Packende Lektüre am Wochenende: Selling Hitler von Robert Harris. In diesem Buch zeichnet der englische Thriller-Autor überaus spannend die Historie der Hitler-Tagebücher nach.
Robert Harris, dessen politischen Thriller Ghost ich genossen habe, kann schreiben wie kein zweiter: kluger Aufbau, verschiedene Spannungsebenen, richtiges Timing, Präzision im jedem einzelnen Satz. Die schreiberische Qualität ist hoch, das ganze Werk ist genau recherchiert, man wird vom Thema gefesselt.
Die Nerven des Lesers werden routiniert gekitzelt, so dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Aber die Geschichte um den Reporter Gerd Heidemann und den Fälscher Konrad Kujau macht es Robert Harris auch nicht gerade schwer.
Auf über 380 Seiten schreibt Harris wie ein solcher Skandal entstehen konnte und wie der Kauf der vermeintlichen Tagebücher schließlich so aus dem Ruder laufen konnte. Wie es denn sein konnte, dass ein gewitzter Reporter wie Gerd Heidemann sich so in diese dubiose Sache hineinziehen ließ, wieso die Journalisten und Manager bei Gruner + Jahr, dem Verlagshaus des stern, auf solch eine Räuberpistole haben hereinfallen können.
Aber nicht nur sie. Als man drei Dutzend der Tagebücher in Besitz hatte, beauftragte man, unabhängig voneinander, drei renommierte Schriftenspezialisten, Hitlers Schrift mit jener der Tagebücher zu vergleichen. Alle drei Fachmänner kamen zum gleichen Urteil: die Tagebücher sind echt.
Auch hochragende Historiker wurden hinter’s Licht geführt, das Top-Management von Gruner machte Millionen locker, das Geschichts-Ressort des stern nickte unkritisch und die Chefredaktion des stern schwadronierte, die deutsche Geschichte müsste in Teilen umgeschrieben werden.
Alle fielen auf die gefälschten Kladden und das ganze Geflunker drumherum herein, keiner merkte das Spiel. Wie konnte es soweit kommen? Robert Harris hat dafür auch eine Erklärung in zwei kurzen Begriffen parat: Eitelkeit und Gier.
Und wenn man aus Schadenfreude sich während des Lesens ein Schmunzeln nicht verkneifen kann, dann wegen des Meisterfälschers Konrad Kujau. Wie dieser Mann, ein ehemaliger Kellner und Fensterputzer, eine Millionenillustrierte, gar einen Medienkonzern, ausgewiesene Experten und die akademische Welt monatelang an der Nase herumgeführt hat, das muss erst mal einer nachmachen.
Dieser Konrad Kujau – der, so Harris, auch hätte sagen können, ich habe Hitlers Unterhose gefunden, und man hätte sie ihm abgekauft – ist der eigentliche Star des Buches: Ein ziemlicher Windbeutel sicherlich, ein Hallodri und Schelm, vor allem aber ein hoch talentierter Fälscher.
Für eines der schließlich über 60 Tagebücher mit jeweils 100 Seiten brauchte Kujau gerade mal einen halben Tag. Er schlüpfte fehlerfrei in die Handschrift des anderen, und nach viereinhalb Stunden, so schreibt Harris, schlüpfte er wieder aus ihr heraus.
Die Passagen über Konrad Kujau zeichnet Robert Harris nicht ohne Sympathie. Ein Schlawiner, dieser Kujau, einer, der nichts anbrennen lässt. Aber auch jemand, der dem Hochmut, der Habsucht und dem Rausch des Kleinbürgers einen Narren-Spiegel vorhält. Am Ende jedenfalls hat Kujau die Lacher auf seiner Seite, und auf der anderen Seite findet sich der Spott. Spott und Hohn über jene Klugen, die er lange Zeit ziemlich dumm aussehen lässt.
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