowsky bekannt: soziale Ausgrenzung, offene und latente Gewalt, eine unkontrollierte Parallelgesellschaft, wachsende Kriminalität, ein erschreckender Nicht-Respekt für staatliche Institutionen, Hartz rauf und runter, am bitteren Ende steht Armut und Ausgrenzung,

Soweit, so schlecht. Doch ist Neukölln wirklich überall? Kann man diese soziale Trostlosigkeit im ganzen Land beobachten? Sind die Probleme des Berliner Bezirks die Probleme von ganz Deutschland? Spannende Fragen.

Warum, frage ich, findet sich solch ein Elend in Berlin, jedoch nicht in

Loading

Seite 3 von 9

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén