Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Wo die Luft der Freiheit weht

Fern der Heimat erwartet mich an der Stanford University im kalifornischen Palo Alto eine faustdicke Überraschung. Die Leland Stanford Junior University, so ihr voller Name, führt ein deutsches Motto in ihrem Siegel. Die Luft der Freiheit weht, dieser Satz auf Deutsch steht deutlich über dem hohen Nadelbaum, der Palo Alto auch den Namen gibt.

Ist das schön! Die Luft der Freiheit weht geht zurück auf einen Ausspruch des Humanisten Ulrich von Hutten, der im 16. Jahrhundert ein Weggefährte des Erasmus von Rotterdam war. David Starr Jordan, der erste Präsident der Stanford Universität hat ihren Gründer, den Unternehmer und Politiker Leland Stanford, von dem Motto bereits kurz nach Gründung 1891 überzeugt.

Auch wenn die Übersetzung aus dem Lateinischen aus heutiger Sicht vielleicht mit Der Wind der Freiheit weht etwas gefälliger hätte ausfallen dürfen, so bleibt Die Luft der Freiheit weht doch ein betörender Wahlspruch.

Dass eine amerikanische Eliteuniversität ihn nutzt, adelt den deutschen Humanismus. Es zeigt, welchen Einfluß das Geistesleben Deutschlands und Preußens bei der Gründung der amerikanischen Hochschulen gehabt hat. Und es führt uns auch vor Augen, wie weit die Amerikaner uns in puncto Spitzenbildung heute abgehängt haben.

Die Luft der Freiheit weht. Ein deutscher Student würde wohl gelangweilt mit der Schulter zucken, für einen Stanford-Studenten jedoch ist dieses Motto gelebte Wirklichkeit. Dem Motto wohnt eine Verpflichtung inne. Es bedeutet Unabhängigkeit und Toleranz, es bürgt für die Freiheit von Lehre und Forschung, es meint, dass kein Ministerium in Curriculum und Berufungen hineinquatscht und es drückt aus, dass keine finanzielle Gängelung durch öffentliche Hände stattfindet.

Die Lehrveranstaltungen in Palo Alto spiegeln diesen freien Geist wider. In den Hörsälen und auf dem Campus werden Freiheit und Respekt vorgelebt. Eine Autonomie, aus der, wenn sie mit hoher Bildung zusammen kommt, eine ungeheure Kreativität erwächst. William Hewlett und David Packard, beide Stanfordianer, bringen in einer Holzgarage downtown ihre Computer-Firma Hewlett-Packard ins Leben. Die Kommilitonen David Filo und Jerry Yang gründen Yahoo. Larry Page und Sergey Brin entwickeln auf dem Campus die Suchmaschine Google und damit einen Weltkonzern. Andreas von Bechtolsheim begründet die Netzwerkfirma SUN, was vordergründig Sonne heißt, eigentlich aber auf die Abkürzung von Stanford University Network zurückgeht.

Ohne die Stanford Universität wäre das Silicon Valley nicht vorstellbar, sie ist Hirn – und wohl auch Herz – der kalifornischen Computer-Industrie. Die Stanford University zeigt, was alles möglich ist, wenn Freiheit regiert. Kreativität, Innovation, Erfolg. Wenn die Luft der Freiheit weht.

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B. Traven wohnt in München, Clemensstrasse 84

  1. lao Men

    Na ja. „A university motto should be simple and in a foreign language“, das war wohl das Motto für’s Motto. Allerdings hatten sie Glück in Stanford. Wenigstens kam der Spruch von einem Freund des Erasmus, nicht des Hexenverbrenners, Judenverfolgers Luther, für den’s „auch mal die Magd“ tat, und dessen landstörzende Hetze uns 30 Jahre Krieg und einen Rückschritt um wohl ein bis zwei Jahrhunderte eingetragen hat.

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