Verächtlich wurden sie in den Nazi-Jahren Swingheinis genannt, um zu zeigen, dass sich hier nicht das Gute, Schöne und Wahre der deutschen Kultur manifestiere. Und der beste Swingheini in Deutschland ist der Schweizer Teddy Stauffer gewesen. Über 300 Schallplatten haben Teddy Stauffer und seine Original Teddies in den 1930er Jahren aufgenommen. Das ist Rekord.
In den Hitlisten stehen sie in dieser freudlosen Zeit immer ganz oben. In Berlin und Leipzig sind Teddy und seine Mannen in jenen Jahren so bekannt wie heute Lady Gaga und Madonna zusammen. Die Stauffer Band ist smooth gewesen, swinging und vor allem hot. The hottest Band in Town. Und hot bedeutet in jener Zeit sehr amerikanisch. Als ich Teddy Stauffer im November 1982 zuhause in Acapulco besuche, unterhalten wir uns auch über die Swing-Musik in der Weimarer Republik.
Als Quartett – Willi Mussi, Walo Linder, Pole Guggisberg und Ernest Stauffer – verlassen die Jungjazzer 1929 ihre heimatliche Berner Provinz in Richtung Berlin. Vier übergeschnappte Jungs auf der Suche nach dem Abenteuer. „Wir waren damals drei Schlagzeuger und ein Pianist, als wir in Berlin ankamen“, sagt Teddy Stauffer und lacht über sein braungegerbtes, faltiges Gesicht. Nach und nach bauen sie die Band bis zum Orchester aus.
Als Bandleader zelebriert Teddy Stauffer den großen Auftritt, er gefällt sich in der Rolle des Master of Ceremonies. Als Solist hat er sich erst in zweiter Linie gesehen. Ich habe Saxophon gelernt, war immer mehr der Frontmann, das Bindeglied zwischen Band und Publikum. Der große blonde Bandleader wird zum Liebling des Publikums, insbesondere jener Zuhörer, die auf weibliche Vornamen hören.
Was hat Ihre Musik ausgezeichnet? Ist es der Swing?, frage ich Teddy. Es ist der Swing. Niemand kann richtig erklären, was der Swing ist. Aber der Swing ist zu allererst ein guter Rhythmus. Sicher, Swing ist ein Rhythmus, ein Musik-Stil, da hat Teddy Stauffer recht, er ist aber eben auch eine musikalische Haltung. Man kann Swing nicht lernen, meint Teddy, Du hast ihn, oder du hast ihn nicht. Es gibt phantastische Instrumentalisten, die aber nicht swingen können. Wie hatten immer einen guten Rhythmus, auch wenn wir schlecht gespielt haben.
Teddy Stauffer leitet in jenen Jahren die amerikanischste Band in Deutschland. Das Konzept hat er sich in den USA abgeschaut. Im Jahr 1935, als Bordkapelle des luxuriösen Atlantikkreuzers S.S. Reliance, kommen die Teddies nach New York, dem Mekka eines jeden Jazzmusikers. Diese Stadt lebt ganz nach dem Puls des Jazz, diese Stadt gebiert pausenlos neue Rhythmen und Stile. Und in dieser Stadt spielen in den kleinen, verräucherten Clubs von Harlem jene großen Vorbilder, denen man im fernen Berlin oder sonst wo auf der Welt mehr schlecht als recht nachzueifern versucht.
Die langen Nächte verbringen Teddy und seine Jungs damit, den Musikern aus der Duke Ellington-Band, den beiden Dorsey-Brüdern oder den Instrumentalisten des Casa Loma Orchestra auf die Finger zu schauen. Ich war 1935 in New York, in Harlem. Ich habe Duke Ellington gesehen, Glen Gray. Die Technik und die Arrangements in Amerika haben mich beeindruckt. Durch einen Notenservice haben wir uns immer die neuesten Hits nach Berlin schicken lassen, und wir waren dann immer die ersten, die sie in Europa auf Schallplatte hatten.
In Berlin eifern die Teddies ihren Vorbildern aus Übersee nach. Das hat den tumben Nazis natürlich nicht gefallen. Doch wirklich Ahnung von der Musik, die ihnen nicht ins Weltbild passt, haben die braunen Machthaber nicht. Was die Nazis in Deutschland als Swing-Musik kritisierten, das war doch nur eine schlechte Kopie. Es gab Orchester, die versucht haben, Swing zu spielen, das war aber verheerend. Das war zickig, die haben den Swing einfach nicht gehabt.
Das Gefälle zu den US-Big Bands verkleinert sich im mondänen Berlin nach und nach. Wir haben damals den Möni Stomp aufgenommen, eine Komposition meines Pianisten Buddy Bertinat. Er hat das Stück so genannt, weil seine Freundin Monika hieß. Der Möni Stomp braucht sich vor amerikanischem Standard nicht zu verstecken. Das hat Präzision. Solch ein Saxophon-Quartett hat es nie vorher gegeben. Vier Saxophone, und da waren Höllerhagen und der Eddie Brunner dabei.
Swing sei eine Lebenseinstellung, meint der betagte Band-Leader, den es später nach Mexiko verschlagen hat. Mein Orchester hatte Persönlichkeit, das waren 16 verrückte Jungs mit derselben Idee. Swing, das ist damals Avantgarde gewesen. So wie heute Hip-Hop oder Rap. Da wird Musik gegen den Strich gebürstet und dem Mainstream eine lange Nase gezeigt. Wir haben, kann man sagen, Revolution gemacht in der Musik.
Alexander Riemscheid
Mit Freude sehe ich, dass Sie an Teddy Stauffer erinnern. Auch Deutschland hatte eine grosse Swingtradition, die leider von den Nazis kaputt gemacht wurde. Und Teddy Stauufer war von allen Großen damals der Größte. Danke!
Alexander Riemscheid