Reisen & Begegnungen

Autor: Wolfgang Stock Seite 2 von 22

Winfried Böttcher: Europas Zukunft liegt in der Regionalisierung

Winfried Böttcher: Europas Zukunft – Eine europäische Republik der vereinten Regionen.

Das wunderbare Friedensprojekt Europa, hervorgebracht durch den Schmerz zweier schrecklicher Kriege, hat in unseren Tagen kräftig an Glanz verloren. Zum einen bedrohen Nationalismus, Rechtsextremismus und Populismus das europäische Demokratiemodell. Dazu kommen hausgemachte Irrwege wie zu viel Bürokratie und ein paternalistischer Zentralismus. Diese Entwicklung stimmt traurig. In der Diagnose der europäischen Misere wird man wohl schnell auf einen Nenner kommen, doch wie lautet die Therapie?

Winfried Böttcher zeigt in seinem neuen Buch auf, dass es keinen Sinn macht, das Machtgefüge des überlebten Nationalstaates auf ein übergeordnetes europäisches Konstrukt zu übertragen. Denn Zentralinstanzen engen ein, gewähren ihren Subsystemen zu spät und nur eingeschränkt selbstbestimmte Freiräume. Jedoch hat die Idee Europas immer die Anerkennung der ethnischen, historischen und kulturellen Eigenarten einbezogen.  

Um aus dem Notstand zwischen Anspruch und Wirklichkeit herauszufinden, schlägt der Aachener Wissenschaftler vor, ein oder zwei Schritte zurückgehen, um die Sicht auf die Utopie wieder freizulegen. Winfried Böttchers Grundannahme lautet, dass der Nationalstaat seine historische Funktion erfüllt hat und einem wirklichen europäischen Integrationsprozess im Wege steht. Als Gegenentwurf skizziert der Politikwissenschaftler die Idee eines Europa der Regionen, in der eine kraftvolle regionale Identität als Antrieb eines lebendigen Gemeinwesens dient.

Aus der kleinräumigen Unverwechselbarkeit, man darf sie populär ruhig Heimat nennen, sollte sich eine Dynamik entwickeln, die nach innen festigt und nach außen hin öffnet. Die Selbstorganisation der Regionen mit am Wohl des Gemeinwesens orientierter vielfältiger Mitwirkung der Bürgerschaft an allen sie direkt betreffenden Angelegenheiten entwickelt so auf Grundlage der Subsidiarität eine neue Vision: die Demokratie als Lebensform.

Subsidiarität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings auch, die regionalen Systeme im Sinne autonomer Partizipation zu pflegen, auch unter Hinnahme des eigenen Machtverlustes der Europäischen Union. Schwer genug. Doch es gibt keinen anderen Weg: In einem System der Regionen in Form eines europäischen Föderalismus kann der Schutz von Minderheiten, der Respekt ihrer kulturellen Identität und ihre politische Teilhabe am besten gewährleistet werden.

Die Zukunft Europas liegt insofern in einer Kombination aus Regionalisierung und Internationalisierung. Ein Europa der vereinten Regionen wirkt mit seinem lebendigen Regionalismus nahe am Alltag der Menschen. Demokratische Partizipation und Solidarität vermögen, die anfallenden Probleme zu lösen und die europäischen Werte zu leben. Das Europa der Zukunft – so der Professor emeritus der RWTH Aachen – wird regional, föderal und humanistisch sein, oder es wird gar nicht sein.

Der Gegenentwurf des Aachener Wissenschaftlers für ein anderes Europa möchte den Menschen und seine Identität ins Zentrum aller Politik rücken. Dazu allerdings muss das europäische Haus in seinen Grundfesten neu angelegt werden, hierbei kommen Deutschland und Frankreich aus historischer Verantwortung die Rolle des Vorreiters zu.

Beim Lesen des neuen Buches von Winfried Böttcher überfällt den Leser ein Hauch von Wehmut. Denn die pointiert geschriebenen Einsichten zeigen, wie

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Deutschland in der doppelten Inflations-Falle

Der Korb ist nicht mehr so gut gefüllt wie einst. Foto: W. Stock, 2023.

Wenn man von der Makroseite auf die deutsche Wirtschaft schaut, erkennt man auf den ersten Blick, in welchem Bereich es im Sommer 2023 hakt. Besonders die hohe Inflation – in der Spitze bei 10 Prozent – hat alle Stützen einer prosperierenden Ökonomie durcheinander gewirbelt. Die anhaltende Geldentwertung hinterlässt spürbaren Systemschaden an Gehältern, Renten und Sparvolumina.

Der Bösewicht ist schnell ausgemacht: Mit ihrer lockeren Geldpolitik hat die EZB über Jahre die Inflation in den europäischen Mitgliedsstaaten stark befeuert. Allein von Frühjahr 2020 bis Mitte 2022 erhöhte die EZB die breit gefasste Geldmenge M3 um ungesunde 23 Prozent. Steigt die Geldmenge schneller als Wirtschaftswachstum und Produktivität, so löst dies nach der Quantitätstheorie eine entsprechend steigende Inflation aus.

In Europa ist das Geld im Verhältnis zum Güterangebot angewachsen, wirkungsverzögert steigen nun die Preise in ähnlicher Größenordnung. Es ist eine Krise mit Ansage: Die Binnenwirtschaft gerät aus dem Gleichgewicht. Leidtragende sind die kleinen Sparer und Menschen mit geringem Einkommen, die keinen Ausgleich für die entwerteten Spareinlagen und die gesunkenen Reallöhne erhalten.

Eine solche hausgemachte Inflation führt zu einer willkürlichen Vermögensumverteilung, die nichts mit Leistung oder Bedarf zu tun hat. Neben Verlierern gibt es auch Gewinner. Die öffentlichen Schulden verringern sich real, doch die Privathaushalte verlieren an Vermögen. 

Dies ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Die EZB-Geldmengen-Ausweitung fällt in unseren Tagen dummerweise zusammen mit

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Beim Urlaub 700 Prozent sparen?

Urlaub
Sparen
BILD-Online am 1. Februar 2023.

Das Rechnen mit Prozentwerten ist aber auch wirklich tricky. Kann man 700 Prozent sparen? Nein, das ist ein bisserl viel. Denn bei 100 Prozent Sparvolumen ist Schluß. Dann habe ich den Grundwert auf 0 gesetzt.

Als Beispiel: Bei einer Jacke, die ursprünglich 100 Euro gekostet hat, nun aber nur noch 30 Euro, spare ich 70 Euro (= 70 Prozent). Wenn ich 100 Prozent spare, also den kompletten Grundpreis, dann kostet die Jacke nichts. Null Euro. Mehr als 100 Prozent geht also nicht, liebe Freunde der BILD.

Nach oben rechnen geht es schon. Wenn die

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Wem verdanken wir unser gutes Leben?

San Francisco 
Twitter Facebook Apple
In der Bay Area rund um San Francisco findet man die innovativen Unternehmen im Dutzend. Foto: W. Stock, April 2018.

Zum Jahreswechsel ein schneller Blick auf die Apps meines iPhones. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus: Vor 20 Jahren sind folgende 20 Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Kultur, Kommunikation und Medien völlig unbekannt gewesen:

  • Spotify
  • E-Books
  • Readly
  • iPhone
  • iPad
  • Facebook
  • YouTube
  • Netflix
  • WhatsApp
  • Skype
  • Zoom
  • Face Time
  • Twitter
  • Instagram
  • WordPress CMS
  • Mediatheken
  • Apple TV
  • Prime Video
  • DAZN
  • WLAN

Diese spontane Liste ist sicherlich unvollständig. Sie zeigt aber zweierlei. Erstens, wie tief diese neuen Angebote unsere Alltagswelt durchdrungen haben. Ich nutze fast alle aufgeführten Anwendungen, die einen mehr, die anderen weniger. Viele Innovationen sind wie selbstverständlich im Gebrauch und nicht mehr wegzudenken. Ohne iPhone und ohne WhatsApp würde unser Alltag jedenfalls anders – und ärmer – aussehen. 

Und zweitens zeigt die Auflistung, wie

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Un Café à Paris

So leicht lässt sich Sprache

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Wie geht es weiter mit der ‚Süddeutschen Zeitung‘?

Ein teures Vergnügen. Die Süddeutsche Zeitung. Foto: W. Stock, November 2022.

Neulich, am Bahnhof, komme ich an den Stummen Verkäufern vorbei, die dort schon immer stehen. Da ich etwas Zeit habe, schaue ich genau hin. Was kostet denn die Süddeutsche Zeitung in unseren Tagen?

Als ich den Aufdruck auf den Zeitungskästen sehe, fährt mir der Schreck in die Glieder. Genau 3,60 Euro wochentags, freitags, 3,90 € und am Samstag 4,90 Euro. Rechnen wir doch mal nach.

Vier Wochentag à 3,60 € macht 14,40 €. Plus die Freitagsausgabe für 3,90 € gleich 18,30 € plus die Samstagsausgabe à 4,90 €, dann komme ich zum Endpreis von 23,20 €. Pro Woche.

Macht im Monat

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Eintracht Frankfurt: Der 12. Mann

Laut einer großen Sonntagszeitung soll Eintracht Frankfurt bei Mainz 05 mit 12 Mann spielen. Besonders freue ich mich auf das neue Sturm-Duo Kolo auf links und Muani auf rechts. Alles andere als ein Sieg wäre

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Das Land, wo Milch und Gerste fließen

Der Fischbrunnen auf dem Marienplatz in München. Foto: W. Stock, 2022.

München boomt. Bayern ist Spitze. Alle zieht es in den Süden. Warum? Nicht nur wegen der Wiesn. Oder dem Bier. Oder den schönen Seen. Auch die Wirtschaft Bayerns geht in Deutschland vorne weg. Die meisten DAX-Unternehmen sitzen in München. Gleiches gilt für die modernen Branchen. Und für die schönen Künste ebenso. Es ist schon beängstigend.

Nicht Berlin, sondern München ist die Haupt-Stadt Deutschlands. Übrigens, auch für Buchverleger. Random House, Droemer, Piper, Beck, Hanser, Kunstmann, die wichtigen Literaturagenten – in München werden wohl mehr Bücher pro­duziert als im Rest der Republik zusammen. Vor so viel Erfolg bleibt einem die Spucke weg.

Was ist denn dran an München, aus welchem Grund will halb Deutschland in der Bayern-Metropole arbeiten? Bei den Bayern kann man bekanntlich am lebenden Ob­jekt beobachten, was übermässiger Alkohol­-Konsum und 70 Jahre ununterbrochener CSU-Herrschaft so alles anrichten können. Die Partei, die das schöne Bayern erfand. Es ist etwas dran an diesem imaginären Wahlkampf-Slogan.

Man lebt gerne in diesen Breiten und man genießt. Die schönsten Kirchen und Klöster findet man hierzulande, Gasthäuser sowieso. Im Kloster Andechs hat man beide praktischerweise gleich nebeneinander gebaut. Die Verweildauer zwischen Kirche und Biergarten liegt im Verhältnis 1 zu 20.

Die Bayern zeigen sich stolz auf ihr Land. Zurecht. Ihre Herrscher waren keine Absolutisten, die das Land ins Unglück gestürzt hätten. Sondern Schöngeister und Traumtänzer, fesche Männer mit Ecken und Kanten. Die königlichen Ludwigs – der erste fiel der Hochstaplerin Lola Montez, der zweite dem Schwachsinn anheim – werden genauso inbrünstig verehrt wie der neue Typus von Regent, der in Bits und Bytes denkt.

Nüchtern betrachtet ist Bayern in den letzten 50 Jah­ren von einem rückständigen Agrar­land direkt ins zukunftsträchtige Zeitalter von High Tech ge­sprungen. Die Etappe der rußgeschwärzten Hochindustrialisierung in Kohle und Stahl hat man durch glückliche Fügungen überspringen dürfen.

Laptop und Lederhose – dies geht für den knorrigen Bayern deshalb ohne Achselzucken zusammen, während anderenorts noch das Lamento über die Gefahren der neuen Technologien angestimmt wird und man in den Denk­mustern der Fabrikschlote hängen bleibt. Kein Wunder, dass besonders amerikanische High-Tech-Unternehmen München lieben. Google und Apple vornedran.

Die Firma aus Cupertino will den Standort in München weiter ausbauen, mit mehr als 2.000 Beschäftigten ist München schon heute Apples größter Entwicklungs­standort in Europa. Für Amerikaner – man höre und staune – sind die Mieten in München niedrig, ein Standortvorteil. Und die Lebensqualität hoch. Was will man mehr?

Die Staatsregierung unter Markus Söder mit ihrer klugen Ansiedlungspolitik umhegt jede internationale Firma. In der Staatskanzlei, auf dem Oktoberfest, bei Kunst und Kultur. In Bayern kämpfen die Förderungsgesellschaften, die Ministerien und jeder Bürgermeister um die Ansiedlung junger Start-ups. Im Norden der Republik ist den Regierenden die Wirtschaft häufig schnuppe, innerlich wird gefremdelt und abgelehnt.

Das schlaue Bayern weiß, dass Wohlstand durch diese Investitionen in das Alpenvorland kommen. Und Diversität. Es macht den Unterschied zwischen blumigen Fensterreden und gelebter Praxis aus. Die Bevölkerung zieht mit.

Trotz dieser modernen Infrastruktur ist der Bayer im Grunde

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Señor Teddy in Acapulco

Teddy Stauffer als Wayne in dem Film 48 Stunden bis Acapulco.

Im Jahr 1982 lebte ich für mehrere Monate im mexikanischen Acapulco, als Acapulco noch das gute herrliche Acapulco gewesen war. Ohne die Drogenkämpfe von heute, die Kriminalität und ohne die Militärs vor den Banken. Und auch der Pazifik leuchtete blau, wie ein Meer nur blau leuchten konnte. Zunächst fand ich Unterkunft in einem Hotel in der Altstadt, später in einem Bungalow an der Quebrada. Und ich wollte Teddy Stauffer kennenlernen, Mister Acapulco, wie er in den internationalen Gazetten tituliert wird, Señor Teddy, so nennen ihn die Einheimischen respektvoll.

Ich schlage das Telefonbuch auf, und sein Name steht da. Stauffer, Teddy 41161, Av. Villa Vera S/N. Stauffer. Villa Vera, so heißt seine luxuriöse Hotelanlage. Nach dem Klingeln meldet er sich persönlich. Kommen Sie morgen doch vorbei, sagt er kurz und freundlich. Ein unkomplizierter Mensch, Acapulco halt. Die Villa Vera war vor 50 Jahren – neben dem Las Brisas – der angesagte Schuppen für Prominente und Superreiche an der mexikanischen Pazifikküste. Frank Sinatra, Elizabeth Taylor, Liza Minnelli, John Wayne übernachteten hier. Das besondere an dem Hotel: Die Suiten verteilten sich wie kleine Villen über eine Anhöhe mit Blick auf das Meer.

In seinem Turmhaus der Villa Vera haben wir uns lange über sein Leben und seine Musik unterhalten. In Murten am Murtensee, zwanzig Autominuten von der Landeshauptstadt Bern entfernt, ist Ernest Henri Stauffer im Jahr 1909 geboren worden. Schon als Schüler hat er mit Freunden eine Jazzband gegründet. Der Rest ist Geschichte. Über 300 Schallplatten haben Teddy Stauffer und seine Original Teddies in den 1930er Jahren aufgenommen. Das ist Rekord in diesen schwierigen Zeiten, der Schweizer Teddy Stauffer wird zum Swing-König von Berlin, vom Publikum gefeiert und bejubelt.

In den Hitlisten stehen sie in dieser freudlosen Zeit immer ganz oben. In Berlin und Leipzig sind Teddy und seine Mannen in jenen Jahren so bekannt wie heute Lady Gaga und Madonna zusammen. Die Band des Teddy Stauffer ist smooth gewesen, swinging und vor allem hotThe hottest Band in Town. Und hot bedeutet in jener Zeit sehr swingend. In Berlin eifern die Teddies ihren Vorbildern aus Übersee nach. Die meisten Song spielen sie nach US-Arrangements, alles klingt sehr amerikanisch. Wir hatten damals den Swing, sagt Teddy Stauffer stolz.

Der Jazz hat den Nazis natürlich nicht gefallen. Doch den Schweizer Stauffer ließ man lange gewähren, zur Olympiade 1936 wollte man ein freundliches Gesicht zeigen und die Welt hinters Licht führen. Wirklich Ahnung von der Musik, die ihnen nicht ins Weltbild passte, hatten die braunen Machthaber nicht. Mit den Jahren wurde der Druck dann doch zu groß. Teddy ging zurück in die Schweiz. Und im Jahr 1941 packte der abenteuerlustige Musiker dann seinen Koffer, fuhr mit einem Atlantikkreuzer über das Meer nach New York, von dort nach Hollywood. Und viele Monate später sollte er dann in Acapulco stranden.

Es wurde für Teddy eine Vertreibung ins Paradies. Der sympathische Schweizer fand schnell im Hotelgewerbe sein Auskommen, zunächst als PR-Manager, später als Teilhaber. Die Karriere als Musiker hatte er in Europa zurückgelassen, die Villa Vera bildete fortan seine neue Heimat. Und Teddy Stauffer sorgte dafür, dass all die Leinwandgrößen aus Hollywood, die Sterne und Sternchen, hinab ins Acapulco Dorado – ins vergoldete Acapulco – pilgerten und froh waren, ohne Schlips und Kragen endlich ins richtige Leben springen zu dürfen.

Und auch Teddy am Pazifik ließ nichts anbrennen. Hedy Lamarr, Rita Hayworth, sein Notizbuch ist voll mit schönen Frauen. Vier Ehen, vier Scheidungen. Für die Ehe ist dieser Mann nicht gemacht. Eher ein typischer Playboy jener Zeit. Jeder älter er wurde, desto jünger die Freundinnen. Aber nun, mit Mitte 70, zeigt sich Teddy als Lebemann, den auch

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Was gehört in ein gutes Buch-Exposé?

Eine subjektive Betrachtung von Wolfgang Stock; Ex-Cheflektor ECON-Verlag und BuchMarkt-Kolumnist. Foto: Daniel Biskup.

Ein Buchautor, der einen Verlag sucht, kann so viel falsch machen bei der Erstellung eines Exposé. Exposé bedeutet Übersicht, kurze Zusammenfassung, das Wichtigste auf einen Blick. Es bedeutet nicht: das ellenlange Nacherzählen des Manuskriptes oder die Diskussion, warum genau dieses Buch der neue Mega-Seller wird.

Es hilft ein wenig, sich in den Kopf eines Lektors zu versetzen. Was ist ihm wichtig? Worauf kommt es ihm an? Als ich bei einem großen Sachbuch-Verlag als Lektor gearbeitet habe, erhielten wir etwa 20 Buchvorschläge. Pro Tag. Unaufgeforderte Einsendungen, Vorschläge von Autoren, Lizenzen von Literaturagenten aus dem In- und Ausland. Alles in allem also ca. 7.000 Manuskripte pro Jahr. Von den unverlangten Manuskripten der Neulinge wurden vielleicht 2 oder 3 im Jahr genommen. So viel zu den Chancen.

Viele Großverlage teilen – offen oder mental – ihr Programm in A, B und C-Titel. A-Titel sind potentielle Bestseller. Also Bücher, die beispielsweise ein bekanntes Fernsehgesicht, eine Schauspielerin oder ein Schlagerstar geschrieben haben. B-Bücher sind Titel von bereits publizierten Autoren, die eine übersichtliche, aber doch treue Fan-Gemeinde besitzen. C-Titel füllen das Programm in der Hoffnung, einen Überraschungserfolg zu erzielen.

Ein Neuling sollte wissen, in welche Kategorie er fällt. Wenn jemand kommt und so auftritt, als gehöre sein Manuskript in die Kategorie A, dann fällt dies schon unter Größenwahn. Die Verlagsleute merken, dass ein Amateur am Werk ist. Für Newcomer geht es vielmehr darum, nachvollziehbar zu begründen, warum ein C-Manuskript zu einem unerwarteten Erfolg werden könnte. Diese (stimmige) Begründung gehört unbedingt in das Exposé.

Damit sind wir beim Marketing. Es ist das Herzstück des Exposé. Nicht der Inhalt, die Gliederung oder die Biografie des Autors (das kann ich woanders einsehen). Für das Marketing eines Debütanten möchte ich als Lektor solche Fragen beantwortet bekommen:

  • kennt man die Autorin oder den Autor auch außerhalb des Familien- und Freundeskreises?
  • geht er/sie einer öffentlichwirksamen Tätigkeit nach (Radiomoderator, TV, Firma)?
  • veranstaltet er Seminare oder tritt er als Referent auf Kongressen auf?
  • ist er gewichtig in den sozialen Medien präsent (eigenes Portal, YT-Kanal, Instagram etc.)?

Ein Verlagslektorat steht unter dem Druck, Bestseller zu entdecken. Geschieht selten genug. Mehr wird es zu einem Druck, Flops zu vermeiden und Risiken zu minimieren. Je mehr Indizien dafür vorhanden sind, dass man es mit einem steigerungsfähigen C-Buch zu tun hat, desto eher bekommt man in einem renommierten Verlagshaus eine Chance.

Nachstehend das Muster eines Exposé. Auf einer Seite. Mehr nicht. Ein Lektor ist immer im Stress. Mehr als ein paar Minuten Zeit hat ein Lektor bei der Vielzahl der Manuskripte nicht. Nach ein paar Sekunden weiß ein erfahrener Lektor bereits, wie der Hase läuft.

Als guter Autor sollte ich zudem die Fähigkeit besitzen, auf einer Seite für mein Projekt Neugierde zu wecken. Beim Lektor und später beim Leser. Sollte der Lektor anbeißen, folgt sein Blick in die weiteren Unterlagen (Manuskript, Arbeitsproben etc.) und er greift zum Telefonhörer.

Exposé für ein Sachbuch (fiktives Thema)

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Über Vermarktung rede ich deshalb so viel, weil ein Verlag ein Wirtschaftsunternehmen ist, das Geld verdienen muss. Deshalb sollte sich der Autor immer auch ein paar schlaue Gedanken zum Marketing machen. Das gilt sowohl für das Sachbuch als auch für die Belletristik, auch wenn sich bei Fiction die Schwerpunkte etwas verschieben.

Übrigens, bisher habe ich kein Wort verloren über die Qualität des Manuskriptes. Über die tolle Umsetzung. Über den schlüssigen Aufbau. Über die stimmige Charaktere. Über

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