„Fitzcarraldo, Werner Herzog Filmproduktion, 1a, die erste, Klappe!“ Erster Drehtag ist der 5. Januar 1981. Jason Robards spielt den Fitzcarraldo. Ein erstklassiger amerikanischer Bühnen- und Hollywood-Mime, obwohl nur Herzogs dritte Wahl. Jack Nicholson, eigentlich zu teuer, hat dann doch irgendwann die Lust verloren und Warren Oates lässt sich für einen längeren Amazonastrip als unpässlich entschuldigen.
Doch dieser Hollywood-Mann mit dem noblen Charaktergesicht scheint ein Glücksfall für den Film zu sein. In Los Angeles ist er ein ganz große Nummer. Qualitätsfilme, zweifacher Oscar, ein Mann mit Meinung, Ex-Gatte von Lauren Bacall. Jason Robards spielt den Fitzcarraldo nicht als verwegenen Haudegen, sondern eher als zurückhaltenden, salonschnittigen Bonvivant mit Hang zu Weib und Kultur.
Jason Robards, jenem couragierten Chefredakteur aus dem Watergate Film, hat die Filmproduktion Spitzenakteure zur Seite gestellt, wie sie noch nie ein neuer deutscher Film gesehen hat: Claudia Cardinale spielt ein properes Puffmuttchen, Mick Jagger mimt Fitzcarraldos Kumpan Wilbur, Mario Adorf verkörpert den bärbeißigen Kapitän des Amazonasdampfers Molly Aida und Mexikos Starkomiker Adalberto Martinez Resortes als Koch gibt den Trottel vom Dienst. Drei Opernsänger erster Kategorie und Tausende von Statisten zeugen von cineastischem Geltungsbedürfnis.
Jason Robards macht die Temperatur bis zu 42 Grad im Schatten sichtlich zu schaffen. Unerfreulicherweise findet sich hier nirgends viel Schatten. Jemand fächelt der Cardinale ein wenig Luft zu, der gleichwohl die fein aufgetragene Schminke das hübsche Antlitz herunter läuft.
Robards, ganz in einem weißen Leinenanzug, küsst die immer noch schweißtriefende Wange der Cardinale, bewegt sich vorsichtigen Schrittes in Richtung Landungsbrücke und winkt der Italienerin, sie im Rüschenkleid mit Spitze, mit einem befreiten Lachen galant zu. Klappe. Jede gelungene Szene wird von den Einheimischen enthusiastisch beklatscht, Herzog klatscht ebenfalls.
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts überfiel die Amazonasprovinz Loreto eine Welle ungeahnten Reichtums. Charles Goodyear, ein amerikanischer Wissenschaftler, fand erstmals Möglichkeiten, das in Loreto gewonnene Kautschuk zu vulkanisieren und Industriegummi zu gewinnen. Die aufkommende Automobilindustrie und die anlaufende Kriegsmaschinerie sorgten für eine reißende Nachfrage nach peruanischem Weichgummi. Das schwarze Gold zog zwielichtige Typen und draufgängerische Glücksritter an, von denen einer dieser Fitzcarraldo war, wohl ein Lebenskünstler und Taugenichts, auf jeden Fall ein waghalsiger Halbverrückter.
Den Münchner Regisseur interessiert genau dieses Skurrile, das Unerhörte und Traumhafte. Werner Herzogs Filme mag man eigentlich als cineastische Novellen in der Tradition der deutschen Romantik begreifen. Seine Protagonisten erscheinen immer als Wahnwitzige, Versessene, oft von scheinbar absurden Ideen beseelte Einzelgänger. Genau wie jener Fitzcarraldo, der von der Vision getrieben wird, hohe italienische Opernkunst in die dümpelnde Einöde des Dschungels zu bringen.
In einem noblen Freudenhaus von Iquitos schwärmt dieser Fitzcarraldo seiner Geliebten Molly von abendländischer Kultur vor, von Verdi, Puccini und Bellini unter Palmen. Alles klingt verrückt. Ein massiver Amazonasdampfer muss dazu per Manneskraft über eine Anhöhe geschleppt werden, um so unpassierbare Stromschnellen zu umgehen.
Mit Hilfe von Hunderten Indios, die der Schwärmer zuvor über Grammophon und Schellackplatten mit dem Belcanto des größten Sängers aller Zeiten betört, vollbringt er die von niemand geglaubte Wahnsinnstat: Ein riesiger Dampfer gleitet über den Berg als sei alles eine Szene aus einem wundersamen Traum.
Schreibe einen Kommentar