Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Schlagwort: Medien

Wie geht es weiter mit der ‚Süddeutschen Zeitung‘?

Ein teures Vergnügen. Die Süddeutsche Zeitung. Foto: W. Stock, November 2022.

Neulich, am Bahnhof, komme ich an den Stummen Verkäufern vorbei, die dort schon immer stehen. Da ich etwas Zeit habe, schaue ich genau hin. Was kostet denn die Süddeutsche Zeitung in unseren Tagen?

Als ich den Aufdruck auf den Zeitungskästen sehe, fährt mir der Schreck in die Glieder. Genau 3,60 Euro wochentags, freitags, 3,90 € und am Samstag 4,90 Euro. Rechnen wir doch mal nach.

Vier Wochentag à 3,60 € macht 14,40 €. Plus die Freitagsausgabe für 3,90 € gleich 18,30 € plus die Samstagsausgabe à 4,90 €, dann komme ich zum Endpreis von 23,20 €. Pro Woche.

Macht im Monat

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Die Entkernung der Medien

Die knospende Frucht wird immer weiter aushöhlt, bis die bloße Schale übrig bleibt.

Burda Medien löst seine Redaktionen im Bereich TV-Magazine auf und übergibt die Produktion von TV Spielfilm, TV Today und TV Schlau an die Funke Mediengruppe. Eine Redaktionsmannschaft erstellt zukünftig eine Vielzahl von Medienprodukten. Und dies bei Titeln, die zum Teil sechsstellig verkaufen.

Nicht die Marke bestimmt den Produktionsablauf, sondern der Produktionsablauf die Marke. Das ist der Trend. Technik über Inhalt. Nach den Sparrunden folgte bekanntlich das Outsourcing. Zuerst erwischte es die Verlage mit eigener Infrastruktur. In der ersten Stufe des Outsourcing wurde alles ausgelagert, bis auf die Kernbereiche wie Redaktion und Marketing.

Und nun die nächste Stufe der Entkernung. Auch Verwaltung, Marketing und Redaktion fliegen raus. Übrig bleibt lediglich die Schale. Das Label. Die Inhalte werden zukünftig geliefert von externen Büros, spezialisierten Dienstleistern, kanadischen Metzgerzeitschriften. Man klopft an die Medienmarke und es klingt zunehmend tönern.

Die Buchbranche ist in diesem Prozess der Entkernung schon

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Die neuen Zeitungen: Blogs

Aus den deutschen Medienhäusern kommen nur noch schlimme Nachrichten: Die Auflagen von Zeitungen und Zeitschriften rauschen weiterhin rasant in den Keller. Die BILD, mit über 5 Millionen Auflage einst Westeuropas größte Tageszeitung, geht stramm auf die letzte Million Verkaufte pro Tag zu. DER SPIEGEL und stern, früher meinungsbildend und Millionen-Seller, liegen schon lange unter der siebenstelligen Marke.

In der Medienlandschaft müssen wir uns von einem Attribut definitiv verabschieden: groß. Groß gibt es nicht mehr, groß war gestern. Nur noch eine Handvoll Magazine verkauft mehr als eine Million Exemplare, es sind meist TV-Zeitschriften. Mit dem Verschwinden von groß, verschwindet allerdings auch die Wichtigkeit und Stellenwert. Und weil der traditionelle Journalismus so unter Druck steht, ist ihm auch alle Leichtigkeit abhanden gekommen. Den Artikeln in den Zeitungen und Magazine merkt man oft eine Bitternis und Biestigkeit an, die wohl Ausdruck einer tieferliegenden Hilflosigkeit sind.

Was ist passiert? Das Internat, natürlich. Die Online-Möglichkeiten – schnell, kostengünstig und ohne Gatekeeper – haben Print kräftig durchgerüttelt. Fussballergebnisse kriege ich in Echtzeit, inklusive Live-Tabelle und Analyse, da brauche ich nicht bis zum nächsten Morgen zu warten. Wenn ich wissen will, was in Köln oder Bremen passiert, dann lese ich ein Online-Medium von dort. Online ist ein dem Print weit überlegenes Modell, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Wohin wird das alles führen? Wenn Online auch das traditionelle Verlegen ins Straucheln gebracht hat, so haben sich gleichzeitig neue Möglichkeiten eröffnet. Das neue Groß heißt Klein. In einer Mischung aus Disruption und Segmentierung sind neue Publikationsformen entstanden, die spannend sind. Die unbeweglichen Verlage haben durch Klein neue Konkurrenz bekommen, die Leichtigkeit des Journalismus ist nun woanders zu finden. Bei den Blogs beispielsweise.

Geben Sie mal bei Google München und Blog ein. Und Sie erhalten die bunte Lebendigkeit einer Metropole vor Augen geführt. Dutzende von lokalen Blogs buhlen um die Aufmerksamkeit des Lesers. Der Isarblog beispielsweise schreibt über Gastronomie, Kunst und die Stadtviertel, mit einer Nähe zum Sujet, das den Zeitungen aufgrund von Stellenabbau und Etatkürzungen verloren gegangen ist. Auch Living4Taste schreibt über Genuss und Lifestyle in München, dahinter steht allerdings kein großer Verlag, sondern die Leidenschaft einer Person.

Wer einen guten Blog mit einem scharfen Fokus betreibt, der ist neuer Verleger. Blogs besitzen zwar häufig eine kleine Zielgruppe, die – wenn die Blogs mit Tatkraft und Herzblut gemacht sind – allerdings gedeihlich ausgeschöpft werden kann. Und weil die Leidenschaft der Blogs den traditionellen Verlagen durch Hybris und Krisen meist abhanden gekommen ist, sind gute Blogger unsere neuen Verleger.

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Hero Kind lebt auf Sylt und es geht ihm gut

Hero Kind in Keitum/Sylt, Mai 2008; Photo by W. Stock

Das sind Stunden, die man sich nicht wünschen kann im Leben: Am 2. Juni im Jahr 1996, es ist ein Sonntagabend, ist Hero Kind in seinem Düsseldorfer Wohnzimmer umgefallen. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Schlaganfall. Nach ein paar Tagen zwischen Leben und Tod und drei Wochen künstlichem Koma hat sich der ehemalige ECON-Verleger mit Disziplin und eisernem Willen in diese Welt zurück gekämpft.

Das war vor 14 Jahren. Heute lebt Hero Kind auf Sylt, wo er in Keitum ein schönes altes Friesenhaus am Wattmeer besitzt. Gesundheitlich geht es Hero Kind gut, den Umständen entsprechend, wie man so sagt. Noch immer haben Nachwirkungen der Krankheit sich nicht vertreiben lassen. Da sind vor allem noch die lästigen Lähmungserscheinungen in Bein und Arm.

Aber im Kopf, und das ist die gute Nachricht, da ist er hellwach. Er weiß Bescheid, was so vor sich geht in der Welt und in der Buchbranche. Wie früher sprudeln die Ideen aus ihm heraus, er hat kreative Geistesblitze auf der Höhe der Zeit, er entwirft neue Produkte, er hat pfiffige Marketing-Einfälle.

Und er erinnert sich noch an so vieles und an so viele aus seinen ECON– und Metropolitan-Tagen. Er kennt Namen, die ich schon längst vergessen habe und weiß um Autoren, die vor einem Vierteljahrhundert den Verlag besucht haben. Und – das ist das Schönste – er hat sich nach wie vor seinen trockenen Humor und seine Selbstironie erhalten.

Am Leben nimmt Hero Kind, ein Jurist des Jahrgangs 1944, rege teil. Er ist Nachrücker im Kirchenvorstand von Keitum, einmal die Woche geht es zum therapeutischen Reiten. Er liest viel, jeden Tag die Financial Times Deutschland, jede Woche Die Zeit und auch das Buchgeschehen verfolgt er aufmerksam. Manche Verlagshäuser schicken ihm Vorschauen. Einen Verlag wie den von Antje Kunstmann bewundert er, der entspricht seiner Philosophie: außergewöhnliche Autoren, anregende Themen, schöne Ausstattung.

Der Buchhändler Schwarz aus Keitum, der einen kleinen und schönen Laden am südlichen Kliff besitzt, kommt jeden Geburtstag bei ihm vorbei. Und ab und an rufen Kollegen an oder sagen Guten Tag, wenn sie auf der Insel sind. Das freut ihn, da lebt er auf, denn er möchte dieser sympathischen Buchbranche und seinen Menschen noch so viel mitteilen.

Hero Kind kann sich in Haus und Garten bedächtig, aber selbstständig bewegen, für Strecken im Ort nutzt er den Rollstuhl. Auch längere Reisen sind möglich, ein Mallorca-Urlaub zum Beispiel oder der Trip nach Berlin.

An seiner Seite seine Frau Simone, der Hero Kind verdankt, dass seine Genesung so kräftige Fortschritte gemacht hat. Die beiden Kinder, Juristen ebenfalls, kommen oft zu Besuch. Bei seiner Familie findet Hero Kind den Rückhalt, den er braucht, um jeden Tag ein wenig mehr zu genesen. Und auch die Ruhe und das Heilklima von Sylt tun das ihre dazu.

siehe auch: Hero Kind, der letzte ECON-Verleger

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