Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Friedrich August von Hayek geht es gar nicht gut

Er war der wohl wichtigste Denker des Liberalismus im 20. Jahrhundert: Friedrich August von Hayek. Noch heute wirkt die Weltsicht des gebürtigen Wieners vom Jahrgang 1899 nach. Er ist der scharfsinnigste Nationalökonom von allen. Der geistreichste Volkswirt der Moderne. Der Vordenker. Der Mahner. Nobelpreis natürlich. Lehrer der Lehrer. Gottvater.

Als 1944 The Road to Serfdom, auf Deutsch Der Weg zur Knechtschaft, erschien, da wirkte sein Buch wie eine Mahnung in düsterer Zeit. Jede Art von kollektiver Philosophie – einerlei ob national, kommunistisch oder planwirtschaftlich – würde zwangsläufig in Barbarei und Totalitarismus enden. Die Entwicklung in Italien, Deutschland oder in der Sowjetunion gaben von Hayek Recht. Als Gegenentwurf zum Kollektivismus sah der kleine, drahtige Professor die Rechte des  Individuums und die Rechtsstaatlichkeit.

Der Österreicher von Hayek gefiel sich als elitärer Liberaler, als ein schroffer Marktradikaler, als Dogmatiker reinsten Wassers. Dem Begriff Soziale Marktwirtschaft beispielsweise stand er zeitlebens kritisch gegenüber. Sozial, das sei doch so ein Wieselwort, meinte er, ein Begriff, der alles und nichts aussage. Was sozial eigentlich heißt, weiß niemand. Wahr ist nur, daß eine soziale Marktwirtschaft keine Marktwirtschaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit – und ich fürchte auch, soziale Demokratie keine Demokratie ist.

Soziale Gleichheit empfand von Hayek als Hirngespinst der Industriegesellschaft. Gleichheit sei eigentlich gar nicht möglich, denn sie ginge mit dem Berauben der Reichen einher und würde letzten Endes dann auch die Armen schädigen. Und, wichtig für ihn: Gleichheit ginge immer auf Kosten der Freiheit.

Leider bin ich von Hayek nie persönlich begegnet, aber ich bekam Kontakt zu ihm über ein, zwei Ecken. Es wird wohl 1987 oder 1988 gewesen sein. Als Professor war er von der Freiburger Universität emeritiert und wohnte mit seiner Frau im Breisgau. In Freiburg kannte ich den Literaturagenten Friedrich Wilhelm König, der mir die deutsche Lizenz eines Buches von C N. Parkinson vermittelt hatte. Ich bat König, einen älteren Herrn mit gediegenem Auftreten, doch einmal bei Friedrich August von Hayek vorbei zu schauen und nach einem Buchprojekt anzufragen.

Nach seiner Visite schilderte ein entsetzter König mir am Telefon Schreckliches. Das Ehepaar von Hayek lebe in einer ältlichen Wohnung in ziemlich bescheidenen Verhältnissen, das Führen des Haushaltes bereite den gebrechlichen Leuten Probleme, die Frau scheuche ihn ziemlich herum.

Es habe ihm, so König, weh getan, solch einen Geistestitan in einem derart jämmerlichen Zustand zu erleben. Wahrscheinlich könne von Hayek Hilfe gut brauchen. Ich informierte daraufhin Leute, die den Ideen von Hayeks nahe standen, und man ließ diskret Unterstützung zukommen.

1992 ist von Hayek dann in Freiburg gestorben. Begraben hat man ihn in Wien. Wie auch Karl Popper. Dem Bruder im Geiste. Wiener Schule.

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  1. apple

    Das Schlimme ist, dass jedes Leben, so wertvoll es für den einzelnen Menschen selbst und auch für andere Menschen sein mag, unweigerlich mit dem Tod endet. Sorry, so isset.
    Bedauernswert ist aber, dass manche Lebensläufe einen, objektiv betrachtet, so tragischen Verlauf nehmen. Wir sagen dann: „Das hat er/sie nicht verdient.“ So auch bei Hayek.
    Nein, es gibt heute keine ökonomischen Denker dieser Qualität mehr. Leider, denn wir könnten sie dringend brauchen, damit sie einen Weg aufzeigen, wie in die Finanzwelt und in die Volkswirtschaften wieder Vernunft einkehren kann.
    Danke für diesen Beitrag!

  2. Mark Stovenbeck

    Leider gibt es solche Denker nicht mehr. Nur noch Pragmatiker. Die Welt ist aermer geworden.

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