Bellavista, im Januar 1981
Wenn man die Amazonasregion bereist, so begleitet einen stets das Gefühl der Überlegenheit dieser Natur, einer Übermacht, die in den Tropen in keiner Sekunde weichen will. Einerseits wirkt Mensch im Urwald so klein, so schutzlos, so unwichtig, andererseits spürt er aber auch, was Leben und Lebenslust denn so bedeuten kann. Es mag vielleicht diese Mischung aus Demut und Faszination sein, die der Amazonas uns beibringen will.
Die Tropen zeichnet etwas Unwirkliches aus, dieser Landstrich bewegt sich wie aus einer heißen Phantasiewelt, er kommt einem vor wie eine Fieberhalluzination, wie ein Traum, aus dem man plötzlich hoch zu schrecken droht. Man wird demütigt in diesen Breiten, wohl wahr, jedoch auch leicht übermütig.
An der staubigen Landstraße nach Bellavista am Rio Nanay hat in der von Urwaldvegetation umrankten Villa Mercedes ein Deutscher sein Quartier aufgeschlagen. Um genau zu sein, wohnt dieser Mann nicht direkt in der zweigeschossigen Tropenvilla. Der Künstler hat sich aus dem großzügig bemessenen, bequemen Haus ausquartiert und residiert nun auf einem baumhohen Haus auf Stelzen, das er eigenhändig mitten in die Üppigkeit des Dschungelgartens gebaut hat. Hier lebt er in luftiger Höhe inmitten von Bananen- und Yuccastauden.
Wer bloß ist dieser seltsame Mensch, fragen sich auch die Anwohner dieses Landstrichs, der so isoliert und entfernt liegt von jenen zivilisatorisch herausgeputzten Gegenden dieses Globus. Und der einen pompösen Film drehen will, Fitzcarraldo, über einen merkwürdigen Abenteurer am Amazonas. Der Mann im Baum ist der deutsche Regisseur Werner Herzog, el Gringo alemán, wie ihn die Loretaner hier nennen.
Gegen Mittag besuche ich Werner Herzog in der Villa Mercedes. Unten in Parterre hat die Filmcrew mit der Ausrüstung ihren Arbeitsbereich, im ersten Stock des Hauses, im riesigen Wohn- und Esszimmer, sitzen Regisseur, Schauspieler und Kameraleute um einen langen Tropenholztisch. Werner Herzog lädt mich in den Garten ein und zeigt mir sein Baumhaus. Und auch der Besuch muss sich der Mühe unterziehen, die lange Sprossenleiter ins mächtige Stelzenhaus hochzuklettern.
Oben entwirft Herzog die Vision des Films und erzählt, dass die körperliche Anstrengung in seinen Filmen eine zentrale Rolle spiele. Es wäre schlimmer für mich, ein Bein zu verlieren als ein Auge, sagt der Regisseur, der opulente Bilder schafft. Und Herzog will im peruanischen Amazonasdschungel einen pompösen Film drehen, ein Leinwandspektakel, wie es sein Heimatland Deutschland, ja, die ganze Welt und das armselige Peru sowieso noch nicht, gesehen haben. In dem Film muss etwas völlig Irrwitziges, etwas ganz und gar Phantastisches passieren. Etwas, das zeigt, dass Willenskraft stärker ist als Schwerkraft, dass Wollen größer ist als Sein.
Ein Schiff muss über einen Berg gezogen werden. Und Werner Herzog war in Hollywood und hat seine Idee vorgestellt. Wunderbar, sagten die Filmbosse, eine hübsche Idee. Wir gehen in den Botanischen Garten von San Diego und lassen vor der Trickkamera dort das Schiff über einen Berg ziehen. Nein, nein, hat Werner Herzog ärgerlich gesagt, ein Schiff muss über einen Berg gezogen werden. Ein richtiges Schiff über einen richtigen Berg.
j. Sankul
Das Schlimmste sind die gefällten riesigen Bäume.