Photo by W. Stock

Mutianyu, Anfang November 2011

Als ich vor elf Jahren zum ersten Mal die Große Mauer besuchte, genau an dieser Stelle bei Mutianyu, da hatten wir dieses riesige Bauwerk noch ganz für uns. Vielleicht ein Dutzend anderer Touristen verirrten sich entlang des vier Meter breiten Weges oben auf der Mauer.

In diesen Tagen, da in Badaling restauriert wird, bevölkern jeden Tag hunderte, ja tausende Besucher das Mauerstück bei Mutianyu. Der Rummel in der Talstation mit den Händlern und den Touristenfallen ist mittlerweile unerträglich geworden.

In diesen Tagen klebt jedoch ein Nebel auf Peking und Umgebung, der sich zudem mit dem Smog der Metropole mischt. Wie eine Milchglasscheibe heftet sich die Nebelwand über die Stadt, und selbst die Mauer, 60 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, bleibt diesmal nicht verschont. So stochern wir diesmal im Nebel über die Mauer.

Diese Mauer bleibt ein Monument, vielleicht das beeindruckendste Werk der Menschheit aus Stein. Siebentausend Kilometer lang, wie eine Achterbahn über die hügeligen Bergrücken ziehend.

Für China bleibt die Mauer in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Sie ist das Wahrzeichen für die Größe Chinas, für seinen Fleiß und auch seine Phantasie. Wer zu einem solchen Bauwerk fähig ist, so lautet die Botschaft, dessen Größe und Kraft muss unermesslich sein.

Zugleich symbolisiert die Mauer auch Schutz vor Feinden und vor dem Fremden. Wobei vordergründig die Mongolen gemeint sein mögen, doch wenn man sich vergegenwärtigt, dass das chinesische Kaiserreich in den besten Tagen bis hinein nach Russland ragte, dann mag man die historische Sichtweise der Chinesen erahnen.

Der Westen bleibt im Blick. Die berühmte Seidenstrasse fing in Istanbul an und endete in Peking. Auf der Seidenstrasse transportierte man nicht nur Güter, sondern auch Ideen, Kultur und Religionen.

Marco Polo, der hier verehrt wird, hat dies genau beschrieben. Wobei unser chinesischer Guide diesen venezianischen Händler und Schriftsteller für einen Aufschneider hält. Denn merkwürdigerweise hat Marco Polo über vieles, das er eigentlich hätte sehen müssen, nicht geschrieben. Über Essstäbchen beispielsweise. Oder eben über die große chinesische Mauer. Die kommt bei Marco Polo nicht vor.

Wie dem auch sei, die große Mauer bleibt gigantisch und atemberaubend. Sie ist das Ausrufezeichen für die Welt, welche Ambition und auch welche Angst diese Nation quälen. Sie ist das Sinnbild für die geistige Kraft Chinas, für eine Superiorität, die langsam auch die Welt jenseits der Mauer zu begreifen beginnt.

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