Ein Gespräch über Griechenland mit Börsen-Legende Gottfried Heller im Münchner Literaturhaus, wo wir bei einem wohligen Mittagessen die fünfte Auflage seines Longsellers Der einfache Weg zum Wohlstand ein wenig feiern.
Wolfgang Stock: Wie hoch schätzen Sie die Möglichkeit eines Grexit, des Austritts von Griechenland aus der Euro-Zone?
Gottfried Heller: Ich sehe die Wahrscheinlichkeit eines Grexit bei etwa 60 bis 65 Prozent. Denn das Land ist finanziell ein Fass ohne Boden. Im Grunde genommen ist Griechenland ein failed state, ein gescheiterter Staat, der seine grundlegenden Funktionen nicht erfüllen kann. Man muss das leider feststellen. Es funktioniert wenig in Griechenland: Der Arbeitsmarkt ist zubetoniert, die Steuereintreibung klappt nicht, das Gesundheitswesen liegt am Boden. Bürokratie und Korruption prägen die Verwaltung. Ewig wird Euro-Europa diese Misswirtschaft nicht alimentieren wollen.
Stock: Aber Europa ist noch immer für einen faulen Kompromiss gut. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit eines Grexit eher auf 40 Prozent.
Heller: Aber wenn beispielsweise einem Schuldenschnitt für Griechenland nachgegeben wird, dann kommt alles ins Rutschen. Dann wird in Spanien die radikale Podemos das gleiche fordern und Frau Le Pen wird in Frankreich noch weiter Auftrieb bekommen. Es kann nicht sein, dass in Europa ein Land alle Regeln ignoriert und sich von anderen finanzieren lässt.
Stock: Aber Angela Merkel ist eine risikoscheue Politikerin. Ob sie den Mut für einen solchen Einschnitt wie den Grexit aufbringt?
Heller: Risikoscheu ist Frau Merkel sicherlich. Aber sie ist auch klug. So war es ein genialer Schachzug von ihr, nun