Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Kategorie: Ernest Hemingway Seite 5 von 6

Hemingways „La Finca Vigía“

San Francisco de Paula/Kuba, im April 1983; Photo by W. Stock

Eine halbe Autostunde von Havanna entfernt hat Ernest Hemingway über zwanzig gute Jahre gelebt. In dem Nest San Francisco de Paula war er weit weg vom oberflächlichen Leben der Intellektuellen in New York, von dem Partygegacker in London und dem aufgeblasenem Getue seiner Altersgenossen in den literarischen Salons von Paris.

Wenn man die Landstrasse hinter San Francisco de Paula nach links abbiegt, so erhebt sich auf einem Hügel hinter dichtem Waldgestrüpp ein milchweißes Landhaus. Auf Finca Vigía war Ernest Hemingway der Natur nahe. Ich empfinde eine große Zärtlichkeit und Bewunderung für die Erde und keine Spur davon für meine Generation.

Martha Gellhorn, seine Ehefrau Numero drei, hatte La Vigia ausfindig gemacht, und 1939 war das Paar zur Miete eingezogen. Später kaufte der Dichter die Finca für 18.500 kubanische Pesos. In La Vigia verbrachte Hemingway das letzte Drittel seines turbulenten Lebens, es sollten heitere und angenehme Jahre werden.

Aus seiner besten Manneszeit heraus, kapselte sich Hemingway mehr und mehr von der Welt ab. Aus dem Abenteurer wurde ein Familienmensch, der mit seinen Söhnen gerne auf dem türkisblauen Wasser der Karibik segelte.

Von 1939 bis 1960 lebte Hemingway in der eingeschossigen Finca La Vigia, die im 19. Jahrhundert als spanische Zitadelle erbaut worden war. Hinter dem Wald aus Caña-Bäumen und durch eine üppige Vegetation aus Palmen, Avocadobäumen, grünen Farnsträuchern und Bougainvilleen befindet sich das flache Herrenhaus mit dem aufrechten Turmbau.

Im Wohnzimmer hängt das imposante Stierkampfposter Roberto Domingos an der weißen Wand, daneben zwei Hirschgeweihe. In der Ecke steht eine Zeitschriftenbox mit vergilbten Newsweek– und Spectator-Ausgaben. Whisky- und Ginflaschen, Campari, Tequila und Tom Collins recken auf dem Wohnzimmertisch die Hälse.

Der Stil des Hauses verbindet lässig karibische Lebensfreude mit amerikanischer Weltläufigkeit. Der Tisch inmitten des Esszimmers ist mit Tellern und Gläsern fertig gedeckt. So, als erwarte man jeden Augenblick die Rückkehr des Hausherrn. Verlassen steht auf dem kargen Bücherbord im Schlafzimmer eine schwarze, verrostete Royal-Reiseschreibmaschine. Sein ehemaliger Benutzer bevorzugte im Stehen, aufrecht, zu schreiben. Autoren sollten stehend an einem Pult schreiben, meint er, dann würden ihnen ganz von selbst kurze Sätze einfallen.

Dem Haus angeschlossen ist der dreistöckiger Turm. Er war 1947 angebaut worden, damit der Autor dort in aller Ruhe Schreiben konnte. Ich lebe gerne hier, pries Hemingway in einem Holiday-Artikel 1949 sein kubanisches Refugium, weil ich im frischen Morgenklima besser und bequemer schreibe und weil man hinter die Telefonklingel ein Stückchen Papier klemmen kann.

Auf Kuba suchte er Harmonie und Ruhe. Hier schloß er Frieden mit seiner Kühnheit und der Virilität des Lebens, hier war er ein Mensch in Shorts und ohne grosses Brimborium, hier war er der Vater der Kinder und der Mann der Frau. Hier war Ernest Hemingway nicht der gefeierte Autor, auch nicht der Nobelpreisträger, sondern der Mann, den man Papa rief und den die Bewohner schlicht und einfach Don Ernesto nennen.

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unschuldige Wörter

Hemingway Lounge in Wiesbaden; Photo by W. Stock

All my life I’ve looked at words as though I were seeing them for the first time.
Mein ganzes Leben lang habe ich Wörter bestaunt, so als ob ich sie das erste Mal sehen würde.

Ernest Hemingway

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Rum Hemingway

Photo by W. Stock

An intelligent man is sometimes forced to be drunk to spend time with his fools.
Ab und an ist ein kluger Mann gezwungen, sich zu betrinken, damit er es bei den Dummköpfen aushält.
Ernest Hemingway

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Hier war Hemingway gewesen

Hotel Hemingway, gefunden in Caorle/Italien, im September 2005; Photo by W. Stock

Dieser Ernest Hemingway hat Spuren hinterlassen. Ohne Zweifel literarische Spuren, er hat aber auch Spuren hinterlassen in den zahlreichen Städten und Orten, die er besucht hat.

Museen sind für ihn eingerichtet worden, Stiftungen wurden gegründet, Zeitschriften mit seinem Namen werden verlegt, Kofferkollektionen, Schuhe und Füllfederhalter wurden nach ihm benannt, ein Hemingway-look-alike-Contest ist jedes Jahr in Florida ein Schenkelklopfer, Strassen tragen seinen Namen. Auch Schulen, Hotels, Angelwettbewerbe, Yachthäfen heißen so wie er. Bars und Kneipen sowieso.

Und Ernest Hemingway hielt sich mit Vorliebe dort auf, wo es etwas zu erleben gab: an der Frontlinie des Ersten Weltkriegs, im Spanischen Bürgerkrieg, im Paris, als die deutschen Besatzer verjagt wurden, in den Steppen Afrikas, bei Castros kubanischer Revolution.

Hemingway ging raus, dort hin, wo sich das Leben zutrug. Als Autor war er das schiere Gegenteil eines Schreibtischtäters. Du kannst eine Sache nicht richtig begreifen, wenn du sie nicht mit eigenen Augen gesehen hast, meinte er – und er musste die Welt mit eigenen Augen sehen.

Es gibt wohl keinen anderen Schriftsteller weltweit, der sich so ins öffentliche Bewußtsein hineingebohrt hat wie er. Einfache Leute, die sonst nie ein Buch in die Hand nehmen, haben seine Geschichten gelesen, weil sie sich darin wiederfinden. Es lässt sich wohl weit und breit kein Schriftsteller aufspüren, der sich so einprägsam in den Hirnen und Herzen der Menschen verewigt hat wie dieser bärtige Ernest Hemingway aus Oak Park, Illinois.

Oder Hand auf Herz: Ist ein Thomas Mann-Ähnlichkeits-Wettbewerb in Lübeck vorstellbar? Lächerlich! Ein Angelwettbewerb, der sich nach Goethe nennt? Ein schlechter Witz! Eine Kneipe, die man Annette von Droste-Hülshoff tauft? Hirnverbrannt! Nein, nein, all dies ist unvorstellbar, selbst bei lebhaftester Phantasie nicht von dieser Welt. Doch bei Hemingway ist alles möglich: kurioses, rummeliges, seriöses, literarisches.

Manchmal wird die Verehrung des Autors leicht übertrieben, mag sein, nach dem Kneipenmotto: Auf diese Treppenstufen hat Ernest Hemingway am 7. Juli 1934 gekotzt. Doch dann schlägt das Pendel ein wenig zurück. So ist mir auch schon einmal in einem Bistro das Schild Hier war Hemingway nie gewesen zu Augen gekommen.

Wie dem auch sei, Ernest Hemingway bleibt im Gespräch. Nicht schlecht für einen Mann, der seit fast 50 Jahren tot ist. Denn all das wird getragen von der Zuneigung der Menschen zu diesem amerikanischen Schriftsteller, der wie kein zweiter die Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts zu Papier brachte. Und der als Autor mitten im Leben stand.

Bitte besuchen Sie zum Thema Ernest Hemingway mein neues Blog Hemingways Welt.

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Boxkampf der Bärtigen

I’m not going to get into the ring with Tolstoy.

Ich werde nicht gegen Tolstoi in den Ring steigen.

Ernest Hemingway

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Wahrhaftigkeit

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All good books have one thing in common – they are truer than if they had really happened.

Alle guten Bücher haben eines gemeinsam:  Sie enthalten mehr Wahrheit als wenn sie wirklich geschehen wären.

Ernest Hemingway

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Freund

There is no friend as loyal as a book.
Es gibt keinen Freund, der so loyal ist wie ein Buch.

Ernest Hemingway

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Paris – ein Fest fürs Leben

Photo by W. Stock

If you are lucky enough to have lived in Paris as a young man, then wherever you go for the rest of your life, it stays with you, for Paris is a moveable feast.

Wenn du soviel Glück hattest, als junger Mensch in Paris zu leben, dann trägst du die Stadt den Rest deines Lebens in dir, wohin du auch gehen magst, denn Paris ist ein Fest fürs Leben.

Ernest Hemingway, 1950

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Hemingway schreibt

Photo by. W. Stock

Photo by W. Stock

For a long time now I have tried simply to write the best I can. Sometimes I have good luck and write better than I can.

Eine ziemliche Zeit lang habe ich nun versucht, so gut zu schreiben wie ich nur kann. Manchmal habe ich großes Glück und schreibe besser als ich kann.

Ernest Hemingway

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Gregorio Fuentes ist Hemingways Kapitän

Photo by W. Stock

Photo by W. Stock

Cojímar/Kuba, im April 1983

Wer sich denn in Sachen Hemingway am besten auskenne, frage ich den Wirt der Hafenkneipe in Cojimar, nachdem ich den Teller Linsen, das einzige Gericht des Lokals, aufgegessen habe. Hemingway?, hebt dieser fragend die Augenbraue. Don Ernesto, sage ich. Ja, sagt der korpulente Wirt, dann gehen Sie am besten zu Gregorio, der wohnt oben im Dorf.

Ich gehe zu Gregorio. In Sachen Hemingway ist Gregorio Fuentes in der Tat die beste Adresse in Cojímar. Der rüstige Gregorio wohnt mit seiner Frau in einem kleinen, blaugestrichnene Häuschen oberhalb der Dorfstraße. Den Gallego, den Galizier, nennen sie Gregorio in Cojímar, weil seine Vorfahren aus dem nordspanischen Galizien stammen. Übrigens wie Fidel Castros Vater, der aus Lugo eingewandert ist.

Gregorio Fuentes trägt eine einfache Leinenhose und ein weißes Guayabera-Hemd, das man nicht in die Hose zu stecken braucht. Gregorio ist in Cojímar eine Berühmtheit. Von 1938 bis zu Hemingways Tod war er der Kapitän der Pilar. Eigens für den Schriftsteller war das Motorboot 1936 gebaut worden, und oft fuhren die drei – Gregorio, Hemingway und Ehefrau Mary Welsh – zur Fischjagd in den Golfstrom.

Der hagere Gregorio nannte seinen berühmten Chef Papa, wie alle Freunde, er ihn jovial Viejo, meinen Alter. Und nun hat er, der Viejo, seinen Papa, der sogar ganze elf Tage jünger war, schon Jahrzehnte überlebt. Die Fischer aus Hemingways Romanen tragen unverkennbare Züge von Gregorio und Carlos Guttiérez, dem ersten Kapitän der Pilar. Gregorio ist der Antonio in Inseln im Strom, und in The Great Blue River lässt Hemingway seinen Gregorio, als ein kapitaler Fang an der Leine zappelt, in dessen breitem kubanischen Akzent brüllen: Feesh, Papa, feesh.

Gregorio erinnert sich. „Eigentlich kannte ich Papa schon seit 1931. Später holte er mich als seinen Kapitän“, sagt der wettergegerbte Gregorio, dem seine Havanna ins Gesicht gewachsen zu sein scheint. „Morgens um acht ging es raus, bei Einbruch der Dunkelheit zurück. Oft drei Tage hintereinander. Das brauchte er. Um seine Gedanken freizumachen.“

Auf einer dieser Angeltouren, da trafen sie auf ein Boot mit einem alten Mann und einem Kind, beide aus Pinar del Rio, die schon tagelang nichts mehr gefangen hatten. Papa machte sich ein paar Notizen in sein Moleskine-Büchlein. Dann schrieb er auf der Finca Vigía das Buch. So einfach war das.

Gregorio kramt aus seiner Schublade einige vergilbte Fotos. Sie zeigen ihn und Hemingway auf dem Boot, im Hafen. Wie war Hemingways Charakter, frage ich, sprunghaft? „Überhaupt nicht. Immer fröhlich, immer geradeaus. Der Kopfschuss aber hat mich nicht überrascht. Er war sehr schlecht dran. Ich auch“, sagt Gregorio, während er auf seiner La Gloria Cubana herumkaut.

„Es waren die Tage der Söldnerinvasion in der Schweinebucht.“ Eine schreckliche Zeit. Und einige Wochen nach Papas Tod sei der Comandante persönlich hier nach Cojímar in sein Haus gekommen und Fidel Castro habe ihm befohlen, Gregorio, jetzt musst du auf die Pilar acht geben. Er habe sie wie einen Schatz gehütet, bis sie dann damals im Museum gelandet sei.

Als wir uns von Gregorio verabschieden wollen, packt mich der Greis mit festem Griff am Handgelenk. „Hemingway war gut zu Kuba, sag das deinen Lesern.“ Ich gehe nochmals zum Wirt in die Hafenkneipe, kaufe ein paar Zigarren und bringe sie dem alten Gregorio vorbei.

Gregorio Fuentes ist im Januar 2002 gestorben, im Alter von 104 Jahren. Der alte Mann und das Meer hat er nie gelesen.

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