In den späten 70er und frühen 80er Jahren habe ich ab und an für das Wiener Extrablatt geschrieben. Das österreichische Monatsmagazin stand dem linken Flügel der Sozialdemokratie nahe. Es besaß seine Sympathien für den großen Bruno Kreisky, mit ein wenig Distanz natürlich, so wie in der Beziehung eines pubertanten Jungen zu seinem Vater.
Die Auslandsberichterstattung war für jene Jahre ausführlich und profund. Aus Lateinamerika, dem Nahen Osten oder Südeuropa. Die Innenpolitik ging man oft investigativ an. Dabei war die Zeitschrift groß im Aufdenken von politischen oder sozialen Ferkeleien in der Alpenrepublik.
Viele, denen später Ruhm und Ehre zuteil wurden, haben in jungen Jahren im Extrablatt veröffentlicht. Da ist Manfred Deix, der Sankt Pöltener Karikaturist, mit seinen beißenden Cover-Grafiken. Da ist Marie Luise Kaltenegger, die wie keine zweite einfühlsame und sinnliche Reportagen zu schreiben vermochte. Und die Liste ließe sich fortsetzen: Elfride Jelinek, Erich Hackl oder Christoph Ransmayr.
Der Kopf hinter, vor, über und unter dem Extrablatt war Harald Irnberger. Irnberger war ein – positiv gemeint – Besessener. Er ging zu Arafat zum Interview als dies noch einen Skandal auslöste und deckte in Wien kompromisslos die eine oder andere Misswirtschaft auf, auch wenn dies a conto SPÖ ging.
Irnberger war, insbesondere analytisch, ein guter Journalist, vielleicht ein Hauch zu schwärmerisch. Aber er besaß ein gutes Auge und einen klaren Verstand, was in seinen Reprotagen für Focus, GEO und den stern nachzulesen ist. Und er hat ein wunderbares Buch geschrieben über Gabriel García Márquez, den er persönlich gut kennt.
Anfang der 80er Jahre kam das Extrablatt in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Als Verleger blieb Irnberger eigentlich immer klamm und wenn ich ihn am Telefon hatte und ihn sanft an ausstehendes Honorar erinnerte, da kam in einem melodischen österreichischen Tonfall meist eine solch hübsche Erklärung, dass man nicht weiter insistieren mochte. Zum schlechten Ende musste Harald Irnberger das Extrablatt schließlich aufgeben.
Der hagere und bärtige Journalist, vom Jahrgang 1949, ging dann als Korrespondent viele Jahre nach Mittelamerika in die Bürgerkriegsstaaten. Danach ließ sich Irnberger mit seiner Frau in Andalusien nieder, wo sich beide eine Finca mit Meerblick aufbauten.
Der Kärntner war in den letzten Jahren für den KICKER ein kluger Spanien-Korrespondent, jenseits von EinsNull, und schrieb mit Die Mannschaft ohne Eigenschaften ein scharfsinniges Buch über die Globalisierung im Fußball. Ein dicker Schmöker, dem er ein Zitat von Martin Walser voranstellte. Es gibt nur etwas, das noch sinnloser ist als Fußball: nachdenken über Fußball.
Und in letzter Zeit hat sich der Wahl-Spanier auch als Autor von Krimis mit Wiener Flair einen Namen gemacht. Mord und Totschlag, der Fußball, die Sandinisten – Irnbergers Welt war bunt und abenteuerlich. Nun, im August 2010, ist Harald Irnberger in Andalusien verstorben.
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