Die knospende Frucht wird immer weiter aushöhlt, bis die bloße Schale übrig bleibt.

Burda Medien löst seine Redaktionen im Bereich TV-Magazine auf und übergibt die Produktion von TV Spielfilm, TV Today und TV Schlau an die Funke Mediengruppe. Eine Redaktionsmannschaft erstellt zukünftig eine Vielzahl von Medienprodukten. Und dies bei Titeln, die zum Teil sechsstellig verkaufen.

Nicht die Marke bestimmt den Produktionsablauf, sondern der Produktionsablauf die Marke. Das ist der Trend. Technik über Inhalt. Nach den Sparrunden folgte bekanntlich das Outsourcing. Zuerst erwischte es die Verlage mit eigener Infrastruktur. In der ersten Stufe des Outsourcing wurde alles ausgelagert, bis auf die Kernbereiche wie Redaktion und Marketing.

Und nun die nächste Stufe der Entkernung. Auch Verwaltung, Marketing und Redaktion fliegen raus. Übrig bleibt lediglich die Schale. Das Label. Die Inhalte werden zukünftig geliefert von externen Büros, spezialisierten Dienstleistern, kanadischen Metzgerzeitschriften. Man klopft an die Medienmarke und es klingt zunehmend tönern.

Die Buchbranche ist in diesem Prozess der Entkernung schon recht weit. Die Magazine folgen nun. Die Tageszeitungen wehren sich noch, werden sich aber nicht entziehen können.

Was bedeutet diese Entkernung für die Mitarbeiter? War der Journalismus früher ein kreativer Beruf, so ist davon nur noch wenig übrig geblieben. Der Journalist von heute arbeitet nur noch als Dienstleister, manche noch angestellt, viele frei. Wir werden in diesen Tagen Zeugen von der Uberisierung des Journalismus.

Auf der Seite der Medien sieht es nicht minder traurig aus. Ein richtiges Marketing für Zeitschriften gibt es nicht mehr. Keine Verkaufs-Events, keine USP-Strategien für Magazine, bloß noch stupides CPO-Engineering, alles komplett austauschbar, von Maschinen. Ob die Klicks Büchern oder Pudelmützen gelten, einerlei. 

Ist ‚digital‘ die Lösung? Eine ganze Branche klammert sich an diesen digitalen Strohhalm. Zunächst muss jedoch auf einen Etikettenschwindel aufmerksam gemacht werden. Was in der Branche vielerorts als ‚digital‘ vermarktet wird, ist in Wirklichkeit kein digitales Produkt. Es wird lediglich ein digitaler Vertriebsweg genutzt für ein Printprodukt, das als pdf oder etwas aufgepäppelt als E-Magazine verschickt wird. 

Richtige digitale Produkte besitzen die wenigsten Medienhäuser. Hier geben auch ganz andere Player Ton und Takt an. Plattformen wie Google, Facebook oder Twitter verfügen über solch einen Vorsprung, der im Leben nicht einzuholen ist.

Allerdings hat das digital vertriebene Produkt – das Buch, die Zeitschrift oder die Zeitung als pdf – einen fatalen Nebeneffekt: Es entwertet das ursprüngliche Printprodukt. Man bekommt das Medienprodukt in einer abstrakten und flüchtigen Form, für das an den meisten Ecken des Internets nichts bezahlt werden muss. Welch ein Unterschied zu dem haptischen und sensuellen Erlebnis des Fühlens und Blätterns in einem Buch oder einer Zeitschrift! 

Waren die Medienhäuser früher Feinkostläden, so wird nun à la 1-Euro-Reste-Rampe verhökert. Ich erhalte eine hochnoble Tageszeitung für lau, nur weil ich Mitglied in irgendeiner Vereinigung bin. Über Readly habe ich für 99 Cent ein Probeabo abgeschlossen, mit dem ich zwei Monate lang Hunderte von Zeitschriften als pdf lesen kann. Die Werthaltigkeit und Einzigartigkeit der Magazine und Bücher geht auf dieser Billigschiene perdu, schnell verliert man die Lust an den digitalen Abos. Die digitalen Kündigungsquoten sind, so sagen Experten, entsprechend unterirdisch. 

Der digitale Vertrieb kann sicher einen interessanten Vertriebsweg darstellen, der im Volumen vielleicht 15 bis 20 Prozent erreichen kann. Er wird allerdings keinen Paradigmenwechsel einläuten, sondern kann bestenfalls als Ergänzung fungieren. In der Buchbranche gehen die Verkäufe von E-Books schon wieder zurück, in vielen Verlagen haben sie ihren Höhepunkt überschritten.

Was bedeutet die Entkernung insgesamt für die Branche? Man wird sich von großvolumigen Träumen verabschieden müssen. Alle Print-Medien – Bücher, Magazine, Zeitungen – werden gegen die ausgeklügelten Preis- und Vermarktungsstrategien der Plattformen nicht anstinken können. Die traditionellen Medien werden allenfalls in einer Nische überleben können, mit fester Zielgruppen und bei hohem Produktnutzen. Dazu sollte man sinnvoller Weise in Bereiche von Non-Print diversifizieren und seinen USP mit Veranstaltungen, Seminaren, Audio und Video fortschreiben. 

So oder so, die goldenen Jahre gehören der Vergangenheit an. Das Nischendasein bedeutet auch, dass die großen Apparate weichen und abgelöst werden von freien Arbeitsverhältnissen, von Selbstausbeutung und prekären Arbeitsumständen. Es wird für die einst stolze Branche ein schmerzhafter Prozess. 

Loading