Enda Kenny in Berlin, 8. November 2012; Photo by W. Stock

Am Donnerstagabend höre ich in Berlin den erfrischenden Vortrag des irischen Ministerpräsidenten Enda Kenny, der vom VDZ als Europäer des Jahres geehrt wird. Der 61-Jährige, ein Mann der christlich-konservativen Fine Gael-Partei, lenkt seit März 2011 überaus klug die Geschicke seines Landes.

Irland, das im Jahr 2009 heftig von der Finanzkrise befallen war, ist zugleich jenes Land, das 2010 als erstes unter den europäischen Rettungsschirm geschlüpft war. Dublin musste sich 64 Milliarden Euro in Brüssel leihen.

Dennoch hat Irland in kurzes Zeit etwas geschafft, wovon die Südländer Europas nur zu träumen können. Eurokrise ade. Kenny hat sein Land wieder auf Erfolgskurs gerichtet.

Die irische Politik hat auf die europäische Schuldenkrise mit einem konsequenten Anpassungsprogramm, mit Radikalsparen und Strukturreformen reagiert. Das Rentenalter wurde auf 68 Jahre angehoben, der Beamtenapparat verkleinert, die Gehälter um 14 Prozent gesenkt. Doch, oh Wunder, die Einsicht in der Bevölkerung begleitete die harte Restrukturierung.

Zwischen Dublin und Limerick gab es keine Streiks, keine Protestmärsche und keine brennenden Autos. Im Gegenteil, in einem Referendum befürworteten 60 Prozent der Bürger den europäischen Fiskalpakt und das Sparpaket. Die Heilwirkung der harten Rezeptur wird in diesen Tagen langsam sichtbar. Irland befindet sich wieder auf Wachstumskurs, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Exporte steigen, die Wettbewerbsfähigkeit erstarkt.

Enda Kenny legt eindrucksvoll dar, dass Europa endlich seine wirtschaftlichen Schwächen überwinden muss, um die eigentliche europäische Idee wieder lebendig werden zu lassen. Ein Europa, das aus der Asche des Krieges erstand, nicht um Schatten zu spenden, sondern Schutz zu bieten vor den politischen Tragödien.

Der keltische Tiger zeigt wieder seine Zähne, eingängig schildert der Ministerpräsident den wirtschaftlichen Umbau seines Landes. Wie diese Auswanderernation in den letzten Jahrzehnten den Sprung geschafft hat, von einem Agrarland, das eigentlich nur Milch und Butter nach England lieferte, hin zu einem prosperierenden Wirtschaftsstandort, der bei Kommunikationstechnologie und hochwertigen Dienstleistungen heute Weltstandard bietet.

Wenn Südeuropa etwas lernen will, dann möge man in Athen, Madrid und auch in Paris sich das irische Erfolgsmodell einmal genauer anschauen. Jammern und Tatenlosigkeit hingegen verlängern nur das Leid.

Zum Abschluß seines Vortrages zitiert Enda Kenny aus einem Gedicht Heinrich Bölls, der ja in jungen Jahren in Irland gelebt hat und dort sein Irisches Tagebuch schrieb. Ich erschrak ein wenig, weil erst ein Ire nach Berlin kommen muss, um hier an den großen deutschen Literaten zu erinnern, der hierzulande ja fast vergessen scheint. Ein Ire zitiert gälische Verse eines Rheinländers. Aber, auch das ist die Idee, für die Europa steht.

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