Wiesbaden, im September 1988

Die Ente vom Lehel ist im Wiesbadener Nobelhotel Nassauer Hof untergebracht. Hans-Peter Wodarz hat das Edelrestaurant 1979 gegründet, in der Tradition seines Münchener Restaurants, das Die Ente im Lehel hieß.

Wodarz, Jahrgang 1948 und in Wiesbaden geboren, lernte das Handwerk eines Kochs bei Eckart Witzigmann im Tantris, machte sich dann als Gastronom selbstständig, und setzte mit seinen beiden Enten den neuen kulinarischen Maßstab in Deutschland.

In Wiesbaden werden wir von Hans-Peter Wodarz persönlich bekocht. Anlass ist das Erscheinen der ECON Gourmet Bibliothek, die Wodarz als Herausgeber betreut. Diese vielbändige Taschenbuch-Reihe ist ein großer publizistischer Wurf. Thematisch decken die in vornehm-schwarzen Einband gehaltenen Bücher die Highlights der modernen Küche ab – von erlesenen Olivenöle über Lammfleisch-Gerichte bis hin zu einem Kanon der Mineralwasser

Mein Kollege Harry Olechnowitz betreut diese Buchreihe, die den Trend zu feinem Essen und zum Slow Food in Deutschland aufgreift. Das Buchprojekt stellt sich als ein riesiger Erfolg heraus, in den Medien, im Buchhandel und auch beim Leser.

An diesem Abend überrascht uns Hans-Peter Wodarz mit einem Sechs-Gänge-Menü. Und mit Weinen von ersten Winzern, meist Rheingau oder Mosel. Die Wiesbadener Ente deckt ein auf zwei Etagen, wenn man die Galerie mitzählt, die man über eine geschwungene Treppe erreicht. Prominenz an den Tischen. Ich sitze mit den TV-Köchen Neuner-Duttenhofer zusammen, mit der legendären amerikanischen Buchagentin Katherina Czarnecki, am Nachbartisch Dieter Kürten, Klaus Bresser,  rund 80 Personen sind gekommen.

Der Herr der Enten gibt sich persönlich die Ehre, gibt Einblick in seine Philosophie, erläutert unter verzückten Ahs und Ohs der Gäste Komposition und Zutaten. Hans-Peter Wodarz scheint vom Naturell her ein zurückhaltender, zurückgenommener Mensch, der nicht unbedingt im Rampenlicht stehen muss. Seine Créationen sprechen für sich und für ihn. Der Sternekoch Wodarz versteht sich auf Inszenierung – auf dem Teller.

Seine Darbietungen heißen dann auch Dialog der Früchte. Lammgerichte, im Blätterteig, sind eine seiner Spezialitäten. Gerne kombiniert er Fisch und Fleisch. Abgerundet, mit einem kulinarischen Augenzwinkern, oft mit Ente oder Gänseleber.

Man darf als Résumé des Abends sagen, das Menü ist perfekt. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Klug in Vielfalt und Raffinesse. Die Optik schwelgt und der Gaumen wird nachhaltig gekitzelt. Und dies alles mit einer Nonchalance, der jede Affektiertheit und jedes Schinden nach Eindruck fremd ist. Kein Zweifel, hier in Wiesbaden kocht ein Mozart der Küche.

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