Reisen & Begegnungen

Kategorie: Wirtschaft

Lee Iacocca, der fischende Automann

Gravenbruch, den 14. September 1989; Foto by Hasso von Bülow

Der Mann wird bewacht wie ein Staatspräsident. Gerade hat mich der breitschultrige Bodyguard prüfenden Blickes gemustert, beiläufig genickt, seine ausgebeulte Achselpartie stramm gezogen und mich kurz durchgewinkt. Etwas unsicher biege ich um die Ecke und gehe auf ihn zu. Der berühmteste Manager der Welt lächelt mich an.

Der US-Amerikaner Lee Iacocca ist nicht zuletzt deshalb einer der bekanntesten Manager, weil er als erster ein Spitzengehalt von über 20 Millionen Dollar eingestrichen hat. Er ist zudem ein begnadeter Verkäufer. Aber mehr als das. Er ist ein sympathischer Entertainer, eine legendäre Führungskraft und ein erfolgreicher Bestsellerautor.

This is Doctor Stock from ECON Publishers, stellt mich sein Referent, der dann von seiner Seite weicht, vor. Nice to meet you, Doctor Stock, strahlt mich der Auto-Manager an. Man merkt, hier redet ein Mensch, der Menschen mag.

Der größte Erfolg von Lido Anthony Iacocca, den alle Welt kurz Lee nennt, beginnt mit einer unerwarteten Niederlage. Henry Ford II hat ihn 1978 als President von FORD rausgeschmissen. Einfach so, ohne Vorwarnung, ohne Grund. Ihn, den erfolgsverwöhnten Lee, der seit den frühen 50er Jahren für FORD gearbeitet hat.

Im Jahr seines Rauswurfs hat Lee Iacocca den Aktionären und der Familie Ford einen Firmengewinn von 2 Milliarden Dollar auf den Tisch gelegt, die Bilanz strahlte wie der Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller Center. Es war verrückt.

Aber vielleicht war Iacocca zu erfolgreich. Lee, hat Henry Ford zu Iacocca gesagt und ihn im Garten vor dem Firmengebäude in Detroit zur Seite genommen, schauen Sie einmal nach oben. Und deutet auf das Dach der Konzernzentrale mit dem wuchtigen FORD-Schriftzug. Welcher Name steht da? Und Lee hat verstanden.

Er geht dann als Chairman zu Chrysler, arbeitet für einen symbolischen Dollar und rettet den maroden Autobauer, der kurz vor der Pleite steht. Bei Chrysler hat er die Marketing-Idee des Jahrzehnts: Er tritt in den TV-Werbespots für den Dodge und den Plymouth persönlich auf. Ähnlich wie der Verkäufer einer Filiale. Die Botschaft ist klar: Iacocca verbürgt sich für dieses Auto, er steht mit seinem guten Namen und seiner Person für diesen Konzern. The pride is back.

Thanks for all your help meint er bei unserem Treffen in Gravenbruch, so als sei ich nicht ein kleiner Lektor, sondern seine wichtigste Stütze. I appreciate your help. Und zum Abschied ruft er mir nach: Best wishes. Und lächelt. Lee ist ein Automanager. Aber noch mehr ein Menschenfischer, einer der besten Menschenfischer überhaupt.

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Gottfried Heller ist very bullish

München, im September 2010

Ein Treffen mit meinem alten Autor Gottfried Heller. Alt nicht im Sinne der Jahre, denn 75 ist ja heute kein Alter für einen Mann. Nein, nein, alt im Sinne von Wissen und Erfahrung. Denn in der Tat gibt es in Deutschland nur ganz wenige, die sich rund um Aktien und Börse so auskennen wie der Altmeister aus München.

Mit dem bekannten Fondsmanager und Vermögensverwalter habe ich vor 20 Jahren das Buch Die Wohlstandsrevolution – Erfolgsstrategien für Unternehmer und Anleger in den 90er Jahren gemacht, und in dem dicken Werk haben wir bei einem zweistündigen Schweinsbraten im Spatenbräu spaßeshalber nochmals geblättert. Es liest sich passagenweise wie ein Buch von heute.

Die Weitsicht von Gottfried Heller in Die Wohlstandsrevolution ist beeindruckend. Die Eurokrise hat er schon gesehen, als es den Euro noch nicht gab, das Schlawiner-Land Griechenland, die lange Depression Japans, die Neupositionierung Deutschlands, der Aufstieg der Emerging Markets, alles wurde angesprochen in Hellers Buch, alles richtig vorhergesehen.

Gottfried Heller zeichnet ein klarer Blick auf den Markt aus und ein fester Denkrahmen. Dazu kommen die kluge Analyse und die jahrzehntelange Erfahrung. Deshalb ist er auch ein gefragter Gesprächspartner in den Zeitungen und dem Fernsehen.

Und er ist keiner, der sich blenden lässt. Nicht vom volatilen Technologie-Geschäft, nicht von heißer Luft um Banken oder dem Chromglitzer der Autos. Als Anleger handelt er konservativ im guten Sinne, er lässt sich nicht nervös machen oder von seiner Linie abbringen. The average investor is his own worst enemy, das hat er in seinen langen Jahren in New York verinnerlicht, der schlimmste Gegner des Investors ist der Investor selbst. Weil er oft nervös und sprunghaft reagiert. Das sind dann die zittrigen Hände, von denen sein Freund André Kostolany einst sprach.

Wie sieht er den Markt in diesen Tagen, genau zwei Jahre nach der Lehman-Pleite? Gottfried Heller ist – wenn wundert’s – zuversichtlich. Es gebe kein besseres Invest als an der Börse. Man müsse allerdings den Anlagehorizont betrachten. Bei 10 oder 15 Jahren seien immer noch gute 10 Prozent Renditen per anno machbar. Insofern komme es beim Aktieninvest auf time und nicht so sehr auf timing an.

Er bleibe Optimist. Alles spricht für einen Aufschwung an den Börsen. Die Psychologie, die Markttechnik, die Tatsache, dass die Masse noch nicht investiert sei, das überaus günstige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10, das ja im historischen Schnitt bei 16 liegt. Und in den Zeiten des Hype um die Jahrtausendwende bei über 30. Auch die niedrigen Kreditzinsen helfen, nämlich den Unternehmen bei der Expansion und dabei helfen sie auch den Aktien.

Heller schwört auf Dividendentitel. Bei einem guten Stock-Picking seien da doch allein über 5 Prozent Ausschüttung drin. Das ist doch ein Vielfaches mehr als die mickrigen Nullkommaetwas beim Festgeld oder die mageren 2,5 Prozent bei den Anleihen. Er bleibt also bullish, der Gottfried Heller, very bullish.

Ob er eine Lieblingsaktie habe, einen DAX-Wert, wo alles stimmt und man nichts verkehrt machen kann? Gottfried Heller legt die Stirn in Falten und denkt kurz nach. Ein Versorger. Ein ganz stabiles, hoch lukratives Geschäft. Eon und RWE. Da will man Gottfried Heller nicht widersprechen. Versorger. Der nächste Winter kommt bestimmt.

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Johannes Gross, der Aphoristiker der Überlegenheit

Johannes Gross

mit Johannes Gross in Köln, den 3. Dezember 1993;  Foto by Hasso von Bülow

Johannes Gross, dies sollte man als Autor eigentlich nicht zu laut sagen, ist schreiberisch ein Vorbild. Eigentlich sollte man solch einen Satz schnell wieder vergessen, denn man legt die Latte für Eigenes viel zu hoch. Man kann noch so viel trainieren, man wird die Latte stets reißen.

Der kleine Westerwälder mit der Denkerstirn war ein Mann, der einen unglaublichen sprachlichen Reichtum besaß und einige andere Eigenschaften, auf die man als Journalist stolz sein darf: Er war unabhängig, er hatte keine Furcht vor den Mächtigen, er war hellwach, witzig auf die intelligente Art, er hatte Esprit.

Johannes Gross muß als ein homme de lettres umschrieben werden, er beherrschte die feine politische Ironie ebenso wie den philosophischen Diskurs, er war stilsicher, hochbelesen, und er war – heute würde man sagen – politisch inkorrekt.

Er schrieb Sentenzen mit Biss, hintersinnige Aperçus, Bonmots mit Esprit. Er veröffentlichte seine wöchentlichen Tagebuchnotizen im FAZ-Magazin und jedes Mal waren seine Anmerkungen ein Schmaus für alle Hirnzellen, die das Arbeiten noch nicht aufgegeben hatten. Johannes Gross erreichte eine stilistische Fertigkeit, die in seinen Tagen sonst niemand erreichte. Seine Anmerkungen fielen so herrlich aus dem Zeitgeist heraus, und es war diese störrische Unangepassheit, dieses arrogante Besserwissen, das für Lesefreude sorgte.

Protest ist heute eine der bemerkenswertesten Formen der Anpassung. Das ist so ein überlegener Johannes-Gross-Satz aus seinen Tagebüchern. Touché. Ein Stich im Luftpolster des aufgeplusterten Zeitgeistes. Dampfplauderer, Schablonendenker, Flachwasserschwimmer – all sie bekammen von Johannes Gross ein gepfeffertes Bonmot entgegen geschleudert.

Vielen galt er als eitler Pfau. Vielleicht war er das, aber es war nur der eine Teil von ihm. Das war eher sein Panzer. Arroganz, so hätte er wohl formuliert, ist der Schutz vor dem Mittelmäßigen. Und eigentlich war es ja auch keine Arroganz, es war Überlegenheit.

Der andere Teil von Johannes Gross kam zu vorschein, wenn man sein Interesse geweckt hatte. Dann wurde der öffentlich zelebrierte Zynismus plötzlich abgelöst von intellektueller Neugier. Da zeigte er sich wißbegierig, als ein aufmerksamer Zuhörer, als Anekdotensammler.

Darüber hinaus blieb er in seinen privaten Momenten ein ganz normaler Mensch: Er mochte seine Familie, die gepflegte Konversation, gutes Essen, er trank gerne einen Rotwein, er tanzte, er liebte Frankreich, er wußte das Leben zu genießen.

Im September 1999 ist er in Köln gestorben. Ein solcher Mensch fehlt uns heute. Kein Publizist vermochte in seine Fußstapfen zu treten. Die Fußstapfen sind einfach zu groß. Viel zu groß!

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Der seltsame Jürgen W.

Düsseldorf, im Mai 1992; Photo by Hasso von Bülow

Ein merkwürdiger Mensch, dachte ich, als ich Jürgen Wilhelm Möllemann näher kennen lernte. Auf der Mattscheibe erschien er oft wie ein Dampfplauderer, doch wenn man mit ihm persönlich – auch über Wirtschaft – sprach, so zeigte er sich überaus kenntnisreich.

Nicht erst als Möllemann im Januar 1991 im Kabinett Helmut Kohl zum Wirtschaftsminister ernannt wurde, prasselte viel Spott und Häme auf das Haupt des Freidemokraten. Dünnbrettbohrer, Dilettant, Meister Mümmelmann – dem gelernten Hauptschullehrer wurde einiges an Unflat nachgerufen.

Doch ECON-Verleger Hero Kind und mir gefiel, was Minister Möllemann in den ersten Wochen ordnungspolitisch und an neuen Ideen von sich gab. Deshalb bemühten wir uns, ihn als Buchautor für den Verlag zu gewinnen.

Möllemann hatte den Ruf eines politischen Hallodris, der breiten Öffentlichkeit galt er als Hans Dampf in allen Gassen. Als wir jedoch in der Umgebung des neuen Bundesministers nachfragten, da hörten wir nur Lob. Der neue Minister sei fleißig, er lese Akten, arbeite sich in die Materie ein, er könne zuhören, er sei sachkundig und wirtschaftspolitisch klar im Denken.

In jenen Jahren traf ich Möllemann zwei, dreimal, meist in seinem Bonner Ministerium. Auf mich wirkte er stets sympathisch, offen, engagiert, voller Humor und Selbstironie. Im Mai 1992 kam er zum ECON Zukunftstag auf die Düsseldorfer Messe und hielt vor 500 Managern eine bemerkenswert gute Rede. Anschließend beantwortete er die Fragen des Publikums charmant und gekonnt.

Unser gemeinsames Buchprojekt machte gute Fortschritte. Das Konzept stand, alle Verträge unter Dach und Fach, ein erstklassiger Ghostwriter gefunden, und am Manuskript wurde schon fleißig gearbeitet. Auf allen Seiten waren schon Stunden und Tage in das Buch investiert worden.

Es kam dann, wie so häufig bei Möllemann, eine Affäre in die Quere. Anfang 1993, beim sogenannten Briefbogen-Skandal oder auch Chip-Affäre hatte der Minister auf offiziellem Ministeriums-Papier Empfehlungen für die Einkaufswagen-Chips der Firma seines Vetters getätigt. Das Ganze war mehr eine Eselei denn ein Skandal.

Doch Möllemann gab in den Medien und der Öffentlichkeit natürlich ein gutes Opfer ab. Der Wirtschaftsminister, zu dieser Zeit auch Vizekanzler, trat schließlich zurück. Unser Buchprojekt war gestorben.

Am 5. Juni 2003 ist Möllemann bei Marl-Loemühle in den Tod gesprungen. Während eines Fallschirmsprungs klinkte sich der Hauptschirm aus und Möllemann öffnete den Notschirm nicht. Er prallte ungebremst zu Boden. Rumms. Aus. Ende. Eine andere Affäre. Jürgen W. Möllemann hätte sie auch aussitzen können. Ein merkwürdiger Kerl.

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André Kostolany: Enjoy Life!

Es gibt Produktwerbung, die vergisst man nicht. Hier finden Sie eine solch grandiose Werbung. Angepriesen wird der Aluminium Audi A8. Das lief im TV im Jahr 1997. Für mich ist dies der schönste Auto-Werbespot aller Zeiten.

Denn im Mittelpunkt der Werbung steht nicht das Auto. Den Spot beherrscht André Kostolany. Ein wunderbarer Mensch und ein kluger Philosoph. Nicht nur in Sachen Geld und Börse.

All people want forecast for the stock exchange from me. But there are more important things in life than money. Good food and good wine for example. Or music. Beautiful women and cars. The only tip I can give you is: Enjoy life.

And maybe think about investing in aluminium stocks

André Kostolany. This is Kosto in his own words – performed by himself in the mega-superb Audi-Commercial. Please click on the youtube-viedeo to remember André Kostolany.

Die Musik ist übrigens aus der Oper Fürst Igor, die Polowetzer Tänze, des russischen Komponisten Alexander Borodin. In einem Boadway-Musical wurde das Lied als Stranger in Paradise ein Welthit. Tony Bennett und Bing Crosby haben es gesungen.

siehe auch André Kostolany: Bonvivant und wacher Kopf

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André Kostolany: Bonvivant und wacher Kopf

Düsseldorf, im Mai 1991; Photo by Hasso von Bülow

Die ganze Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten oder mehr Idioten als Aktien.

Dieser Satz stammt von André Kostolany, dem Aristoteles der Börse, an den es zu erinnern gilt, und der hier vermisst wird.

Geld wird an der Börse nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Hintern verdient.

Noch so eine spritzige und wahre Sentenz des Altmeisters, der die Weisheiten zur Aktienwelt formulieren konnte wie kein anderer. Wir vermissen seinen Esprit, seine Klugheit und seine Liebenswürdigkeit. Und wir vermissen, ihn, den Menschen.

Er stürmte, frisch und voller Tatendrang, in mein Büro des ECON Verlages mit den Worten, ich komme gerade aus Paris und heute Nachmittag fliege ich nach München. Wir haben also nicht viel Zeit, Doktor Stock. In solchen Momenten dachte ich, der Mann sei unsterblich.

Oft hatte ich nach getaner Arbeit das Vergnügen, André Kostolany von Düsseldorf nach Köln zu fahren, wo er immer im Excelsior Grandhotel Ernst am Dom zu übernachten pflegte.

Kosto, damals schon gut in den Achtzigern, war ein wacher Kopf. Allerdings nur bis zum Leverkusener Kreuz. Dann nickte er sachte weg und wachte erst wieder auf, wenn ich vor dem Hotel Ernst auf die Bremse trat.

Die halbe Stunde jedoch von der Kaiserswerther Strasse in Düsseldorf bis zum Leverkusener Kreuz gehörte der amüsanten Konversation und da zeigte sich der Börsenphilosoph als ein ganz ausgeschlafener und schlagfertiger Gesprächspartner.

Bei einer dieser Fahrten, es war Frühjahr 1989, sprachen wir über den Fall des Eisernen Vorhangs. Gerade hatte der ungarische Außenminister Gyula Horn Teile des Grenzzaunes zwischen Ungarn und Österreich eigenhändig eingerissen und die Freiheitsbewegung im Osten war dabei, dem Kommunismus per Abstimmung mit den Füssen den Rücken zu kehren. Aufbruchstimmung in der DDR, in Polen, in Ungarn und ganz Osteuropa.

Und da fragte ich Kosto, den gebürtigen Ungar: “Sagen Sie, was ist für Ungarn der kürzeste Weg zur Freiheit?”

Kosto überlegte einen Augenblick und antwortete dann trocken: “Der kürzeste Weg für die Ungarn in die Freiheit ist die Autobahn von Budapest nach Wien.”

Fünf Minuten später war er eingeschlafen.

siehe auch André Kostolany: Enjoy Life!

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