Ganz der Papa: Frank Sinatra jun.; London, den 3. Mai 2014; Selfie by W. Stock  

Welch ein Abend! Frank Sinatra steht auf der Bühne. Wir schreiben den 3. Mai 2014. Ronnie Scott’s Jazz Club in Londons Frith Street. Die alten Hits summen wieder im Ohr.

Can’t take you nowhere, so fängt er mit einem Song von Dave Frishberg etwas ungewöhnlich an. Auch Fly me to the moon, mein Liebling. Die Uhr zeigt schon Mitternacht in Soho, weil ich das Second House abbekommen habe, und Frank singt A foggy day in London town und ganz zum Ende New York, New York als Zugabe.

Frank Sinatra steht da auf der Bühne des kleinen Jazzklubs, ein wenig füllig ist er geworden, und ihm gelingt eine ansprechende Mischung aus altem Repertoire und neuen Akzenten. Frank Sinatra wird von einem voll klingendem Oktett wunderbar begleitet. Mike Smith (Alto Saxophon), Tom Garling (Posaune), Jeff Morrison (Piano), Paul Rostock (Bass), Bob Chmel (Schlagzeug), Walt Johnson (Trompete), Tyrone Anthony (Alto Saxophon) und Jim Fox an der Gitarre.

Damit wir uns nicht vertun. Der Frank Sinatra ist wirklich der Frank Sinatra, allerdings nicht The Voice. Denn Frank Sinatra ist bekanntlich am 14. Mai 1998 gestorben. Auf der Bühne steht der Sohn. Frank Sinatra jun. ist der 1944 geborene Sohn von Sinatra sen. Immerhin: Sinatra sings Sinatra.

Nun kommt man als Sohn eines Jahrhundertsängers nicht gerade einfach durchs Musikantenleben. Wie will man gegen das helle Licht des Vaters anleuchten, lohnt es sich da überhaupt die Batterie anzuwerfen? Sinatra junior geht das Wagnis ein. Er wird Orchesterleiter, in zahlreichen Tourneen hat er seinen Vater als Bandleader unterstützt, er komponiert. Und er singt.

Eigentlich müsste er sich das alles wohl nicht mehr antun. Mit 70 ist die Rente durch und die Tantiemen des Alten lassen einen nicht in der Suppenküche landen. Doch hier steht ein Mann im Rampenlicht, man merkt es schnell, dem die Musik wirklich am Herzen liegt.

Des Juniors Stimme ist bei weitem nicht so füllig wie die des Vaters. Er besitzt auch nicht dieses Timing, für mich das größte Juwel des Seniors, mit dem er besonders den schnellen Swing-Nummern einen unnachahmlichen Stempel aufdrückte. In den Balladen zeigt sich Sinatra jun. als Crooner nicht so einfühlsam wie der Papa, aber immerhin, das ganze Spektakel kommt grundsolide und unterhaltsam daher.

Auf der Bühne ist der Junior dem Vater sehr ähnlich, nicht nur optisch. Seine selbstironischen Kommentare und diese humorvolle Moderation, das hat er sich vom Senior abgeschaut. I hope these songs are your favourites, and that even after hearing me sing them they remain your favourites, scherzt er beispielsweise über seine Musikauswahl. Großartig auch Sinatras musikalische Huldigung an Dean Martin, ein Mix aus Parodie und Ehrbezeugung.

Dem Vater kann Sinatra junior musikalisch allerdings nicht das Wasser reichen. Doch wer vermag das schon? Das kann ja auch nicht ein Michael Bublé oder dieser Jamie Cullum. Bei Frank Sinatra junior reichen Phrasierung und Timing nicht an die des Alten heran. Auch die Stimmfarbe, und da kommt der liebe Gott ins Spiel, wurde ihm nicht so gegeben wie dem Vater.

Aber es langt für einen unterhaltsamen Abend und für die Gewissheit, dass hier jemand ein wenig von dem Talent des Vaters erben durfte. Ein ganz klein wenig von Frank Sinatra. Und das allerdings ist dann wiederum eine ganze Menge.

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