Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Schlagwort: München

Wie geht es weiter mit der ‚Süddeutschen Zeitung‘?

Ein teures Vergnügen. Die Süddeutsche Zeitung. Foto: W. Stock, November 2022.

Neulich, am Bahnhof, komme ich an den Stummen Verkäufern vorbei, die dort schon immer stehen. Da ich etwas Zeit habe, schaue ich genau hin. Was kostet denn die Süddeutsche Zeitung in unseren Tagen?

Als ich den Aufdruck auf den Zeitungskästen sehe, fährt mir der Schreck in die Glieder. Genau 3,60 Euro wochentags, freitags, 3,90 € und am Samstag 4,90 Euro. Rechnen wir doch mal nach.

Vier Wochentag à 3,60 € macht 14,40 €. Plus die Freitagsausgabe für 3,90 € gleich 18,30 € plus die Samstagsausgabe à 4,90 €, dann komme ich zum Endpreis von 23,20 €. Pro Woche.

Macht im Monat

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Das Land, wo Milch und Gerste fließen

Der Fischbrunnen auf dem Marienplatz in München. Foto: W. Stock, 2022.

München boomt. Bayern ist Spitze. Alle zieht es in den Süden. Warum? Nicht nur wegen der Wiesn. Oder dem Bier. Oder den schönen Seen. Auch die Wirtschaft Bayerns geht in Deutschland vorne weg. Die meisten DAX-Unternehmen sitzen in München. Gleiches gilt für die modernen Branchen. Und für die schönen Künste ebenso. Es ist schon beängstigend.

Nicht Berlin, sondern München ist die Haupt-Stadt Deutschlands. Übrigens, auch für Buchverleger. Random House, Droemer, Piper, Beck, Hanser, Kunstmann, die wichtigen Literaturagenten – in München werden wohl mehr Bücher pro­duziert als im Rest der Republik zusammen. Vor so viel Erfolg bleibt einem die Spucke weg.

Was ist denn dran an München, aus welchem Grund will halb Deutschland in der Bayern-Metropole arbeiten? Bei den Bayern kann man bekanntlich am lebenden Ob­jekt beobachten, was übermässiger Alkohol­-Konsum und 70 Jahre ununterbrochener CSU-Herrschaft so alles anrichten können. Die Partei, die das schöne Bayern erfand. Es ist etwas dran an diesem imaginären Wahlkampf-Slogan.

Man lebt gerne in diesen Breiten und man genießt. Die schönsten Kirchen und Klöster findet man hierzulande, Gasthäuser sowieso. Im Kloster Andechs hat man beide praktischerweise gleich nebeneinander gebaut. Die Verweildauer zwischen Kirche und Biergarten liegt im Verhältnis 1 zu 20.

Die Bayern zeigen sich stolz auf ihr Land. Zurecht. Ihre Herrscher waren keine Absolutisten, die das Land ins Unglück gestürzt hätten. Sondern Schöngeister und Traumtänzer, fesche Männer mit Ecken und Kanten. Die königlichen Ludwigs – der erste fiel der Hochstaplerin Lola Montez, der zweite dem Schwachsinn anheim – werden genauso inbrünstig verehrt wie der neue Typus von Regent, der in Bits und Bytes denkt.

Nüchtern betrachtet ist Bayern in den letzten 50 Jah­ren von einem rückständigen Agrar­land direkt ins zukunftsträchtige Zeitalter von High Tech ge­sprungen. Die Etappe der rußgeschwärzten Hochindustrialisierung in Kohle und Stahl hat man durch glückliche Fügungen überspringen dürfen.

Laptop und Lederhose – dies geht für den knorrigen Bayern deshalb ohne Achselzucken zusammen, während anderenorts noch das Lamento über die Gefahren der neuen Technologien angestimmt wird und man in den Denk­mustern der Fabrikschlote hängen bleibt. Kein Wunder, dass besonders amerikanische High-Tech-Unternehmen München lieben. Google und Apple vornedran.

Die Firma aus Cupertino will den Standort in München weiter ausbauen, mit mehr als 2.000 Beschäftigten ist München schon heute Apples größter Entwicklungs­standort in Europa. Für Amerikaner – man höre und staune – sind die Mieten in München niedrig, ein Standortvorteil. Und die Lebensqualität hoch. Was will man mehr?

Die Staatsregierung unter Markus Söder mit ihrer klugen Ansiedlungspolitik umhegt jede internationale Firma. In der Staatskanzlei, auf dem Oktoberfest, bei Kunst und Kultur. In Bayern kämpfen die Förderungsgesellschaften, die Ministerien und jeder Bürgermeister um die Ansiedlung junger Start-ups. Im Norden der Republik ist den Regierenden die Wirtschaft häufig schnuppe, innerlich wird gefremdelt und abgelehnt.

Das schlaue Bayern weiß, dass Wohlstand durch diese Investitionen in das Alpenvorland kommen. Und Diversität. Es macht den Unterschied zwischen blumigen Fensterreden und gelebter Praxis aus. Die Bevölkerung zieht mit.

Trotz dieser modernen Infrastruktur ist der Bayer im Grunde

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B. Traven, alias Ret Marut, in Schwabing

In der Clemensstrasse in Schwabing findet Ret Marut Unterkunft. Foto: W. Stock, Mai 2021.

Die Clemensstrasse 84, ein viergeschossiges Haus mitten in München, ist die ehemalige Adresse eines Großen der deutschen Literatur. Auf dem dritten Stockwerk, in einer 3-Zimmer-Wohnung, hat der Schriftsteller Ret Marut von 1915 bis 1919 gewohnt und gearbeitet. Dieser rätselhafte Ret Marut, es ist ein Pseudonym, zeichnet in jenen Jahren als Verleger und Hauptautor einer sozial-radikalen Zeitschrift mit dem Titel Der Ziegelbrenner. Von Düsseldorf kommend hat sich Ret Marut, von Beruf Schauspieler und Autor, in der Clemensstrasse eingemietet.

Die Polizeidirektion München verfasst mit Datum 19. 11. 1917 ein Dossier über die suspekte Person: Marut, Ret, geb. 25. Februar 1882 in San Franzisko, amerikanischer Staatsangehöriger, Schauspieler, Schriftsteller, ist seit 3. 7. 1917 hier im Aufenthalt und z. Zt. Clemensstrasse 84/3, in Wohnung gemeldet. Was die Polizei allerdings nicht weiß: Der Name ist falsch, die Nationalität ebenfalls, der Geburtsort ist frei erfunden. So gut wie alle Angaben, die Ret Marut den Behörden mitteilt, sind geschwindelt und gelogen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Clemens84-681x1024.jpg

Clemensstrasse 84 in München-Schwabing. Foto: W. Stock, Mai 2021.

An Ret Marut erinnert heute eine Gedenktafel am Wohnhaus in der Clemensstraße 84 in Schwabing. Seine Stieftochter Malú Montes de Oca Luján ist im Mai 2019 eigens zur Enthüllung aus Mexiko nach Deutschland gekommen, tatkräftig unterstützt von der Internationalen B. Traven Gesellschaft. Es ist vor allem das Verdienst der beiden Stieftöchter und deren Ehemänner, die in Vorträgen und auf Internet-Portalen das Andenken an den Schriftsteller wach halten. 

In der Parallelstrasse, der Herzogstrasse mit der Hausnummer 45, wohnt in jenen Jahren Irene Mermet, Maruts Lebensgefährtin und zugleich seine Verlegerin. Das Haus gibt es nicht mehr, es wurde schon vor Jahrzehnten abgerissen. Als Tochter eines Kölner Kohlehändlers besitzt Irene Mermet finanzielle Mittel, mit deren Hilfe sie die Publikationen ihres Freundes unterstützt. 

Nach Kriegsende und Proklamation der Münchner Räterepublik am 7. April 1919 arbeitet Ret Marut als

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Die neuen Zeitungen: Blogs

Aus den deutschen Medienhäusern kommen nur noch schlimme Nachrichten: Die Auflagen von Zeitungen und Zeitschriften rauschen weiterhin rasant in den Keller. Die BILD, mit über 5 Millionen Auflage einst Westeuropas größte Tageszeitung, geht stramm auf die letzte Million Verkaufte pro Tag zu. DER SPIEGEL und stern, früher meinungsbildend und Millionen-Seller, liegen schon lange unter der siebenstelligen Marke.

In der Medienlandschaft müssen wir uns von einem Attribut definitiv verabschieden: groß. Groß gibt es nicht mehr, groß war gestern. Nur noch eine Handvoll Magazine verkauft mehr als eine Million Exemplare, es sind meist TV-Zeitschriften. Mit dem Verschwinden von groß, verschwindet allerdings auch die Wichtigkeit und Stellenwert. Und weil der traditionelle Journalismus so unter Druck steht, ist ihm auch alle Leichtigkeit abhanden gekommen. Den Artikeln in den Zeitungen und Magazine merkt man oft eine Bitternis und Biestigkeit an, die wohl Ausdruck einer tieferliegenden Hilflosigkeit sind.

Was ist passiert? Das Internat, natürlich. Die Online-Möglichkeiten – schnell, kostengünstig und ohne Gatekeeper – haben Print kräftig durchgerüttelt. Fussballergebnisse kriege ich in Echtzeit, inklusive Live-Tabelle und Analyse, da brauche ich nicht bis zum nächsten Morgen zu warten. Wenn ich wissen will, was in Köln oder Bremen passiert, dann lese ich ein Online-Medium von dort. Online ist ein dem Print weit überlegenes Modell, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Wohin wird das alles führen? Wenn Online auch das traditionelle Verlegen ins Straucheln gebracht hat, so haben sich gleichzeitig neue Möglichkeiten eröffnet. Das neue Groß heißt Klein. In einer Mischung aus Disruption und Segmentierung sind neue Publikationsformen entstanden, die spannend sind. Die unbeweglichen Verlage haben durch Klein neue Konkurrenz bekommen, die Leichtigkeit des Journalismus ist nun woanders zu finden. Bei den Blogs beispielsweise.

Geben Sie mal bei Google München und Blog ein. Und Sie erhalten die bunte Lebendigkeit einer Metropole vor Augen geführt. Dutzende von lokalen Blogs buhlen um die Aufmerksamkeit des Lesers. Der Isarblog beispielsweise schreibt über Gastronomie, Kunst und die Stadtviertel, mit einer Nähe zum Sujet, das den Zeitungen aufgrund von Stellenabbau und Etatkürzungen verloren gegangen ist. Auch Living4Taste schreibt über Genuss und Lifestyle in München, dahinter steht allerdings kein großer Verlag, sondern die Leidenschaft einer Person.

Wer einen guten Blog mit einem scharfen Fokus betreibt, der ist neuer Verleger. Blogs besitzen zwar häufig eine kleine Zielgruppe, die – wenn die Blogs mit Tatkraft und Herzblut gemacht sind – allerdings gedeihlich ausgeschöpft werden kann. Und weil die Leidenschaft der Blogs den traditionellen Verlagen durch Hybris und Krisen meist abhanden gekommen ist, sind gute Blogger unsere neuen Verleger.

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Gottfried Heller ist very bullish

München, im September 2010

Ein Treffen mit meinem alten Autor Gottfried Heller. Alt nicht im Sinne der Jahre, denn 75 ist ja heute kein Alter für einen Mann. Nein, nein, alt im Sinne von Wissen und Erfahrung. Denn in der Tat gibt es in Deutschland nur ganz wenige, die sich rund um Aktien und Börse so auskennen wie der Altmeister aus München.

Mit dem bekannten Fondsmanager und Vermögensverwalter habe ich vor 20 Jahren das Buch Die Wohlstandsrevolution – Erfolgsstrategien für Unternehmer und Anleger in den 90er Jahren gemacht, und in dem dicken Werk haben wir bei einem zweistündigen Schweinsbraten im Spatenbräu spaßeshalber nochmals geblättert. Es liest sich passagenweise wie ein Buch von heute.

Die Weitsicht von Gottfried Heller in Die Wohlstandsrevolution ist beeindruckend. Die Eurokrise hat er schon gesehen, als es den Euro noch nicht gab, das Schlawiner-Land Griechenland, die lange Depression Japans, die Neupositionierung Deutschlands, der Aufstieg der Emerging Markets, alles wurde angesprochen in Hellers Buch, alles richtig vorhergesehen.

Gottfried Heller zeichnet ein klarer Blick auf den Markt aus und ein fester Denkrahmen. Dazu kommen die kluge Analyse und die jahrzehntelange Erfahrung. Deshalb ist er auch ein gefragter Gesprächspartner in den Zeitungen und dem Fernsehen.

Und er ist keiner, der sich blenden lässt. Nicht vom volatilen Technologie-Geschäft, nicht von heißer Luft um Banken oder dem Chromglitzer der Autos. Als Anleger handelt er konservativ im guten Sinne, er lässt sich nicht nervös machen oder von seiner Linie abbringen. The average investor is his own worst enemy, das hat er in seinen langen Jahren in New York verinnerlicht, der schlimmste Gegner des Investors ist der Investor selbst. Weil er oft nervös und sprunghaft reagiert. Das sind dann die zittrigen Hände, von denen sein Freund André Kostolany einst sprach.

Wie sieht er den Markt in diesen Tagen, genau zwei Jahre nach der Lehman-Pleite? Gottfried Heller ist – wenn wundert’s – zuversichtlich. Es gebe kein besseres Invest als an der Börse. Man müsse allerdings den Anlagehorizont betrachten. Bei 10 oder 15 Jahren seien immer noch gute 10 Prozent Renditen per anno machbar. Insofern komme es beim Aktieninvest auf time und nicht so sehr auf timing an.

Er bleibe Optimist. Alles spricht für einen Aufschwung an den Börsen. Die Psychologie, die Markttechnik, die Tatsache, dass die Masse noch nicht investiert sei, das überaus günstige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10, das ja im historischen Schnitt bei 16 liegt. Und in den Zeiten des Hype um die Jahrtausendwende bei über 30. Auch die niedrigen Kreditzinsen helfen, nämlich den Unternehmen bei der Expansion und dabei helfen sie auch den Aktien.

Heller schwört auf Dividendentitel. Bei einem guten Stock-Picking seien da doch allein über 5 Prozent Ausschüttung drin. Das ist doch ein Vielfaches mehr als die mickrigen Nullkommaetwas beim Festgeld oder die mageren 2,5 Prozent bei den Anleihen. Er bleibt also bullish, der Gottfried Heller, very bullish.

Ob er eine Lieblingsaktie habe, einen DAX-Wert, wo alles stimmt und man nichts verkehrt machen kann? Gottfried Heller legt die Stirn in Falten und denkt kurz nach. Ein Versorger. Ein ganz stabiles, hoch lukratives Geschäft. Eon und RWE. Da will man Gottfried Heller nicht widersprechen. Versorger. Der nächste Winter kommt bestimmt.

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