Poona/Indien, im Januar 1982
In Poona fährt mich ein Fahrer mit seiner Rikscha die drei Kilometer hinaus in die feine Villengegend um den Koregaon Park, wo ich dem berühmten Ashram des so Gescholtenen einen Besuch abstatten möchte.
Shree Rajneesh Ashram. Dessen Mission nehmen die Inder nicht für voll. Sondern sehen sie eher als eine Art Ferienklub-Animation für den reichen westlichen Bürgerstand. Sozio-demographisch sind des Bhagwans Jünger schnell beschrieben: männlich, 30 Jahre alt, Europäer oder US-Amerikaner, wohlhabend.
Am wuchtigen gateless gate, ein netter Name für das mahagonibraune 2-Meter-Edelholztor, werde ich von einer Torwächterin abgefangen und gebe mich als neugieriger Pilger und potentieller Jünger zu erkennen.
Die Kamera bleibt taktvoll versteckt. Das junge Mädchen, ganz in sannyasinorange, schaut gelangweilt drein. Das Ashram ist grün und bunt und sonnig. Alles vom feinsten, hier steckt Geld drin. Meine Betreuerin zeigt mir den Meditationsplatz, von Palmen und exotischem Gewächs eingekreist, und die Bücherei.
Im Buchshop des Ashram hole ich mir ein paar Info-Broschüren mit dem selig lächelnden Bhagwan und ein paar Fotos. Wegen meines Herumschnüffelns werde ich so langsam argwöhnig beäugt. Für Besucher sei das Ashram tabu, man würde sonst die Meditierenden stören.
Meditierende? Dort, wo früher eine Band live spielte und sich Männlein und Weiblein ekstatisch die Kleider vom Leibe rissen, da kommt heute die Meditationsmusik nur noch vom Band. Das Ashram ist halb leer.
An einem schönen Sommertag Mitte 1981 hatte der bärtige Bhagwan angekündigt, Indien mitsamt seiner Entourage verlassen zu wollen und nach Oregon, in den amerikanischen Westen, zu ziehen. Ein leises Aufatmen ging durch die Bewohnerschaft Poonas.
Zwar ist das Ashram mit allem modernen technologischen Schnickschnack ausgestattet, aber, so fragt man, wofür? Irgendwie tut sich nicht mehr viel. Kein Lärm, kein Geheule und auch keine Nackedeis. Götterdämmerung bei Bhagwan. In Poona findet sich nur noch die Nachhut, die indische Nachlassverwaltung sozusagen.
Der Herr und seine Jünger sind nicht gerade beliebt in Poona. Die kritischen Punkte kriegt man schnell zu Ohren: Die Hauspreise steigen, die Güter werden knapp und die Sitten verludern.
Mein Herr, raunzt mir der Direktor des Hotels diskret zu, schreiben Sie in Ihrer Zeitung: Gut, dass sie weg sind. Wir wollen unseren Frieden, was gehen uns die Macken der Weißen aus Europa an. Geschätzt und verehrt scheint der Bhagwan, von ihm ist letztlich die Rede, bei seinen indischen Landsleuten nicht gerade zu sein.
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Und seither tragen Sie zuhause sannyasinorange? Glaube ich nicht.