Eine Leiche wird gefunden. Eine vierzig Jahre alte Leiche. Umgebracht irgendwann um 1958 bis 1960. Auf Finca Vigía, dem Anwesen Ernest Hemingways auf Kuba. War etwa Hemingway selbst der Mörder?
Das ist der Plot von Adiós Hemingway, zu deutsch erschienen im Schweizer Unionsverlag. Ein Krimi aus der Feder des kubanischen Erzählers Leonardo Padura.
Na, ein üblicher Kriminalroman zunächst, denn die Aufklärung der Causa zeigt sich frei von Überraschungen, aber nicht unspannend. Mehr als ein Kriminalfall jedenfalls beschreibt Adiós Hemingway das Psychogramm des alternden Schriftstellers. Und so schildert Padura einen Hemingway, den die Krätze juckt, die Blase plagt und dem das Hirn entffleucht.
Padura fängt diese Atmosphäre des persönlichen Niedergangs des Siegertypen eindrucksvoll ein. Fast im Duktus des Meisters himself. Sinngemäß: Früher, da hatte er einen Sack voller Ideen und Stories. Früher. Aber heute, da musste er feststellen: Dieser Sack war leer.
Stattdessen gibt es einen Sack mit Verboten und Gebrechen. Keinen Alkohol mehr, keine weiten Reisen, keinen Zucker. Kein Zweifel, er spürte es, er, der große Hemingway, kam an sein Ende.
Es fällt auf, wie exakt Padura für den Roman recherchiert hat. Er hat sich mit Hemingways Texten befasst, seinen Entourage auf Kuba interviewt, die Schauplätze besucht. Hemingways Kapitän, Gregorio Fuentes, der im Buch Ruperto heißt, hat Padura die gleichen Geschichten erzählt, die er auch mir 1983 aufgetischt hat. Und auf der hübschen Finca Vigía wird nach wie vor geschlampert, äh, renoviert, wie bei meinem Besuch damals.
Aber all das dient nur als Kulisse für Paduras Entzauberung des Schreiber-Gottes. Und Padura geht hart ins Gericht mit der Person Hemingway. Er habe Freunde verraten, sei der Zuneigung unfähig und sei selbst nach 2o Jahren auf Kuba nie wirklich angekommen.
Aber bei aller Hassliebe macht sich dieser Leonardo Padura um Hemingway letzten Endes verdient. Denn nach seiner Entzauberung erblicken wir einen anderen Ernest Hemingway. Hemingway, mag sein, ein Scheißkerl, aber auch Ernest Hemingway, der Mensch.
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