Schneefall in den TropenAuszug aus Wolfgang Stock Schneefall in den Tropen:

Es sind nicht die vielen Dollars, die man da lassen muss, welche diesem Platz seine Magie verleihen. Es ist wohl eher umgekehrt: Weil der Platz eine solche Magie besitzt, muss man ihn sich teuer erkaufen. Nein, Geld macht irgendwie nicht den Kitzel dieses Ortes aus.

Wenn man jedoch ein paar Dollar sein eigen nennen kann, dann lässt es sich gut leben in Brasilien. Und viele kamen und kommen. Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts war dieses Rio de Janeiro einer der Fluchthäfen für europäische Juden und andere Verfolgte.

Der prominenteste von ihnen war der Wiener Schriftsteller Stefan Zweig. Er mochte Brasilien und verzweifelte doch: 1942 nahm er sich in Petrópolis, in der Nähe Rios, das Leben.

Brasilien ist ein Land, in dem von vier Bewohnern drei katholischen Glaubens sind. Der Erlöser-Christus auf dem Buckelberg kontrastiert jedoch mit jenem Christus, den die Portugiesen nach Brasilien brachten. Der Christus der Kolonisten war ein strenger und strafender Gott, der die Körper- und Sinnenfreude der Ureinwohner in ein christliches Zwangssystem pressen wollte.

Doch die Brasilianer können mit einem strafenden Gott nichts anfangen. Sie haben sich ihre Sinnenfreude bewahrt und die Lustfeindlichkeit Roms einfach nicht angenommen. Eine Heilbotschaft schließt für die Südamerikaner auch immer der Wunsch nach dem Paradies im Diesseits ein.

Kein Wunder, dass die Theologie der Befreiung hier in Brasilien ihre stärkste Ausprägung erlebte. Der Pater Leonardo Boff hat 1972 ein Buch veröffentlicht, dem er den Titel Jesus Christus, der Befreier gab.

Merkwürdigerweise lassen sich gerade in streng katholischen Ländern eine große Lebenslust und Lebensfreude wiederfinden. In Italien wird besser getrunken und gegessen als in Deutschland, Frankreich hat mehr Spaß am Körperlichen als England und in Brasilien wiegen sich die Menschen leichter durch das Leben als – sagen wir mal – in Indien.

Möglicherweise hat dies etwas mit der Institution der Beichte zu tun, der irdischen Möglichkeit von all seinen Sünden Ablass zu erlangen. Wer beichtet, so ist man geneigt anzumerken, der darf auch sündigen.

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