Ein alter Hotelschlüssel fällt mir in diesen Tagen in die Hände. Hotel Villa Vera steht darauf, Suite 14. Weiter unten wird verraten, wo sich das Hotel befindet. Acapulco liest man in groß geschwungener Schrift.
Die Villa Vera war vor 50 Jahren – neben dem Las Brisas – die angesagte Hotelanlage in Acapulco. Frank Sinatra, Elizabeth Taylor, Liza Minnelli, John Wayne übernachteten hier. Das besondere am Hotel: Die Suiten verteilten sich wie kleine Villen über die ausgedehnte Anlage, viele der Cabanas besaßen einen eigenen kleinen Swimmingpool.
Im Norden der Anlage fand man einige wunderbar gepflegte Tennisplätze, auch das war damals eher unüblich. Teddy Stauffer’s Raquet Club findet sich als Hinweis auf dem Schlüsselanhänger. Dieser Teddy Stauffer war ein Schweizer Swingmusiker, im Deutschland der 1930er Jahre mit seiner Band Teddies die Nummer 1, vom Publikum gefeiert und von den braunen Machthabern gegängelt. Wegen all den Nazi- und Kriegswirren landete der hochaufgeschossene Schweizer schließlich im mexikanischen Acapulco.
Der sympathische Teddy fand dort im Hotelgewerbe – zunächst als PR-Mann, später als Teilhaber – sein Auskommen und die Villa Vera war fortan seine neue Heimat. Dort
Goin‘ loco down in Acapulco. Man wird schnell verrrückt hier, rasch schnappt man über vor lauter Sinnenfreude und Lebenslust. Der liebe Gott hat damals einen guten Tag erwischt, als er daran ging, der Natur die Reichtümer zu zuweisen. Und bei diesem Landstrich im Westen Mexikos zeigte er sich dann überaus großzügig.
An Mexikos blauer Pazifikküste herrscht ewiger Hochsommer. Herbst und Winter sind unbekannte Phänomene. Der Frühling findet an einem Märznachmittag statt. Um die 16 Kilometer langgezogene, sichelförmige Bucht hat man in den letzten Jahren riesige Hochhäuser und bombastische Luxushotels aufgestellt, die wie ein feines weißes Gebiss in den azurfarbenen Himmel ragen.
Entlang der Costera fallen vor allen von November bis Februar die Touristen aus aller Welt in Scharen ein und breiten sich tagsüber aus auf den feinkörnigen Sandstränden mit den Palmenbäumen, die auch nur wenig Schatten spenden mögen.
Am nördlichen Ende der sonnigen Bucht beginnt Acapulco tradicional, das Acapulco der Mexikaner, mit dem pittoresken Fischerhafen, den günstigen Restaurants und der kleinen Kathedrale Nuestra Señora de la Soledad. In der Gegend um den Zócalo, den Hauptplatz, herrscht wie jeden Tag ein reges Treiben.
Die Männer im Café neben dem Kirchenhaus stoßen lauthals mit ihren schlanken Coronaflaschen an, im Denny’s verdrücken die jungen Burschen der Stadt noch eine Hamburguesa, während sie mit ihren Freundinnen einen erwartungsvollen Blick in die Novedades auf die Seite mit dem Kinoprogramm werfen. Und kurze Zeit später sieht man das junge Liebespaar verstohlen ins Dunkel des Kinotheaters huschen.
Die wuchtige Schwüle der Tropen drückt auf die ganze Stadt und ihre Bewohner. Dieser Ort besitzt aphrodisierende Wirkung, weshalb auch immer, und so lässt sich manch einer zu ziemlichen Verrücktheiten verführen. Und dieses Goin‘ loco meint dann auch, der Verstand setzt aus, man wird ein anderer Mensch, oder vielleicht, man wird endlich zu dem Menschen, der man immer sein wollte.
In diesem aufregenden Acapulco zählt auch nicht die Zeit. Die endlose Sonnenglut lässt nicht nur jeden deutlichen Klimabefund, sondern auch jedes ordentliche Zeitmaß zerrinnen. Dementsprechend besitzt die Vergnüglichkeit der Menschen und die Lebendigkeit dieser Stadt sowohl Gleichmaß als auch Unvergänglichkeit.
Die Acapulqueños gehören zu einem Menschenschlag, der von Sonne und Meer verwöhnt, das Leben in all seiner Lust, in all seiner Unbeschwertheit und all seinem Wohlbehagen auszuleben versteht. Dazu gehört die lockere Extrovertiertheit ebenso wie diese spürbare Sinnenfreude.
Wer erfand eigentlich dieses schöne Acapulco von heute? Die Antwort auf diese Frage mündet in einer netten Fussnote der Zeitgeschichte. Zwei – und zwar zwei sehr unterschiedlichen – Männern gebührt das Verdienst, Acapulco zum reizvollen Seebad gemacht zu haben. Da ist zum einen Teddy Stauffer, der emigrierte Swingmusiker und Mister Acapulco, der halb Hollywood nach Aca holte.
Und die zweite Person heißt Fidel Castro. Denn dessen Revolution von 1959 sagte finito auch zu amerikanischen Touristen und Nachtschwärmern in Havanna. Der Jetset musste weiter ziehen und nach einem anderen lustvollen Hot Spot im Süden Ausschau halten. Und es fand sich: Acapulco. The sunny side of life. Auch hierfür muss man Fidel Castro dankbar sein.
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