Photo by W. Stock

Varadero, im April 1983

Kuba ist zwar bitterarm, aber immerhin sozialistisch. Die Insel liegt in den Subtropen, ein Sozialismus unter Palmen. Die pralle Sonne, wenn man will, hübscht den Alltag ein wenig auf.

An einem schwülen Apriltag besteige ich den Bus nach Varadero. Leise hoppelt der klapprige Bus an der Stadt Matanza vorbei. Welch ein kurioser Städtename, kommt mir in den Sinn. Betrüblich für einen Ort, wenn er sich Blutgemetzel nennen muss. Er erinnert an die gnadenlose Matanza der Spanier an den Indios. Auch in Mexiko, in Matamoros – was soviel heißt wie Maurentöten – haben die Kolonisten ihre Blutbäder in Städtenamen verewigt.

Die unberührt wirkende Halbinsel Varadero im Norden gilt als exklusivste Baderegion Kubas. Wie Cancun, staunen die überraschten Mexikaner: Nun ja, vielleicht noch etwas jungfräulicher, werfe ich ein. Denn der Tourismus auf Kuba steckt noch in den Kinderschuhen.

Die Casa Blanca neben dem Hotel Internacional auf Varadero wird ausschließlich für sowjetische Kosmonauten reserviert. Das glasklare, türkise Wasser und ein feinkörniger 20-Kilometer-Strand bilden ideale Voraussetzung für Gäste.

Die über 900 Fischarten vor der Küste machen die Insel zu einem grandiosen Angler- und Taucherparadies. Und die staatliche Cubatur hat eine Vielzahl attraktiver Ausflugsprogramme im Angebot: eine Seafari an der Ostküste, Scuba-Diving in Jibacoa oder ein Ausflug zu den prähistorischen Stätten in Viñales.

In Varadero werden Hotelklötze wie das Siboney oder das Bellamar mit spanischem oder kanadischen Geld in einem unsozialistischen Schweinsgalopp hochgezogen. Da das mit der Zuckerrohrernte auch nicht mehr weit her ist, sollen die Touristendollars dem hoch verschuldeten Kuba in naher Zukunft Linderung verschaffen.

Die Natur – und das ist ausnahmsweise kein Verdienst der Revolution – hat dieses Eiland Kuba gnädig behandelt. Ein wohltemperiertes subtropisches Klima sorgt für eine angenehme Jahresmitteltemperatur von 25 Grad. Der Tourismus beginnt sich langsam zu entwickeln, bisher ließ man nur befreundete sozialistische Brüder und Schwestern herein.

Wer konnte dies vorher sehen? Nicht mehr Zuckerrohr oder Kupfer sind die Wirtschaftszweige, die das sozialistische Eiland am Leben halten. Es ist der Tourismus, die umfassende Dienstleistung an reichen Gringos, woher diese auch kommen mögen, was immer diese auch verlangen mögen. So stand dies mit Sicherheit nicht im Fünf-Jahresplan der Revolutionäre.

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