Dies ist ein Auszug aus dem Buch von Wolfgang Stock Schneefall in den Tropen:
Havanna, Kuba, April 1983
Die Stewardess in ihrem hellblauen Einheitskittel versucht ein Lächeln und drückt jedem Passagier ein Exemplar der kommunistischen Tageszeitung Granma in die Hand. Ich fliege Iljuschin. Vielleicht 20 Jahre alt, eher mehr. Cubana de Aviación. Zur Versüßung der etwas trockenen Lektüre reicht sie rasch ein Bonbon – Orange in Zuckerguss. Die Iljuschin der Cubana ist lediglich zu einem Fünftel besetzt, wir nehmen Kurs auf Kuba.
Zwei Stunden nach dem Start in Mexico City rollt die schwerfällige Maschine auf einem kargen Rollfeld aus. Als die Flugzeugtür aufgeht, erdrückt den Besucher diese dralle und schwüle Luft der Karibik, so als habe man unversehens einen Schlag mit dem Holzhammer erhalten. Über der bescheidenen Empfangshalle prangt in großen Lettern der Name des Nationalhelden der Insel: José Martí. Vor den Blechhangars machen sich Techniker im Blaumann irgendwie an ziemlich baufälligen Fliegern zu schaffen und auf einer stillgelegten Nebenpiste dörrt ein schlapp gewordener Interflug-Jet in sengender Sonne.
Wir betreten Kuba. Castros Insel. Der erste – und auch einzige – kommunistische Staat in der westlichen Hemisphäre. Nur 90 provokant kurze Meilen vor Floridas Küste. Über dieser Insel liegt ein Hauch des Frevels und jener Makel, der auch einem aus guter Familie abgefallenem Sohn anhaftet.
Zehn Tage hatte ich in Mexiko auf mein Visum warten müssen. Die Einreise selbst läuft jedoch unbürokratisch und locker ab. Bei Passkontrolle und Personenüberprüfung kein bärtiger Milizionär, keine Kalashnikov im Anschlag und kein feuriges Viva la revolución, sondern eine ernste und zügige Abfertigung wie auf hundert anderen Flughäfen dieser Welt auch. Auf einen Blick in den prallen Koffer wird verzichtet.
Am Schalter der Nationalbank wechsele ich zunächst ein paar Dollarscheine in kubanische Pesos. Anschließend kippe ich an der Theke der Flughafen-Bar zur Einstimmung einen Cuba Libre und schaue mir das kubanische Geld genauer an. Wo gibt es sonst schon ein Land, das auf seinen Münzen ein unerbittliches Vaterland oder Tod schmettert. Ein Bus von Cubatur – ein Baukastenmodell spanischer Provenienz – bringt uns ins Zentrum von Havanna.
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