Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Iquitos und Ich

Iquitos 1987; Photo by N. Böer

Oft war ich schon in diesem verlassenen Nest im peruanischen Amazonasdschungel, sechs, sieben Mal vielleicht. Und immer, wenn ich in Südamerika weile, dann zieht es mich hierhin, wie zu einem Magneten, schwer erklärlich, es ist halt so.

Doch versuchen wir es: Die Stadt ist einzigartig. Keine Straße führt zu ihr hin, und keine aus ihr heraus. Man muss, will man es einigermaßen bequem angehen, schon mit dem Flugzeug einfliegen. Und trotzdem wohnen über 450.000 Menschen in Iquitos. Die größte Stadt der Welt, die ganz von den Segnungen der Neuzeit abgeschnitten ist.

Beim ersten Besuch kam ich mir klein und verlassen vor. Iquitos schüchtert zunächst ein. Alles drängt und drückt. Links, der dichte Urwald, und rechts, der wuchtige Amazonas. Dazu die Allgewalt der Tropen, wo eine Zecke stärker sein kann als der Mensch, von oben drückt die Schwüle, von innen die Hitze. Wenn man dann das zweite Mal kommt, kennt man all dies. Und wenn man länger bleibt, weiß man mit dieser Stadt umzugehen.

Anfangs bin ich noch unsicher über Plaza 28 de Julio gestolpert. Später kannte ich viele und viele kennen mich. Über die Jahre ist das Erstaunen der Bewunderung gewichen und schließlich in Zuneigung gemündet. Die Leidenschaft für Iquitos ergibt sich nur, wenn man sich bedingungslos der Natur hingibt. Bei manchen wird gar Liebe draus. Bei mir, beidseitige Liebe, will ich meinen. Ich mag sie, sie mag mich.

Gerade dieses Abseitige und dieses Rückständige verleihen dieser Stadt Grazie und Anmut. Ich meine nicht diese geleckte Ästhetik unserer Breiten, nicht diese aseptische und sterile Funktionalität der Industriestaaten, sondern eine archaische, veraltete und sicherlich auch unmoderne Schönheit.

Hier in Iquitos dreht die Natur alle Uhren um Jahre, Jahrzehnte zurück, und doch lebt man mit dem Bewußtsein von heute. Iquitos hinkt der Zeit hinter her, man retardiert durchs Leben, als ob man aus der Zukunft in die Vergangenheit gehe.

Ich habe oft über diese Stadt geschrieben und dann ist mein Herz aufgegangen. Doch kein Satz mag, bei noch so großer Anstrengung, die Faszination dieses Landstriches packen. Und die Stadt, die ich so hoch besinge, dankt für jene Ermunterung. Sie übersetzt meinen Artikel und druckt ihn nach – wie ich erst nach Jahren erfahre – in der Jubiläumsausgabe 600 der örtlichen Zeitschrift Kanatari. Unter der Überschrift. La ciudad de Fitzcarrald: Iquitos.

Und ich sage, Rom, Paris, London, gegen dieses Nest kann kein Colosseum anstinken, kein Arc de Triomphe anleuchten und kein Riesenrad groß genug sein. Nein, nein, Scheiß der Hund drauf, hier spielt das Leben, das richtige Leben, nicht die Plastikwelt, hier schmeckt die Natur echt und ursprünglich. Leute, das hier ist vielleicht der beste Platz auf Erden, jedenfalls, wenn man jung ist und voller Lust auf das Leben.

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  1. Dr.Rudolf Murrmanns

    In der Tat ist Iquitos einzigartig. Ich konnte mich davon bereits zweimal überzeugen.
    Leider gibt es seit geraumer Zeit Pläne, eine Strassenverbindung zum Pazifik zu bauen. Dieses würde nicht nur den Nimbus dieser Stadt zerstören, sondern auch das labile Ökosystem des Regenwaldes. Auch würde der Lebensraum indigener Völker schrumpfen und Schaden nehmen. Dagegen gilt es Protest anzuheben.
    Vielleicht sollte die UNESCO Iquitos zum Weltkulturerbe erklären.

  2. Uwe Stang

    Vor einigen Jahren war auch ich in Iquitos, wahrlich eine faszinierende Stadt. Eines haben Sie vergessen in Ihrem Bericht. Die Hitze und Schwüle. Immer über 35 Grad, hohe Luftfeuchtigkeit. Da braucht man gute Kondition…

  3. apple

    Großartig! Die Stadt und auch Ihre Hymne an diese Stadt. Mehr davon!

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