Der türkische Name für das Goldene Horn heißt Haliç, was schlicht Mündung bedeutet. Das Goldene Horn führt seinen Namen zurück auf den goldenen Glanz in der Abendsonne. Doch ist das Goldene Horn in Istanbul weit mehr als ein sieben Kilometer langer Meeresarm am Bosporus, der wie ein Horn in gebogener dem Bosporus zufließt. Das Gewässer vor Istanbul symbolisiert den Reichtum und die Pracht des byzantinischen und osmanischen Konstantinopels.
Am Goldenen Horn schlägt das Herz dieser Metropole, denn bei den einfachen Handwerkern, den emsigen Händlern und in den kleinen Restaurants am Flussufer lässt sich der Pulsschlag dieser Stadt messen. Ob es der Nation gelingt, obenauf zu sein oder vom Mahlstrom der Politik ins Desaster gezogen zu werden, man kann es an der Betriebsamkeit zu beiden Seiten des Goldenen Horns besser ablesen als in den Aktienspalten der Wirtschaftszeitungen.
In Istanbul setzt das Pera Palace Standards an Komfort und Eleganz. Als erstes Hotel überhaupt erhält es 1895 einen Fahrstuhl, mit dem Schindler-Aufzug aus der Schweiz kann man noch heute die sechs Stockwerke befahren. Es ist dies der allererste Elevator in der Türkei gewesen und der zweite in Europa überhaupt, nach dem Eiffelturm in Paris. Auch gehört das Haus zu jenen drei, die als Vorreiter über eine Elektrifizierung in der Stadt verfügten.
Das Hotel Pera Palas, international Pera Palace apostrophiert, wird Ende des 19. Jahrhunderts für die Kunden des Orient-Express gebaut. Die Gäste, die aus Paris im Luxuszug anreisen, verlangen auch am Reiseziel nach einer entsprechenden Unterkunft. Der türkisch-französische Architekt Alexandre Vallaury hat den Hotelkomplex konzipiert, 1895 wird das Haus eröffnet. Das Luxushotel mit Blick auf den Bosporus beherbergt forthin Könige, Politiker, Hollywood-Stars und berühmte Autoren.
Innen überwältigt den Gast ein Mix aus Modernisme und orientalischem Prunk wie im Sultans-Palast. Gußeiserne Treppengeländer, glitzernde Kronleuchter, Lichtkuppeln im Jugendstil, elegante Polstermöbel und orientalische Teppiche, der Geist Konstantinopels hat sich in den Räumen des Pera Palace eingesogen und will glücklicherweise nicht weichen.
Konstantinopel, die Metropole zwischen Europa und Asien, schwankte schon immer zwischen Modernität und Dekadenz, und weiß an manchen Tagen nicht so recht wohin. Der alte Geist von Konstantinopel weht auch durch die Orient Bar in Parterre des Pera Palace, eine Bar, dessen geistiges Augen viel von Zerfall und Aufbruch der Nation gesehen hat. Kemal Atatürk, der von allen verehrte Vater der modernen Türkei, hat ein Stockwerk höher, im Zimmer 101, gewohnt, wenn er sich in Konstantinopel aufgehalten hat.
Der Stadtteil Pera, heute Beyoğlu genannt, wird nach dem Ersten Weltkrieg zum Schmelztiegel der Glücksritter aus allen Himmelsrichtungen. Rumänen, Armenier, Libanesen, auch britische, französische und amerikanische Soldaten, die nach der Besetzung im Jahr 1918 durch die Strassen patrouillieren. Erst mit Kemal Atatürk kommt die Befreiung von der Besatzung und Mitte der 1920er Jahre dann die Begründung der modernen Republik.
Wie ein Magnet zieht Konstantinopel in jenen Jahren die Menschen an. Russen, die vor der Oktoberrevolution geflohen sind, hoffen hier auf eine neue Chance. Streuner, Heimatlose, Kriegsgewinnler, Flüchtlinge, Spione und Lebemänner – alle kommen mit entsprechenden Träumen und Hoffnungen in diese Stadt. Mit den Neubürgern erreichen auch der Jazz und der Tango diese Stadt, die neue Zeit und das westliche Vergnügen halten Einzug nach Konstantinopel. Das Nachtleben stellte jenes von Paris und Berlin locker in den Schatten.
Europas Haute volée reist im Orient-Express an. Der Zielbahnhof ist Istanbul Sirkeci, türkisch Sirkeci Garı, ein Bahnhof in Sirkeci, einem Stadtviertel im europäischen Teil Konstantinopels. Noch heute findet sich Ecken mit Jugendstil-Charme in diesem Bahnhof Istanbuls. Wartesäle mit Fenstern im Modernisme ornamentiert, Restaurants in Art déco, alles ein wenig in die Jahre geraten, aber man bekommt eine Ahnung, wie es vor hundert Jahren hier ausgesehen haben mag.
Die Stadt auf den sieben Hügeln ist wunderschön und voller Leben. Ankara sei wie eine Ehefrau, sagen die Einheimischen, Istanbul wie eine Geliebte. Kleine Läden, vor den Geschäften sitzen die Männer, rauchen und reden, an den kleinen Tischen vor den Cafés wird lautstark diskutiert. Eine Metropole zwischen Tradition und Moderne, der es im täglichen Daseinskampf oftmals gelingt, das beste aus beiden Welten erlebbar zu machen.