SOS Europa - Wege aus der Krise; Finanzbuchverlag, Juli 2016

SOS Europa – Wege aus der Krise; Finanzbuchverlag, Juli 2016

Es tut weh, dieses Buch „SOS Europa“ zu lesen. Nicht weil es schlecht geschrieben wäre, ganz im Gegenteil. Es ist das Thema, das so schmerzt: Die Vision eines friedfertigen und wohlstandsstarken Europa geht perdu. Denn die Umsetzung dieser Vision liegt in Trümmern. Gottfried Heller, Ulrich Horstmann und Stephan Werhahn legen in ihrem Sammelband alle Baustellen der EU offen und die bekannten Autoren benennen die Baustellen Europas in solch klarem Hochdeutsch, dass einem um die Zukunft des alten Kontinents angst und bange wird.

In der Agenda von Lissabon hat die EU sich im Jahr 2000 in die Hand versprochen, zur „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Region“ der Welt aufzusteigen. Was muss man 15 Jahre später feststellen? Das genaue Gegenteil ist passiert, Europa wurde wirtschaftlich abgehängt. Während die Wirtschaftskraft Chinas von 2000 bis 2010 um 171 Prozent wuchs, die Weltwirtschaft um 47 Prozent, so vermochte die EU in dieser Dekade lediglich um 17 Prozent und die Eurozone gar nur um mickrige 12 Prozent zu wachsen. Europa ist kraftlos, uneins und ohne Reformeifer.

Das macht besonders deutlich der Aufsatz von Gottfried Heller, das Highlight dieses Buches. Die fehlende Wirtschaftsdynamik ist nicht die einzige Sackgasse, in die sich Europa verfahren hat. Die zentralistische Bürokratie, hohe Jugendarbeitslosigkeit im Süden, eine unkontrollierte Migration, die unverantwortliche Überschuldung öffentlicher Haushalte, die Nullzins-Politik der europäischen Zentralbank, das Aufkommen populistischer Bewegungen und der fehlende Mut zu wirklichen Reformen lähmen Europa. Deutschland spielt in diesem Drama eine traurige Rolle. Trotz einer robuster Wirtschaft fehlt es der Regierung Merkel/Gabriel an Kraft und Wille, zukunftsfähige Lösungen anzugehen. Statt dessen Attentismus, klientelistische Wahlgeschenke, Reaktion statt Aktion.

Der Brexit wird alles nur noch schlimmer machen. Zwei Aspekte werden nach dem Austritt Großbritannien aus der EU nicht deutlich genug gesehen. Zum einen fällt ein großer Zahler der EU, der zweitgrößte überhaupt, komplett aus. Zum anderen verlieren die marktwirtschaftlich gesinnten Staaten wie Deutschland den letzten großen Mitkämpfer. Nachdem die Nation von Adam Smith der EU „Good bye“ gesagt hat, werden nun erst recht die zentralistischen Etatisten, die Deficit Spender und Durchwurschtler wie Frankreich und Italien die Oberhand gewinnen.

Großbritannien, auch das wird falsch gesehen, wird nach dem Austritt mittelfristig an Dynamik gewinnen. Die einstige Kolonialmacht hat über die Jahrhunderte ein solch feines Netz an Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut, das effektiver ist als jeder EU-Bürokratismus. Der historische Verbündete USA beispielsweise wird dem Vereinigten Königreich mit Sicherheit die gleiche Vorzugskonditionen einräumen wie den EU-Staaten. Darauf kann man Wetten abschließen.

Doch Gottfried Heller bietet in seinem gut geschriebenen Artikel „Den Euro-Albtraum beenden – Europa entfesseln“ auch Lösungsmöglichkeiten an. „Wege aus der Krise“ heißt zurecht der Untertitel des Buches. Strategisch müsse es in die Richtung „Dezentralisierung anstatt Zentralisierung“gehen, „Föderalismus statt Zentralismus“ sei angesagt und letztlich müsse es zu „einem Staatenbund statt eines Bundesstaates“ kommen. Denn der Zentralismus ist für Europa keine Lösung, sondern das Problem.

Die Stärke Europas liegt vielmehr in der Vielfalt seiner Traditionen, Erfahrungen und Talente. Man solle deshalb nicht versuchen, die Schwächen der einzelnen Mitgliedsstaaten auszumerzen, sondern deren Stärken zu bündeln und auszuspielen. Selten hat man solch einen Klartext zu Europa lesen dürfen. Am liebsten möchte man die Regierenden in Brüssel und Berlin zur Zwangslektüre dieses Buches verdonnern.

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