Nur 10 Minuten von unserem Hotel entfernt liegt der Tian’anmen-Platz. Wenn man auf dem Platz des Himmlischen Friedens promeniert, dann vermag man einiges über China erspüren.
Dieses Land ist so groß und so riesig wie auch dieser Platz, der wohl größte der Welt in einer Metropole. Erst mit mehr als einer Million Menschen ist dieser Platz voll gefüllt. Und über dem gewaltigen Platz ruht der gütige Blick des großen Vorsitzenden Mao Zedongs. Wir befinden uns im Herzen Chinas.
Dennoch scheint mir dies jedoch kein Ort für’s Wohlgefühl. Irgendwie erdrückt dieser Platz durch sein Ausmaß und seine Imposanz. Diese riesige Fläche, im Norden das Tor des Himmlischen Friedens, dann die Grosse Halle des Volkes und in der Mitte das langgestreckte rötliche Mausoleum mit dem mumifizierten Vorsitzenden Mao. Stalinistische Architektur und kommunistischer Devotionalienkult, ein Ort, merkwürdig, widersprüchlich und wohl auch einschüchternd.
Der Besucher, der Augen und Ohren aufsperrt, merkt schnell, hier befindet er sich an einem heiklen Ort. Viel Militär, einige Milizionäre, Polizei, unter all den tausenden Touristen, die täglich ihren Weg hierhin finden. Denn der Platz steht nicht nur für die Größe Chinas, sondern auch für seine Zerrissenheit.
In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 sind auf diesem Platz hunderte Studenten massakriert worden. Sie haben friedfertig protestiert. Für mehr Freiheit, für Demokratie, gegen das kommunistische Alleinvertretungsdogma.
Der Generalsekretär der sowjetischen kommunistischen Partei, Michail Gorbatschow, hatte gerade seinen Besuch in China beendet und mit seiner Person und seinem Besuch waren so viele Hoffnungen verknüpft worden. Das Land möge sich der Freiheit öffnen, möge eine unzensierte Presse zulassen, möge den offenen Diskurs zulassen.
Die Studenten träumten von neuer Freiheit. Doch die kommunistische Führung ließ die Panzer rollen. In dieser Juni-Nacht vor 23 Jahren war der Tian’anmen-Platz in Blut getaucht. Das Militär schoß ohne Rücksicht und Skrupel. Das Rote Kreuz schätzte 2.600 Tote. Keiner kennt die genaue Zahl. Das zarte Pflänzchen der Freiheit verblich auf diesem Platz und in dieser Nacht. Bis heute.
Es ist für den Besucher auffallend, dass der wirtschaftliche Fortschritt nicht einher geht mit mehr Freiheit. Der Besucher merkt es nicht am Großen, sondern am Kleinen, an den selbstverständlichen Annehmlichkeiten, die er aus seinem westlichen Alltag kennt. Facebook, Twitter oder Youtube sind hier verboten, nicht aber Burger King oder Starbucks.
Man erlaubt den Menschen die Freiheit des Konsums, was schön ist, aber nicht die Freiheit des Geistes. Die sozialen Medien und der freie Zugang zum Internet könnten dem Regime gefährlich werden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Pudel
Das Volk will Demokratie. Eine spannende Frage bleibt, wie lange die Führung Chinas diese ihrem Land vorenthalten kann. Trotz aller wirtschaftlichen Erfolge.