SchmiereDie Schmiere. Dieser Name genügt als Programm. Laut Eigenwerbung das schlechteste Theater der Welt – angeblich. Solch Eigenlob scheint natürlich leicht übertrieben.

Jedoch mochte Die Schmiere stets wider den Stachel löcken. Die Schmiere wollte immer dagegen halten, sie kultivierte das Aufsässige, betonte ihr intellektuelles Rebellentum. Der Geist der Macher und Spieler zelebrierte das Anti. Das Anti-Establishment. Das Anti-Konservative. Auch wohl auch das Anti-Theater. Und im Grunde genommen auch das Anti-Kabarett.

In der Frankfurter Schmiere wurde des Abends nicht mit dem Florett gefochten, und auch nicht mit dem Degen. Nein, hier flog in jeder Vorstellung ein wuchtiger Holzhammer durch die heiligen Hallen. In dem ehrwürdigen Karmeliterkloster zwischen Paulskirche und Main ging es im Souterrain höchst unheilig zu. Im Keller des alten Klosters, in einem Gewölbe mit schlechter Luft und Möbel vom Sperrmüll, regierte das Off-Theater.

Rudolf Rolfs hatte das Kabarett 1950 gegründet und von ihm kamen auch die Texte. Er konnte wunderbar Szenen auf den Punkt hin schreiben und besaß eine undoktrinär-anarchische Haltung. Darüber hinaus war Rolfs auch ein großer Aphoristiker vor dem Herrn.

Ein Unikum war sein Kompagnon, der rundliche Schauspieler Regnauld Nonsens, der auf die Figur des Spießers abonniert war. Reno Nonsens war damals in Deutschland einem Millionenpublikum bekannt, spielte er doch in der ARD den schusseligen Oberkellner in der volkstümlichen Sendung Zum Blauen Bock.

Nonsens saß meist auch an der Kasse und sprang dann zu Beginn der Vorstellung auf die Bühne, wo er dann den empörten Spießbürger, den entsetzten Papa oder den angebräunten Stammtischbruder gab.

Die Programme in der Schmiere besaßen solch anmutige Titel wie Pfui!, Nackt oder Die Katze tritt die Treppe krumm. Rolfs hatte nach dem Krieg mit einem kleinen Wandertheater angefangen und im Grunde genommen setzte Die Schmiere diese Tradition fort.

Das hatte mit dem etablierten Kabarett der 60er und 70er Jahre, mit den Berliner Stachelschweinen oder der Münchner Lach- und Schießgesellschaft mit deren sozialdemokratisierter Satire wenig zu tun. Die Stachelschweine oder Lach- und Schieß, das waren die parfümierten und gekämmten Pudel. Die Schmiere, da zeigte sich ein dreckiger Strassenköter.

Legendär waren die kurzen Szenen und Sketche vor der Pause. Da wurden aktuelle Ereignisse vom Tage persifliert, Tagesnachrichten auf die Pointe gebracht oder die Schlagzeile der Zeitung durch den Kakao gezogen. Massentauglich war dies alles nicht.

Wir Jungen haben uns schlapp gelacht in der Stadt des Geheimrates Johann Wolfgang von Goethe. Die ganze Chose war so etwas wie ‘68 auf Brettern und – nomen est omen – ein richtiges Schmierentheater.

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