Notizen und Anmerkungen von unterwegs

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Peter F. Drucker und sein Wien

Peter F. Drucker, im Juni 1990; Photo by W. Stock

Wenn man Peter F. Drucker persönlich traf, dann merkte man nach wenigen Minuten, wie sehr er an seiner alten Heimat hing. Sicher, er fühlte sich wohl in Kalifornien, im beschaulichen Wüstenstädtchen Claremont, in seinem bescheidenen Flachbungalow am Wellesley Drive. Aber wenn er in Europa weilte, dann lebte er auf, und am liebsten erzählte der große Management-Theoretiker von Wien, seiner Heimatstadt.

Gerade in seinen späten Jahren schweiften seine Gedanken oft nach Wien, mit Wehmut und Sehnsucht. Wien, das waren für ihn die unbeschwerten Jugendjahren. Er erzählte mir von den Freunden, von seinen Touren durch die Stadt, den Streichen, und nicht zuletzt von den Mädchen, denen man kräftig nachstellte.

Der große Peter F. Drucker. Das F steht für Ferdinand. Und schon sind wir im k.u.k-Wien der 20er Jahre. Peter Ferdinand Drucker wurde am 19. November 1909 in Wien geboren. Wien, das darf man nicht vergessen, war bis 1918 eine Weltmacht. Das k.u.k. herrschte über Österreich-Ungarn, von den Alpen bis nach Russland.

Und Wien war das pulsierende Zentrum der Regionalmacht. Auch intellektuell. Ein österreichischer Arzt, der Doktor Sigmund Freud, hatte in den 20er Jahren ein paar gewagte Thesen veröffentlicht, der Neopositivismus um Karl Popper entstand, der Wiener Liberalismus setzte den tapferen Gegenpol zu aufkommenden Bolschewismus und Faschismus, es gab also genug zu debattieren.

Peter wurde in großbürgerliche Kreise hinein geboren. Seine Mutter Caroline war eine Ärztin, der Vater Adolph, ein Jurist, arbeitete als hochrangiger Beamter im Museumswesen. Auf Bildung wurde in der Familie Drucker, Peter besaß noch einen Bruder, großen Wert gelegt. Eine bildungsbeflissene Atmosphäre, diese typische Wiener Debattenkultur, die Soiree, das war das soziale Umfeld, in dem Peter Drucker groß wurde. Die Begegnungen zu Hause waren Grundlage meiner Erziehung, meinte Peter Drucker als Erwachsener.

Mehrmals in der Woche pflegte die Familie den literarischen Salon, wo über Musik, Literatur oder auch Naturwissenschaften debattiert wurde. In ihrem großen dreistöckigen Doppelhaus im noblen Wiener Vorort Döbling verkehrten die Denker des Wiener Kreises um Rudolf Carnap. Wirtschaftsthemen nahmen eine gewichtige Stellung ein, eigentlich versuchte man sich an dem Symbiose von Philosophie, Staatswissenschaft und Volkswirtschaft. Die großen Wirtschaftstheoretiker jener Tage wie Joseph Alois Schumpeter, Friedrich August von Hayek oder der große Ökonom Ludwig von Mises gingen im Haus der Druckers in der Kaasgrabengasse ein und aus.

Vielleicht lag in dieser Tradition der Grund dafür, dass Peter Drucker später nie zum eindimensionalen Fachidioten wurde, weshalb er manch akademischem Kollegen denn auch ein wenig suspekt erschien. Peter war vielmehr Universalgelehrter, mehr Historiker denn Ökonom, der interdisziplinär die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zu sehr pragmatischen Ansätze verdichtete.

Im Jahr 1927 zog es Peter Drucker nach Deutschland, zuerst nach Hamburg, wo er eine Handelslehre absolvierte und an der Universität Jura studierte und mit 20 nach Frankfurt, wo er Finanz-Redakteur des Frankfurter General-Anzeigers wurde. An der Frankfurter Universität beendete er sein Jura-Studium und lernte die Mainzerin Doris Schmitz kennen, die Frau an seiner Seite für die nächsten 71 Jahre.

Als sich der Nazi-Terror abzuzeichnen begann, ging Peter Drucker nach England. Dort blieb er vier Jahre, als Finanzanalyst und studierte in Cambridge, unter anderem bei John Maynard Keynes. 1937 wanderte er dann in die USA aus. Im Jahr 1939 schrieb er sein erstes großes Werk The End of Economic Man. The Origins of Totalitarism. Und seine Karriere in den USA und weltweit nahm Gestalt an, als Hochschullehrer, Managementberater und Buchautor.

Er vermisste wohl auch die deutsche Sprache, deren rauen Akzent er in den USA merklich kultivierte. Als ich ihn eines Morgens in einem Düsseldorfer Hotel abhole, hat das Mädchen an der Rezeption eine Nachricht für ihn im Büro vergessen. Was man nicht im Kopf hat, das hat man in den Beinen, meint sie trocken und springt auf, den Brief zu holen. Peter amüsiert sich köstlich, ein wunderbares Sprichwort, das habe ich 60 Jahre nicht gehört. Und seine Augen glänzen.

siehe auch: Peter Drucker, der Große
siehe auch: Peter Drucker, der unprofessorale Professor

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Die Stanford University schafft Studiengebühren ab – für Arme

Kein feines Café, sondern eine Arbeitsecke der Stanford University. Photo by W. Stock, im Jahr 2005.

Die Stanford University muss man sich in etwa so vorstellen: das innovativste und kreativste Bildungsangebot der Welt, und dies in einer Umgebung, die an das süße Leben in den Tropen erinnert. Solch ein Luxus – edukativ als auch ambiental – hat natürlich seinen Preis. Die Universität, eine halbe Stunde südlich von San Francisco bei Palo Alto gelegen, ist nicht nur eine der schönsten und besten Universitäten der Welt, sondern zugleich auch eine der teuersten.

Ein Studium an dieser kalifornischen Elite-Schmiede ist wahrlich kein billiges Vergnügen. Über den Daumen gepeilt, muss man pro Jahr mit ca. 40.000 Dollar tuition fees, den Studiengebühren, rechnen. Dazu kommen noch etwa 20.000 Dollar für Unterkunft und Verpflegung. Da addieren sich während eines Studiums locker 200.000 Dollar.

All das ist nicht billig, jedoch überaus preiswert. Denn für das Geld erhält man eine erstklassige Gegenleistung. Stanford kann einiges vorweisen: Einen wunderschönen Campus mit allen Annehmlichkeiten. Dozenten, die sich oft nur um 4 oder 5 Studenten zu kümmern haben, 16 Nobelpreisträger als Professoren und Vorlesungssäle mit modernster Technik und eigenem Techniker. Und vor allem: Ein offenes und kreatives Miteinander auf dem Campus. Firmen wie Google, Yahoo oder SUN wurden hier von Studenten gegründet. Stanford muss den chronisch unterfinanzierten deutschen Hochschulen wie ein akademisches Schlaraffenland erscheinen.

Die Aufnahmeprüfung ist knallhart. Nur 15.000 Studenten sind in Stanford eingeschrieben, auf einem weitläufigen Campus, größer als eine Kleinstadt. Durch Studiengebühren, Spenden und Zuwendungen der Alumni, der Ehemaligen, haben die amerikanischen Universitäten ein Vermögen angehäuft, das für deutsche Ohren unvorstellbar klingt. Stanford beispielsweise besitzt ein Stiftungsvermögen von 18 Milliarden Dollar, das professionell verwaltet, in guten Jahren zweistellig wächst.

Ist das Studium an Stanford deshalb nur etwas für Super-Reiche? Eine Elite-Universität nur für die Elite? Mitnichten! Die Stanford University erlässt Studenten aus armen Familien die Studiengebühren inklusive Nebenkosten für das undergraduate-Studium. Das scheint mir eine verrückte Entwicklung: Die mittelmäßigen deutschen Universitäten beginnen zaghaft Studiengebühren zu verlangen, eine amerikanische Top-Uni schafft die Studiengebühren für wenig Betuchte ab. Neben solchen Freiplätzen gibt es übrigens ein durchdachtes Stipendienprogramm sowie Studienkredite.

Mir scheint ein anderer Umstand erwähnenswert. Nämlich wie Stanford den Begriff Bedürftigkeit bei den Gratisplätzen quantitativ fasst. Bei einem jährlichen Familieneinkommen der Eltern von unter 100.000 Dollar werden fortan keine Gebühren mehr fällig. 100.000 Dollar, das sind knapp 80.000 Euro, gelten für Stanford als Armutsgrenze. Mit 80.000 Euro gehört man in Deutschland zum wohlsituierten oberen Mittelstand. Auch daran mag man erkennen, wie weit Deutschland abgerutscht ist.

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