Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Schlagwort: actor

Good night, and good luck

Es war die wichtigste Stunde des Tages. Die sonore Stimme ertönte jeden Abend aus dem Radio. Und die Zuhörer lauschten, wie sie sonst keiner Radiostimme lauschten. This is London, so begann der amerikanische CBS-Reporter Edward Murrow seinen täglichen Kriegsbericht für das Publikum an den Radios in den USA. Das war im Winter 1940 und auf die englische Hauptstadt fielen die Bomben der Nazis.

This is London war Murrows opener. Keiner bekam den Anfang so hin wie er. Nach dem ersten Wort this setzte er eine winzige Kunstpause. Und prompt war das Markenzeichen dieser volltönenden Radiostimme geboren. Und zugleich die berühmte Redewendung dieses berühmten Journalisten.

Ed Murrows Reportagen aus dem Zweiten Weltkrieg in Europa endeten immer mit einem Satz, der dann noch populärer wurde: Good night, and good luck. Gute Nacht und viel Glück. Dieser Satz klang dramatisch, jedenfalls an einem Abend, an dem man nicht wusste, ob die Nacht nun wirklich gut und das Glück auch am nächsten Tag noch anhalten würde.

Die beiden Sätze waren Murrows Markenzeichen. George Clooney sollte 2005 als Regisseur und Autor einen Kinofilm über Murrow drehen. Als Titel des Schwarzweiß-Streifens wählte er Good night, and good luck. Mit wunderbarer Filmmusik aus dem Goldkästchen des Jazz.

Wie soll man solch eine einfache Phrase wie Good night, and good luck bloß übersetzen? Gute Nacht und viel Glück, sicherlich. Aber

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Wie ich einmal mit Fitzcarraldos Kapitän aneinander gerasselt bin

Fitzcarraldo Paul Hittscher

Fitzcarraldo – ein Filmepos, das Geschichte schrieb.

Seit jeher besitze ich eine fragwürdige Angewohnheit, von der manch einer jedoch auch sagen könnte, sie sei durchaus sympathisch. Ich bin nämlich gewohnt, mit wenig Bargeld durch den Tag zu ziehen.

Hier kommt die Nonchalance des beachcomber zum Zuge, denn mit leeren Taschen läuft es sich leichter durch die Strassen. Für ärgste Fälle steckt eine Kreditkarte im Jackett. Mein leeres Portemonnaie ist mir einige Male zum Verhängnis geworden, einmal gar in den tiefen Tropen des Amazonas.

Es muss wohl Ende der 70er Jahre gewesen sein, ich bin, wie so oft, im peruanischen Amazonasdschungel, und dort in der Großstadt Iquitos. Es ist ein Sonntag, das Bargeld alle, die Banken sind geschlossen, aber zum Glück gibt es da ja noch die kleine grüne Kreditkarte von American Express.

An einer Ausfallstrasse der Stadt, in Richtung Flughafen, entdecke ich ein kleines, feines Restaurant. Hübsche Veranda mit kleinen Esstischen, gegen die grelle Sonne überdacht, das blaue American Express-Schildchen klebt an der Eingangstür.

Da ich Kohldampf schiebe, lasse ich ordentlich was auftischen. Ein üppiges Fleischgericht, Kartoffeln, Gemüse, Getränke, Nachtisch. Eine einheimische Frau bedient mich zuvorkommend. Den Abend über bleibe ich der einzige Gast.

Als die Rechnung kommt, reiche ich der Bedienung meine grüne Kreditkarte. Sie schaut mich mit großen Augen an. Wir nehmen keine Kreditkarte, sagt sie. Ich deute auf das American Express-Schild, auf dem groß steht We accept American Express Cards.

Nein, sagt sie, keine Kreditkarten. Doch, sage ich, und zeige nochmals auf das Schild.

Sie holt den Besitzer, von dem ich annehme, dass er ihr Ehemann ist. Ein großer korpulenter, europäisch aussehender Mann kommt heraus und auch er sagt, wir nehmen keine Kreditkarte. Ich erwidere auf Spanisch, genau das aber steht an der Restauranttüre. Ist abgelaufen, sagt der Hüne, ein Mann von vielleicht Mitte 50. Ich bestehe auf Kreditkarte, sage ich, ich habe kein Bargeld, anders kann ich nicht zahlen.

Nun gibt ein Wort, das andere. Der Disput, alles in gepflegtem Spanisch, wird lauter und lauter. Es fehlt nicht viel, und die Fäuste wären geflogen. Bis der Besitzer dann schließlich doch entnervt die Kreditkarte nimmt und sie widerwillig durch das Abrechnungsgerät der Kartenfirma zieht.

Einige Jahre später sehe ich dann meinen rabiaten Wirt wieder, diesmal auf der Leinwand, 1982 in dem Film Fitzcarraldo von Regisseur Werner Herzog. In Fitzcarraldo spielt der Gastwirt die Rolle des Orinoco Paul, des Kapitäns des Amazonasdampfers Molly Aida, einen Part, der ursprünglich mit Mario Adorf besetzt war. Nun erfahre ich, mein Restaurantbesitzer ist ein Seemann aus Hamburg, mit Namen Paul Hittscher. Paul hat über 20 Jahre alle Meere durchpflügt und sich Mitte der 70er Jahren als Gastronom in Iquitos niedergelassen und hat dort eine Einheimische geheiratet.

Mit einem ollen norddeutschen Seebär bin ich aneinander geraten, mitten im Urwald Perus! Wir hätten uns also auch auf Deutsch streiten können. Übrigens, der Betrag meines Essens bei Paul Hittscher ist von American Express nie bei mir abgebucht worden.

siehe auch: Mario Adorf, der unvollendete Amazonas-Kapitän

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Werner Herzog will ein Schiff über einen Berg ziehen

Werner Herzog
Werner Herzog dreht Fitzcarraldo im Dschungel des Amazonas; Iquitos, im Januar 1981;
Foto: W. Stock

Bellavista, im Januar 1981

Wenn man die Amazonasregion bereist, so begleitet einen stets das Gefühl der Überlegenheit dieser Natur, einer Übermacht, die in den Tropen in keiner Sekunde weichen will. Einerseits wirkt Mensch im Urwald so klein, so schutzlos, so unwichtig, andererseits spürt er aber auch, was Leben und Lebenslust denn so bedeuten kann. Es mag vielleicht diese Mischung aus Demut und Faszination sein, die der Amazonas uns beibringen will.

Die Tropen zeichnet etwas Unwirkliches aus, dieser Landstrich bewegt sich wie aus einer heißen Phantasiewelt, er kommt einem vor wie eine Fieberhalluzination, wie ein Traum, aus dem man plötzlich hoch zu schrecken droht. Man wird demütigt in diesen Breiten, wohl wahr, jedoch auch leicht übermütig.

An der staubigen Landstraße nach Bellavista am Rio Nanay hat in der von Urwaldvegetation umrankten Villa Mercedes ein Deutscher sein Quartier aufgeschlagen. Um genau zu sein, wohnt dieser Mann nicht direkt in der zweigeschossigen Tropenvilla. Der Künstler hat sich aus dem großzügig bemessenen, bequemen Haus ausquartiert und residiert nun auf einem baumhohen Haus auf Stelzen, das er eigenhändig mitten in die Üppigkeit des Dschungelgartens gebaut hat. Hier lebt er in luftiger Höhe inmitten von Bananen- und Yuccastauden.

Wer bloß ist dieser seltsame Mensch, fragen sich auch die Anwohner dieses Landstrichs, der so isoliert und entfernt liegt von jenen zivilisatorisch herausgeputzten Gegenden dieses Globus. Und der einen pompösen Film drehen will, Fitzcarraldo, über einen merkwürdigen Abenteurer am Amazonas. Der Mann im Baum ist der deutsche Regisseur Werner Herzog, el Gringo alemán, wie ihn die Loretaner hier nennen.

Gegen Mittag besuche ich Werner Herzog in der Villa Mercedes. Unten in Parterre hat die Filmcrew mit der Ausrüstung ihren Arbeitsbereich, im ersten Stock des Hauses, im riesigen Wohn- und Esszimmer, sitzen Regisseur, Schauspieler und Kameraleute um einen langen Tropenholztisch. Werner Herzog lädt mich in den Garten ein und zeigt mir sein Baumhaus. Und auch der Besuch muss sich der Mühe unterziehen, die lange Sprossenleiter ins mächtige Stelzenhaus hochzuklettern.

Oben entwirft Herzog die Vision des Films und erzählt, dass die körperliche Anstrengung in seinen Filmen eine zentrale Rolle spiele. Es wäre schlimmer für mich, ein Bein zu verlieren als ein Auge, sagt der Regisseur, der opulente Bilder schafft. Und Herzog will im peruanischen Amazonasdschungel einen pompösen Film drehen, ein Leinwandspektakel, wie es sein Heimatland Deutschland, ja, die ganze Welt und das armselige Peru sowieso noch nicht, gesehen haben. In dem Film muss etwas völlig Irrwitziges, etwas ganz und gar Phantastisches passieren. Etwas, das zeigt, dass Willenskraft stärker ist als Schwerkraft, dass Wollen größer ist als Sein.

Ein Schiff muss über einen Berg gezogen werden. Und Werner Herzog war in Hollywood und hat seine Idee vorgestellt. Wunderbar, sagten die Filmbosse, eine hübsche Idee. Wir gehen in den Botanischen Garten von San Diego und lassen vor der Trickkamera dort das Schiff über einen Berg ziehen. Nein, nein, hat Werner Herzog ärgerlich gesagt, ein Schiff muss über einen Berg gezogen werden. Ein richtiges Schiff über einen richtigen Berg.

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Jason Robards – der gefallene Fitzcarraldo

Claudia Cardinale und Jason Robards am ersten Drehtag von Fitzcarraldo in Iquitos; Photo by R. Pinedo/Collection W. Stock

Iquitos, den 5. Januar 1981

Der große Hollywood-Akteur Jason Robards spielt einen wunderbaren Fitzcarraldo. Heute beginnen in Peru die Dreharbeiten zu Werner Herzogs Dschungelepos Fitzcarraldo. Nur, dieser Robards-Fitzcarraldo wird es nie bis in die Kinos bringen.

Das weiß in diesen Januartagen des Jahres 1981 keiner in Iquitos, manch einer mag es mit viel Phantasie vielleicht erahnen. Denn irgendein Unheil liegt über diesen Dreharbeiten. Die grelle Sonne brennt hart auf die Filmcrew nieder, das Thermometer schlägt bei 42 Grad aus. Im Schatten.

Irgendwie scheint all dies ein großer Irrtum. Da treffen sich zwei Große der Filmgeschichte, hier mitten im Amazonasurwald, aber irgendwie passt alles nicht recht zusammen. Jason Robards, damals 58 Jahre alt, hatte in großartigen Hollywood-Filmen wie Julia oder All the President’s Men mitgespielt, er war das Charaktergesicht eines klugen, amerikanischen Films.

Robards ist ein überaus erfahrener Mime auf Leinwand und Bühne, einer, der schon einiges erlebt hat. Aber dieses Filmprojekt mit Werner Herzog, dem Naturburschen des neuen deutschen Films, will einfach nicht gelingen.

In seinem hellgrauen Leinenanzug und dem weißen Panama-Hut gibt Jason Robards einen prächtigen Fitzcarraldo ab, aber das Klima hier im tiefen Regenwald Perus ist ihm zu heiß, zu schwül. Und überhaupt. Wenn die Kamera abgeschaltet ist, wirkt Robards ausgelaugt, er schwitzt und sieht abgekämpft aus, man merkt, all dies ist ihm zu viel.

Vielleicht wußte der Feingeist aus dem Norden nicht, auf was er sich da einlässt. Jedenfalls scheint er noch nicht im Urwald Perus – und auch nicht bei diesem Filmprojekt – angekommen zu sein. Jeden Morgen verlangt er als Frühstückslektüre die New York Times. Und eines Abends kriegt er einen veritablen Tobsuchtsanfall und schimpft auf alle Welt. Auf Herzog, die Filmleute, auf Peru und insbesondere auf Nancy Reagan, die Frau des US-Präsidenten. All dies erscheint irgendwie deplatziert hier inmitten der sengenden Hitze des Regenwaldes.

Sechs Wochen nach Drehbeginn erkrankt Jason Robards an Amöbenruhr und lässt sich mit dem nächsten Flugzeug in die USA ausfliegen. Sie hören von meinem Rechtsanwalt, ruft er dem verdutzten Herzog nach, der mit halbgedrehtem Film im Dschungel Perus stehen bleibt.

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