Eine Neuerscheinung, die einem den Atem stocken lässt. After the Fall. The End of the European Dream and the Decline of a Continent. Der amerikanische Historiker Walter Laqueur hat dieses Buch vor kurzem geschrieben und es ist die beste Analyse zu unseren Problemen weit und breit.
Laqueur, ehemaliger Professor an der Georgetown University in Washington, überzeugt durch seinen messerscharfen Blick auf den alten Kontinent. Dieses Europa sei zu bequem geworden, habe seine Werte verloren, Schurken wie Gaddafi gewähren lassen, habe sich vom leichten Wohlstand einlullen lassen und sich nicht zukunftsfit gemacht.
Die Wahrheiten, die Laqueur ausspricht, sind unangenehm. Der Historiker liebt eine klare Sprache. Europa sei an sich selbst gescheitert: keine politische Integration, alternde Gesellschaften, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, eine falsche Einwanderungspolitik.
Walter Laqueur, 1921 in Breslau geboren, und als Jugendlicher kurz vor dem Krieg mit Familie vor den Nazis geflohen, zeichnet als Historiker die großen Linien. Die drei Jahrzehnte nach dem Krieg dienten der moralischen Vision von Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Nach diesen sozialdemokratischen Jahren ging es abwärts. Werte wurden verraten, die europäische Integration nur viertelherzig angepackt, die Wettbewerbsfähigkeit vom ausbordenden Wohlfahrtsstaat peu à peu geschrumpft.
Der Wohlstand, der nun die Werte ersetzt hatte, wurde auf Pump finanziert. Vereinigte Staaten von Europa? Äh. Eine gemeinsame Außenpolitik? Hüstel. Eine gemeinsame Wirtschaftspolitik? Ein Witz. Statt dessen Brüsseler Bürokraten.
Die Wirtschaftskrisen der letzten Monate haben die Schwachstellen Europas gnadenlos bloßgelegt. Der kurzfristige Abschwung fügt sich jedoch nur ein in den langen Zyklus der Dekadenz. China wächst zweistellig, Lateinamerika boomt, doch Europa degeneriert zur Randerscheinung.
Walter Laqueurs essayistisch und flott geschriebene Analyse ist ein ziemlicher Magenbitter, insbesondere bei jenen Passagen, die sich mit der Zukunft Europas befassen. Der Kontinent könnte zu einem Erlebnispark für reiche Asiaten werden, schreibt Laqueur, eine Art Rothenburg ob der Tauber oder ein Versailles im großen.
Ja, solche Aussichten sind quälend und voller Pein, aber zwischen manchen Zeilen lugt hier und da bei Laqueur auch ein winziger Schimmer Hoffnung durch. Jede Supermacht habe nach ihrem Niedergang, die Möglichkeit sich wieder aufzurappeln, sich zu verjüngen, um dann einen neuen Anlauf zu wagen.
Thomas
Es kommt aber nicht anders …
Günther Glanzl
Hoffentlich kommt es anders…