Als Jugendlicher habe ich zum ersten Mal eine dieser wilden Reportagen von Hunter S. Thompson gelesen. Wenn ich mich recht entsinne, handelte die Geschichte von Ernest Hemingway und von seinem letzten Wohnort Ketchum in den Bergen Idahos.
Nicht nur das Thema hat mich elektrisiert, sondern auch die Art und Weise, wie dieser junge Autor seine Reportage stilistisch anpackte. Das war mehr als merkwürdig, das war eigenartig und seltsam, das war so ganz anders, als das, was ich bisher von Journalisten gelesen hatte.
Ein Stück von ihm erkannte man nach dem ersten Satz. Stets ignorierte der Mann alle Regeln einer guten Reportage. Mal fing er mit wörtlicher Rede an, mal erzeugte er null Atmosphäre zu Beginn, dann fabulierte er wild drauf los, rotzte seine Meinung zu Papier und zelebrierte mit Leidenschaft seine Wutausbrüche und seine Außenseiterrolle.
Er machte beim Schreiben keinen Hehl aus der Tatsache, dass er nicht nur unter Adrenalin stand, sondern wohl auch unter Alkohol, Acid, Dope und weiß der Teufel was. Er veröffentlichte meist im Rolling Stone, einem Musikmagazin, das das Lebensgefühl einer ganzen Generation ausdrückte.
Hunter S. Thompson und sein Gonzo-Stil waren Woodstock auf der Schreibmaschine, laut, schrill, anti gegen alles, er war ziemlich durchgeknallt. Aber in ihrer subjektiven Radikalität hatten seine Texte etwas, was der ganze Sesselpupser-Journalismus nicht hatte: Nähe und Authentizität.
Die besten Schreiber des romanhaften Erzählens, des New Journalism, kamen aus den USA. Und Hunter S. Thompson, dieser ziemlich irre Typ, war der Star dieser neuen Art zu schreiben. Seine Themen waren aus der Welt dieser neuen Generation, die den Aufstand gegen die alten Werte probte: Er schrieb über die Rockergang der Hell’s Angels, über Las Vegas, über Marlon Brando, über das Kentucky Derby.
Diese Reportage über das Kentucky Derby kommt urkomisch daher. Dabei schreibt Hunter nicht über das eigentliche Rennen, sondern gibt seinen Versuch zum Besten, an Pressekarten zu kommen. Oder er lungert an der Bar herum mit tumben Pferdenarren. Aber durch diese Schilderungen verrät er mehr über das Ereignis, als wenn er das blosse Pferderennen beschreiben würde. Hier zeigt sich: Hunter S. Thompson war wohl der Beste seiner Generation.
In dem Abschiedsbrief an Frau und Sohn, den der Rolling Stone Monate nach seiner Selbsttötung veröffentlichte, schrieb er: No More Games. No More Bombs. No More Walking. No More Fun. No More Swimming. 67. That is 17 years past 50. 17 more than I needed or wanted. Boring. I am always bitchy. No Fun – for anybody. 67. You are getting greedy. Act your old age. Relax – This won’t hurt. Ich bin 67. 17 mehr als 50. Das sind 17 Jahre mehr als ich brauchte und wollte. Das macht keinen Spass – für niemanden. Bleib ruhig, Bursche, es tut nicht weh.
Er schoss. In den Kopf. Am Schreibtisch.
Bei seiner Beerdigung im August 2005 war Hunter S. Thompson wieder ganz der Alte. Er hatte jede Einzelheit der Beisetzung genau geplant und wieder war alles ziemlich schräg: Als Höhepunkt ließ er aus einer riesigen Kanone seine Asche in die Luft von Colorado schießen.