Auszug aus Wolfgang Stock Schneefall in den Tropen:
Die Rezeption des Hotels strahlt in gediegener Eleganz. Wohl richtig gehört man nur dazu, wenn man beim Verlangen des Schlüssels nicht seine Zimmernummer nennen muss, sondern wortlos den richtigen Schlüssel ausgehändigt bekommt. Boa tarde, doctor, oder ein um dia lindo, profesor, hört man hier so diskret, das außer dem Angesprochenen kein Umstehender davon Kenntnis genommen haben dürfte.
Am meisten Spaß macht es, des Morgens direkt neben dem breiten Pool sein opulentes Frühstück einzunehmen. Nein, wer einmal hier in der Avenida Atlantica 1702 war, und wenn er seine fünf Sinne noch einigermaßen beisammen hat, der muss dem Charme dieses Ortes erliegen. Und wer als junger Mensch hier war, der wird das alles bis an sein Lebensende nicht mehr aus der Birne rauskriegen. You can’t take that out of the boy.
Egal, was im Leben noch passieren mag. Rio de Janeiro ist eine jener Träume, die man nicht nur träumen sollte, sondern deren Sehnsucht man zumindest einmal nach außen ausleben sollte.
Es ist mein letzter Tag in Rio, am frühen Vormittag geht die Maschine nach Bogotá, wo einen alles Irdische wieder einholen wird. Als ich am letzten Morgen aus dem Hotel gehe, da spüre ich ihn wieder, diesen zarten, süßlichen Duft, der durch die Tage Rios zieht, dieses Aroma nach Zuckerrohr, der für die Gewinnung von Äthanol, als Ersatz für Benzin, verwendet wird. Die Erotik dieses Ortes riecht, sie schmeckt, sie macht sich bemerkbar, sie brüllt und sie befiehlt.
Und des Morgens, wenn all die morbide Schwere der Nacht vorüber und der Lärm des Tages die Stadt noch nicht in seine Macht genommen hat, entfaltet diese Stadt eine wundersame Sinnlichkeit. Wenn der Tag noch jungfräulich ist, so ist das die beste Stunde, um alleine durch den knospenden Morgen zu gehen.
Man nimmt wahr, wie die Sonne langsam dem Meer entsteigt, und die ersten Strahlen den ruhenden Körper dieser Stadt streicheln. Noch ist die Stadt still und kühl, und erst in wenigen Stunden wird sie laut und heiß und aufreizend sein.
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