Als bekanntester Trendforscher weltweit, John Naisbitts Bücher sind in 57 Sprachen übersetzt, hat sich der Amerikaner einen frischen Blick auf die Welt bewahrt. In den späten 1980er Jahren bekam ich bei ECON die Ehre, Johns Bücher Megatrends 2000, Megatrends for Women und Global Paradox zu verlegen. Es war eine wunderbare Zeit und seitdem sind wir gut befreundet.
Ich besuche John und seine Ehefrau Doris in ihrer Sommerresidenz am Wörthersee. John is in good shape, wie die Amerikaner sagen, neugierig auf Neues und klar in der Analyse, das kann nicht jeder 87-Jährige von sich behaupten. Die Langzeit-Betrachtung der beiden Autoren fällt für hiesige Breiten eher düster aus: Mit Europa und den USA gehe es langsam aber stetig bergab. Der Westen besitze seit Jahren keine Kraft für wirkliche Reformen und einfach keine Strategie, seine neue Rolle in der Welt zu finden.
Wenn beispielsweise die europäische Entwicklungspolitik nach Afrika komme, dann meist mit erhobenem Zeigefinger. Man solle nur ja auf diese demokratische Gepflogenheit achten und gefälligst den westlichen Wertekanon übernehmen. Die Eliten nicken und stecken das Geld ein. China hingegen, das sich in Afrika und Südamerika sehr rührig zeigt, mache es schlauer. Das Land gehe zur dortigen Regierung und schlage konkrete Projekte vor: Wir bauen euch eine Eisenbahnlinie von der Hauptstadt zur Küste. Und so packen es die pragmatischen Chinesen dann auch an. Arbeitsplätze werden geschaffen, die Infrastruktur des Landes verbessert, das Geld versickert nicht in dunkle Kanäle. Alle sind zufrieden.
Der Westen besitze heute einen sehr egozentrischen Tunnelblick auf die Welt um ihn herum. Und so verrenne man sich, anstatt strategisch vorzugehen. Deshalb habe es nicht zu Unrecht den Anschein, dass Europa und die USA nur noch Getriebene statt Akteure sind. Viele im Westen wollen eine solche Botschaft nicht hören, sagt Doris Naisbitt. Statt sich den Gegebenheiten zu stellen, male sich der Westen die Dinge schön. So bleibe man in der Komfortzone, die Dynamik läuft an den Europäern vorbei.
In ihren Büchern verstehen es John und Doris, die aktuellen Sachverhalte undogmatisch und eingängig in der historischen Entwicklungslinie auf den Punkt zu bringen. Und am liebsten, da bleibt John ein Amerikaner, voller Optimismus. My God, what a great time to be alive!, lässt John 1982 seinen Bestseller Megatrends enden. 14 Millionen Exemplare hat John alleine von Megatrends verkauft.
John kennt alle Winkel dieser Welt und alle Spielarten des politischen und wirtschaftlichen Handelns. Er war im engeren Beraterstab von Präsident Lyndon B. Johnson, den er für einen großen Präsidenten hält, weil er innenpolitisch viele Reformen vorantrieb. In jenen Jahren wurden die Rassentrennung und die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung für illegal erklärt. John hat nach seiner Zeit in Washington erfolgreich in der Privatwirtschaft gearbeitet bevor er zum gefeierten Autor avancierte.
An seiner Seite die Österreicherin Doris, sie arbeitete als erfolgreiche Verlegerin in Wien, die beiden sind seit dem Jahr 2000 verheiratet. Doris schreibt fleißig auch eigene Kolumnen, die Charaktere ergänzen sich wunderbar, nicht nur beim Schreiben. Beide bilden ein großartiges Team, als Autoren, als Vortragsredner und als Paar.
Ob er noch einen Tip habe für die amerikanischen Präsidentenwahlen in zwei Monaten, frage ich John, der in Salt Lake City geboren wurde. Der Amerikaner legt die Stirn in Falten. Hoffentlich nicht Donald Trump, sagt er. Das ist ein halbverrückter Bankrotteur. Der hat selbst als Unternehmer nichts Gescheites auf die Reihe gebracht.
Und Doris und John schauen auf den idyllischen Wörthersee, an dessen Gestaden sie Ruhe und Erholung finden, wenn sie nicht zwischen Peking, New York und sonstwo um den Globus schwirren. Es bleibt spannend auf der Welt und vieles ist wunderschön. My God, what a great time to be alive!
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