Wir schreiben das Jahr 1957. Das ist nun schon 54 Jahre her. In jenem Jahr wurde Peter Druckers Buch Die nächsten zwanzig Jahre in Deutschland bei ECON verlegt. Mein ältester Drucker im Bücherschrank.
Ein Blick auf die Wirtschaftsentwicklung der westlichen Welt, lautet der Untertitel. Das liest sich mit Spannung. Der Scheinwerfer wird auf die 60er und 70er Jahre gerichtet.
Peter F. Drucker, der Wiener und Exil-Amerikaner, der wohl beste Vordenker in Wirtschaft und Management. Einer meiner Lieblingsautoren. Ist er noch zeitgemäß?
Das Cover, in den 50er Jahren sprach man noch von Einband, stilistisch gestaltet von Werner Rebhuhn, nun ja, auf der Höhe der Zeit. Heute wieder modern als Retro-Look..
Treten wir doch die Zeitreise an zurück in die 50er Jahre. Nachkriegsjahre, Kalter Krieg zwischen West und Ost, Armut, das Wirtschaftswunder beginnt sich in Deutschland abzuzeichnen. Es gibt noch keine breite Mittelschicht, das Wort und das Ding Computer ist noch nicht erfunden, und selbst ein Fernsehgerät bleibt für viele ein Wunderkasten.
In der Bundesrepublik Deutschland heißt der Bundeskanzler Konrad Adenauer und der Name des amerikanischen Präsidenten lautet Dwight D. Eisenhower.
Und dann die nächsten zwanzig Jahre. Eine gute Gelegenheit, Peter Drucker nach über einem Jahrhundert retrospektiv einer Beurteilung zu unterziehen. Seine Visionskraft, seine Weitsicht und die Schärfe seiner Analyse kommen auf den Prüfstand. Möglicherweise auch seine Fehlsicht.
Druckers Die nächsten zwanzig Jahre in Kurzfassung: Automation und ihre Auswirkung bilden das große Thema dieses Buches. Von den USA, später von Japan, beginnt der Siegeszug der Massenproduktion, verbunden mit einem stetigen Aufschwung. Die Inflation wird zum Thema. Durch Überhitzung der Wirtschaft und zunehmenden Kapitalbedarf steigen die Preise der Güter wieder. Diese Entwicklung hat Drucker schon damals genau vorhergesehen und vorhergesagt.
Der Altersaufbau in den USA verändert sich. Die Gesellschaft altert. Die Altersvorsorge wird zum politischen Thema. Drucker befasst sich mit den Pensionskassen in den Staaten. Er sieht sie als Investmentbanken des kleinen Mannes und zugleich als Kapitalmotor der amerikanischen Wirtschaft.
Peter Drucker beschreibt die Schwächen im amerikanischen Gesundheitswesen, ein Thema, das ihn bis zu seinem Ableben im Jahr 2005 nicht mehr loslassen wird. Ein bezahlbarer Gesundheitsdienst für jeden lautet seine Forderung. Bei Barack Obama klingt das heute nicht viel anders.
Auch ein ökologisches Thema bewegt Drucker. Die Wasserknappheit. Wasser werde zu einer limitierten Ressource. Kalifornien und die Südstaaten der USA können noch heute dieses Klagelied anstimmen.
Es macht einen Staunen, wie zeitgemäß und aktuell noch heute – nach über einem halben Jahrhundert – viele von Peter Druckers Themen sind und bleiben. Sicher, die Perspektive verändert sich, die Begriffe modernisieren sich, der technologische Fortschritt lässt manches veraltet erscheinen, die Wertigkeit mag sich hier oder da etwas verschieben.
Trotzdem, man kann Peter F. Drucker auch nach 54 Jahren noch lesen – mit Gewinn und intellektuellem Genuß. Mein alter Drucker kommt eigentlich als ziemlich junger Kerl daher!
apple
Ja, Peter Drucker hatte Recht. Er konnte nur drei wichtige Punkte nicht vorhersehen:
Dass Nixon den Goldstandard völllig über Bord werfen und damit inflationären Entwicklungen Vorschub leisten würde, ebenfalls der falschen, von Gottfried Heller beklagten Fiskalpolitik, die mit dem nächsten Punkt in engem Zusammenhang steht.
Dass die Globalisierung nicht zum Segen der Weltgemeinschaft beitragen, sondern die Welt weiter spalten würde als sie jemals gespaltet war. Attac und andere Globalisierungsgegner sind leider nicht in der Lage, die Entwicklung rückwärts laufen zu lassen.
Er konnte auch keinen deutschen Kanzler vorhersehen, der sich als der große Architekt der Vereinigten Staaten von Europa wähnte und die Gemeinschaftswährung als Instrument dafür verwendete. Wenn man sich aber als Architekt nicht umsichtig und mit Sachkenntnis an die Pläne macht, eventuelle fiskalpolitische Tsunamis nicht in die Planung einbezieht und im Wesentlichen nur am eigenen „Denkmal“ interessiert ist, dann hat man eben zu wenig nachgedacht.
Und so kam es eben so, wie wir es heute erleben – was aber die Weitsicht Peter Druckers um keine halbe Dioptrie reduziert. Doch ist es müßig begangenen Fehlern hinterherzuweinen, sondern man benötigte genau solche visionäre und sachkundige Menschen wie Peter Drucker an den „Schaltstellen“, um zu retten, was zu retten ist. Ob die „Schwäbische Hausfrau“ Merkel das Zeug dazu hat, wage ich stark zu bezweifeln.