Photo by Norbert Böer

Iquitos, im Dezember 1985

In Iquitos, inmitten der peruanischen Tropen, gilt die Casa de Hierro nicht als spektakuläres Bauwerk. Das Haus aus Eisen steht einfach da, so wie es die letzten hundert Jahre immer da stand. Das zweigeschossige, abgeflachte Bauwerk findet man an der südöstlichen Ecke der Plaza de Armas und ist nur einen Häuserblock vom wuchtigen Amazonasfluss entfernt.

Im Erdgeschoss residiert ein kleines Reisebüro, das Ausflüge in den Amazonasurwald anbietet. Eine Etage darüber befindet sich eine Wohnung. Alles ganz normal soweit, doch die Geschichte des Eisenhauses ist spektakulär.

Denn dieses Eisenhaus wurde von keinem geringeren als dem Franzosen Gustave Eiffel gefertigt. Der Ingenieur Eiffel erlangte bekanntlich Weltruhm als Vater des Eiffelturms, des sich gen Himmel reckenden Wahrzeichens von Paris.

Eiffels Eisenhaus ist einzig aus Metall gefertigt, ohne Zusatz von Holz oder Stein. Nur Eisen. Der Kautschukbaron Anselmo del Aguilar aus Iquitos hat dieses kuriose Bauwerk auf der Weltausstellung 1889 in Paris gesehen. Gesehen und – so möchte man anfügen – sich mächtig verguckt.

Der peruanische Cauchero, durch den Kautschukboom und die einsetzende Motorisierung zu sagenhaften Reichtum gelangt, kauft das Haus kurzerhand in Paris. Don Anselmo lässt das Bauwerk auseinander nehmen und Platte für Platte, Träger für Träger, Schraube für Schraube, und dann schiffstauglich einpacken.

Die lange Reise des Eisenhauses von Frankreich über den Atlantik beginnt. Da Iquitos nicht über Landwege erreichbar ist, bleibt nach der Atlantiküberquerung nur der beschwerliche Flussweg von Brasilien den Amazonas hinauf. In Iquitos dann, an der Plaza de Armas in Nähe des wunderschönen Kirchengebäudes, wird das Pariser Haus dann wieder aufgebaut.

Der Fotograf Norbert Böer und ich klettern, freilich erst nachdem wir beim Pastor hierzu Einwilligung erhalten, auf den Kirchturm von Iquitos. Unter uns liegt nun das Eisenhaus, in voller Pracht, dahinter dieser grandiose Amazonas. Schon seit über 100 Jahren steht die Casa de Hierro hier in Iquitos, an der grünen Plaza.

Ein irrsinniges Bauwerk. Märchenhaft und doch leutselig. Nobel, aber trotzdem nonchalant. Ein Hauch Paris weht durch die Schwüle am Amazonas. Und dieses richtige Haus am falschen Ort – oder ist es umgekehrt? – erinnert uns noch heute an diesen dreisten und durchgeknallten Kerl, den Kautschukbaron Anselmo. Der zuerst verlacht, dann bemitleidet und nun bewundert wird.

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