Ohne diese Mauer kann man dieses Land nicht begreifen. Aus jedem Stein dieses Bauwerks spricht China, die Mauer sagt einiges aus über dieses stolze und selbstbewusste Land.
Wenn man den richtigen Abschnitt dieser mehr als 7.000 Kilometer langen chinesischen Mauer aussucht und obendrein die richtige Tageszeit, dann hat man dieses grandiose Bauwerk ganz für sich allein.
Hier bei Mutianyu, eine gute Autostunde nordöstlich der Hauptstadt Peking, ist die Great Wall nicht so übervoll mit fotoknipsenden Japanern und lärmenden Amerikanern wie im weiter westlich gelegenen Badaling. Wenig Touristen, kein Geschiebe und Geschubse, nicht die langen Reisebusse, es ist, als sei man selbst und dieser Mauerabschnitt von der Welt vergessen.
Ohne Zweifel ist die chinesische Mauer das imposanteste Bauwerk, das heute noch steht und bewundert werden kann. Es gilt als das größte von Menschenhand erschaffene Bauwerk der Zivilisation. Es sollte die Mongolen fernhalten, daran erinnern die auf Sichtweite angelegten Wachtürmen der einzelnen Abschnitte. Hier lagerten Waffen und hier waren die Soldaten stationiert.
Gut 4 Meter breit und etwa 8 Meter hoch, wurde die Mauer hier gebaut. Man hat sie auf dem spitzen, bewaldeten Bergkamm errichtet, was den Bau zu einer architektonischen und logistischen Meisterleistung werden ließ. Die Mauer besteht aus Naturstein oder gebrannten Steinen, als Mörtel wurde Brennkalk verwendet. Das Fundament wurde mit Lehm und Sand befestigt.
Diese Große Mauer steht für Chinas Größe, für seine Leistungsfähigkeit, für sein historisches Denken und für sein Selbstwertgefühl. So mag diese Mauer den Wilden und den Unzivilisierten Einhalt bieten, wobei interessanterweise im Norden ja nicht nur die Reiterhorden der Mongolen zu finden waren. Die konfuzianischen Chinesen fühlen sich nicht nur den Nordasiaten zivilisatorisch überlegen, sondern auch den Europäern.
Ein Konfuzianer besitzt einen langenAtem: Die Chinesen denken nicht in Jahren oder Generationen, das veranschaulicht der Bau dieser großen Mauer, sie denken in Dynastien. Insgesamt hat man fast zweitausend Jahre an dieser Mauer gebaut. 214 v. Chr. wurde der erste Schutzwall errichtet, erst im 16. Jahrhundert, während der Ming Dynastie, war sie halbwegs fertig.
Mein Mauerabschnitt bietet nicht nur Anschauung in Architektur und Geschichte, sondern auch eine Menge Annehmlichkeit und Spass. Bei Mutianyu gondelt der Besucher in einer zweisitzigen Sesselbahn bequem den Berg hinauf und hinab geht es dann mit noch mehr Tempo: mit einem Einer-Bob auf einer Messingbahn das kurvige Geländer hinunter bis zur Talstation.