Ecke Obispo-Straße mit Monserrate im kolonialen Havanna findet sich eine prima Adresse für hohe Prozente. El Floridita. Nicht nur unter Säufern genießt Klein-Florida einen exzellenten Ruf. Ebenso unter Literaten. Haben die schwarzen Barhocker doch mehr nobelpreisgekrönte Arschbacken erspürt als jeder Fauteuil der Bibliotheque Nacionalede Paris.
Den Daiquirí schlürfte im El Floridita die Verlorene Generation, jene desillusionierten Mannsbilder, die im Ersten Weltkrieg all ihre Ideale verloren hatten und nicht so recht wussten, wie es nun weitergehen sollte. Und da hocken sie um die mahagonigetäfelte Bar mit ihrem dezent dunklen Interieur: der Sprachzauberer John Dos Passos ebenso wie der Weichzeichner Scott Fitzgerald. Der Dichtertitan Ezra Pound, später der schrullige Weltenbummler Graham Greene. Und natürlich auch der unverwüstliche Ernest Hemingway, der sich an diesem Orte bereitwillig dem Suff hingab.
Auch wir tauchen ein, in bester Absicht, und nähern uns schweren Schrittes dem Tresen. Die lange Mahagonitheke schimmert matt. Auf den schwarzen Holztruhen der Schankanrichte ist in stolzem Goldton Wiege des Daiquirí auf Spanisch und Englisch angebracht. Genosse Barkeeper, wo ist der Maestro?, fragen wir. Quien?? Wer?? El Maestro. Ma-es-tro. Der Meister aller Klassen. Schulterzucken. Na dann, dos Daiquirís, Compañero.
Hemingways zweites Stammlokal in Havanna kultiviert
Die einst schönen Prachtvillen, nun im Staatseigentum, verfallen. Foto: W. Stock
Havanna, im April 1983
Das sozialistische Kuba hat sich erst 1985 dem westlichen Tourismus geöffnet. Davor war nicht viel, eher Richtung Nordkorea, Besucher aus kapitalistischen Ländern jedenfalls waren unerwünscht. Über drei Ecken gelang es mir jedoch, im Frühjahr 1983 auf die Insel zu kommen. Mit einer Gruppe Reisender aus Mexiko.
Havanna strahlt in jenen Tagen den Charme einer verlotterten Stadt aus: zerstörte Strassen, zerbröselnde Hausfassaden, ärmlich gekleidete Menschen. Ein sympathischer Charme durchaus, auch deshalb, weil der Mangel und die Not mit einer spürbaren Lebensfreude einher gehen.
Man merkt an jeder Strassenecke, hier haben Linke und Revolutionäre das Sagen. Die verfallenden Villen zeugen davon, dass ein altes System zerstört wurde, ein neues aber keinen Erfolg gebracht hat. Die Trostlosigkeit bleibt.
Der Pein des Alltags begegnen die Kubaner jedoch mit einem Lächeln, einer flotten Salsa-Melodie und einem Schluck Rum. An den Strassen statt Produkt-Reklame nun politische Reklame. Patria o Muerte. Vaterland oder Tod. Proletarier aller Länder, vereinigt Euch! und ähnliches aus dem reichen Spruchbeutel einer Revolution.
Wir wohnen im Capri, einem hohen, breiten Tophotel, dem man die Jahre und der vergangene Luxus so langsam ansieht. In vorrevolutionären Tagen hatte die Mafia Kubas Hauptstadt fein aufgeteilt, Havannas Nächte hörten auf das Kommando der Bosse aus Chicago und New York. Über das Capri herrschte der Spitzbube Nicholas di Constanzo. Wenn der Obergangster Al Capone in Havanna weilte, ließ er sich immer das Zimmer 615 des Hotel Sevilla in der Calle Trocadero reservieren. Und für seine Bodyguards und den weiblichen Anhang gleich das ganze restliche sechste Stockwerk.
Heute werden die wenigen Touristen aus kapitalistischen Ländern neugierig in Augenschein genommen und ziemlich aufdringlich belästigt. Haste mal ‘nen Dollar, ‘nen Kaugummi, ‘nen Kugelschreiber? Willste mal ‘ne Havanna-Zigarre, ‘ne Flasche Rum, ‘nen heißen Tipp. Und die hübschen Frauen lächeln auch hässliche Männer an.
Jenseits aller Propaganda bekomme ich Gelegenheit mich von der Qualität des kubanischen Gesundheitswesen zu überzeugen. Denn kurz vor Mitternacht plagen mich grausige Schmerzen im Ohr. Rechts. Der Nachtportier des Capri, den ich um Rat frage, schickt mich zur Nachtambulanz des nächstgelegenen Hospitals.
Da es in Havanna so gut wie keine Taxis gibt, tigere ich zu Fuß durch das nächtliche Havanna. Die Luft ist noch lauwarm und selbst nach Mitternacht spürt man die Gluthitze der Karibik. Das Calixto-García-Krankenhaus liegt gleich neben der Universität und verarztet seine Patienten in drei Schichten rund um die Uhr. Ich trage an der Rezeption mein Begehren vor und werde in ein kleines Patientenzimmer geschickt.
Ein etwas verschlafener HNO-Arzt schaut in mein Ohr und diagnostiziert eine Vereiterung. Auf einem blanken Zettel verschreibt er ein Antibiotikum. Als ich nach dem Preis der Behandlung frage und das Portemonnaie zücke, wehrt mein Ohrendoktor stolz ab. „Kostet dich nichts. In Kuba ist Krankenbehandlung umsonst.“ Duzen inbegriffen. Man dankt. Eine sehr adrette Krankenschwester winkt mir nach.
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