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Manuel Vázquez Montalbán kannte ich schon, als er hierzulande noch ein unbeschriebenes Blatt war. Andreu Claret Serra, der an der Plaça de Sant Jaume schräg gegenüber dem Palau de la Generalitat als Korrespondent von La Calle die katalanische Politik beobachtete, hatte mich ihm vorgestellt.

Das war 1978, und es war eine Zeit, wo es in Spanien hoch herging. Den General von Gottes Gnaden hatte man glücklich unter die Erde gebracht, Champagner floss, la transición, der Übergang zur Freiheit, wurde besungen, bejubelt. Aufbruchstimmung.

Besonders ein Intellektueller legt sich für die knospende Demokratie mächtig ins Zeug. Einen kleinen, dicken schnauzbärtigen Herrn mit Glatze, Manuel Vázquez Montalbán, kann man in Barcelona jeden Tag von Redaktion zu Redaktion eilen sehen.

Bei Triunfo liefert er eine bissige Satire ab, dem Chefredakteur des El Periódico knallt er eine Fussballkolumne auf den Tisch und in Interviú gibt er Avantgardistisches zum besten. Manuel Vázquez Montalbán, der Peter Pan des Journalismus, heißt es. Ein Geist, ein Phantom. Gibt es den Mann überhaupt?

Nun, es gibt ihn schon. In der Redaktion von La Calle treffen wir erstmals zusammen. Ich habe mir den spanischen Raymond Chandler etwas anders vorgestellt. Doch dieser schüchterne und zurückhaltende Katalane mit der Wampe des Genießers ist wirklich der Vater von Pepe Carvalho.

Pepe ist Phil Marlowes spanischer Bruder im Geiste. Privatdetektiv, Galicier, Ex-Kommunist, Ex-CIA-Agent, Zyniker, Gourmet. Eine explosive Mischung. Die Romane rund um Pepe Carvalho sind mehr als bloße Krimis, eigentlich sind sie die Chronik der transición Spaniens, des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie.

Die Kriminalromane entlarven die verlogene bürgerliche Scheinwelt der Franco-Jahre, sie beschreiben die Industrialisierung Kataloniens und handeln von den politischen Intrigen innerhalb der spanischen Linken.

Manolo saß während des Franquismus 1962 anderthalb Jahre im Gefängnis. Eine schlimme Zeit. Aber auch gute Monate. Gedichte habe er im Gefängnis verfasst, trotz aller Brutalität und Härte innerhalb dieser Gefängnismauern.

Der Kriminalroman, so Manolo, sei der realistische Roman par excellence. Da gäbe es den Guten, den Schnüffler, den Spitzbuben, die Gewalt, den Tod, das Tabu. Eine wunderbare Erzählform, um die Spannungen, die Hoffnung und auch die Enttäuschungen während der Demokratisierung aufzuzeigen.

Manuel Vázquez Montalbán, 1939 mitten drin in Barcelona, im Barrio Chino, geboren, hat mit Pepe Carvalho eine Figur geschaffen, die Spaniens Gesellschaft mit rasiermesserscharfer Beobachtung analysiert. Ein Sam Spade oder ein Philip Marlowe mögen im Vergleich dazu manchmal wie fromme Suppenmönche aussehen.

Wenn man das moderne Spanien begreifen möchte, dann sollte man die Krimis von Manolo lesen. Nirgends wird Sonnen- und Schattenseite des alten und neuen Barcelona so einprägsam eingefangen wie in diesen Romanen.

Im Oktober 2003 ist Manuel Vázquez Montalbán umgefallen, in der Abflughalle des Flughafens von Bangkok. Das Herz. Von einer Minute auf die andere hörte es auf zu schlagen, weit weg von seinem geliebten Barcelona.

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