Notizen und Anmerkungen von unterwegs

B. Traven, alias Ret Marut, verlegt in München 23, Herzogstrasse

Hier im Herzen Schwabings mit seinen feinen Häusern aus der Jahrhundertwende zeigt sich München von seiner angenehmen Seite. Gediegene Wohnlichkeit, kein Protz wie in Grünwald oder Bogenhausen, ein lockerer Lebensrhythmus voller Sonne und Lebensfreude.

Ein ruhiger Autoverkehr, wenig Lärm und grüne höhe Bäume verleihen Bohème-Viertel eine unbeschwerte Note. Die Herzogstrasse liegt in Rufweite zur Clemensstrasse, dort wo der mysteriöse Schriftsteller Ret Marut sein Quartier bezog.  Und just in der parallelen Herzogstrasse, Hausnummer 45, im zweiten Stockwerk, wohnte Irene Mermet, Maruts Lebensgefährtin. Heute existiert das Haus nicht mehr, es wurde abgerissen.

In München meldete sich Irene Mermet, eine  ehemalige Studentin der Düsseldorfer Hochschule für Bühnenkunst, am 24. November 1915 an, nachdem ihr Freund Ret Marut sich schon zwei Wochen zuvor als angeblich amerikanischer Staatsbürger und stud.phil ins Münchner Melderegister hat eintragen lassen.

Als Tochter eines Kölner Kohlehändlers besaß Irene Mermet finanzielle Mittel, mit deren Hilfe, sie die Publikationen ihres Freundes unterstützte. So erschien 1916 die Novelle An das Fräulein von S…..- Briefe eines Gefallenen. Als Autor zeichnete ein gewisser Richard Maurhut, das schmale Bändchens erschien im Mermet Verlag, München, 23, Herzogstrasse.

Eine Meisternovelle pries Der Ziegelbrenner in einer werblichen Annonce. Geheftet in Bütten-Umschlag: 2,00 Mark, einfach geheftet für 1,20 Mark und nummeriert (nur 30 Stück) in äusserst vornehmen Liebhaber-Einband für 15 Mark. Der Mann – oder vielleicht auch die Frau – kannte schon damals die Gesetze des Marketings, obwohl es in jenen Tagen diesen Begriff natürlich noch nicht gab.

Der Verfasser des 85 Seiten dünnen Anti-Kriegs-Büchleins war in Wirklichkeit Ret Marut, der sich hinter einem verballhornten Richard Maurhut versteckte. Auch hier wieder dieses Verschleiern der Person Ret Marut, der ja auch nicht Marut hieß, sondern ganz anders. Im Französischen heißt Pseudonym auch nom de guerre, und sicherlich empfand sich Ret Marut als Autor und politischer Mensch im Kriege.

In den turbulenten Revolutionstagen der München Räterepublik war Marut gezwungen am 1. Mai 1919 abzutauchen, kurz vor seiner standrechtlichen Erschießung durch ein Feldgericht der Weißgardisten. Marut und Mermet flohen ins Rheinland.

1923 war Marut/Maurhut dann ganz verschwunden. Der Mensch, der sich hinter diesem Phantom verbarg, entfloh 1924 nach Mexiko, wo er unter einem abermaligen Phantasienamen – als B. Traven – ein Schriftsteller von Weltruhm werden sollte.

Irene Mermet blieb seine Freundin von 1915 bis 1926. Sie besuchte ihn später in Mexiko, im Jahr 1925. Doch das Verhältnis der beiden zerbrach und Irene Mermet ging in die USA und heiratete einen Rechtsanwalt und Harvard-Professor. Sie lebte dann in New York, wo sie 1956 starb. Ret Marut, nun B. Traven, blieb in Mexiko.

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  1. apple

    Saubere RecherchE, Hut ab! Und, wie immer, auf den Punkt gebracht.

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