Reisen & Begegnungen

Kategorie: Jazz & andere Musik Seite 4 von 9

José José, Mexikos Schnulzenkönig, fällt vom Thron

Ende der 1980er Jahre in Mexico City schleppte mich eine hübsche Mexikanerin, in die ich mich ein wenig verguckt hatte, zu einem Popkonzert. Es war ein Dinner-Konzert in einem alten Theatergebäude nahe der Avenida General Prim und der Calle Versalles. Ein bekannter mexikanischer Pop-Sänger mit süßlichem Flair war angesagt.

Wir saßen oben auf Mezzanin an einem kleinen Tisch, erhielten ein einfaches Drei-Gänge-Menue serviert, während unter auf der großen Bühne die Show ablief. José José, so der Name des Sängers, war zu jener Zeit ein Star in seinem Lande, er saß unangefochten auf Mexikos Schnulzenthron. El Príncipe de la Canción, er sei der Prinz des Schlagerliedes, so umgab ihn die Fama, weil er wie kein anderer musikalischer Kitscheur jener Jahre solch Herzzerreißendes von Liebeslust und Liebesschmerz mit samtiger Stimme zu schmettern vermochte.

Ich kannte José José und einige seiner Lieder von meinen früheren Mexiko-Aufenthalten. Meinem Ohr blieb dieser Sänger nicht unangenehm. Hier sang zwar das Idol der mexikanischen Girlie-Generation, doch das Pathos bewegte sich in erträglichem Rahmen. José José besaß eine sonore, sehr seidige Stimme, die er bei seinen Balladen immer in dramatische Höhen zu hieven vermochte.

Zudem hatte dieser samtige Bariton immer ein gutes Orchester mit einem vollen Sound hinter sich. Man merkt an seiner Phrasierung, dass dieser Sänger zu Anfang seiner Laufbahn Jazz gesungen hat, so wie in Mexiko zahlreiche Sänger und Orchesterleiter vom Jazz herkommen. In seiner Heimat spielt José José eine ähnlich tragende Rolle wie in den USA Johnny Mathis, sein großes Vorbild.

Doch was ich an jenem Abend auf der Bühne in Mexiko Stadt sah, glich einem musikalischen und menschlichen Tiefpunkt. Der große José José schien

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Teddy Stauffer und Billy Toffel haben den Swing

Der Jazz jener Jahre war mehr als eine Musik, er war eine Lebenseinstellung, er war Persönlichkeitsbildung. Nach den schrecklichen Grabenkämpfen des Ersten Weltkriegs, der bigotten Herrschaft der Kaiser und Könige und in der kargen Zeit der Weimarer Republik dürstete den Menschen nach Lockerheit und Weltläufigkeit. Aus den USA kam der Swing, lebensfroh, vital, ausgelassen.

Sicher, die Diktaturen und Spanien, Italien und Deutschland mochten diese Art der Musik nicht. Sie war ihnen zu lebensbejahend und auch zu subversiv. Doch den Schweizer Teddy Stauffer ließ man lange machen. Teddy und seine Original Teddies jedoch waren kein lauwarmes Derivat amerikanischer Synkopen, sondern eine Band, die dem bewunderten Original aus Übersee nacheiferte und auch nur wenig nachstand. Wir hatten damals den Swing, sagte mir Teddy Stauffer stolz im Gespräch.

Aus den USA ließ man sich neuesten Notenblätter kommen und spielte die Originalarrangements dann als eine der ersten Bands in Kontinentaleuropa. Kein Wunder, dass die Band sehr amerikanisch klang. Besonders überzeugten Teddy Stauffer und seine Teddies durch

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Max und Louis

Das vergißt man ja schnell. Welch erstklassige Jazzer Deutschland besaß! Den Max Greger zum Beispiel.

Der hatte – oder hat immer noch – eine verdammt gute Big Band. Die war in meiner Jugend das Hausorchester des ZDF und der musikalische Anker der großen Shows am Donnerstag- oder Samstagabend.

Und Max Greger hat einmal mit Louis Armstrong zusammen gespielt. Das ist die Erhebung in den musikalischen Ritterstand. Mehr geht im Jazz ja eigentlich nicht. Und das kann dem Max auch keiner nehmen.

Bei der Aufnahme mit Satchmo hört man, wie gut der Mann aus München-Giesing swingen konnte. Eigentlich hätte Max Greger ein deutscher Woody Herman werden können. Doch zu oft

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Die putzmuntere Verzweiflung des Tango

Grafik by Fernando Tejeda

Buenos Aires, im Dezember 1987

In den Jugendstil-Cafés, die in den Querstrassen der Calle Lavalle zu finden sind, glaubt man sich in die Wiener Kaffeehäuser mit ihrer ornamentierten Wandmalerei um 1900 zurück versetzt. An den kleinen dunklen Holztischen trinken jung und alt gemächlich ihren café cortado und erörtern die Lage im allgemeinen und besonderen.

Trotz aller Krisen haben sich die Argentinier die Lust am lebhaften Diskurs bewahrt und können stundenlang in ihre Tageszeitungen Clarín und La Nación hineinschauen, die zu den besten des Kontinents gehören. Wenn jedoch der Barbesitzer die richtige Tangoplatte auflegt, springen einige ältere Herren auf, legen ihren Arm um die auch nicht mehr taufrische Partnerin und tänzeln leichtfüßig zwischen den Tischen die filigranen und ruckartigen Bewegungen des Tango.

Es sind fast immer die älteren Ehepaare, die auf diese Bühne der kleinen Alltagsfreude stürmen, und so die Erinnerung an die goldene Zeit wach zu halten versuchen. Tango, so sagt man, sei ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann. Doch noch mehr ist er

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Woody Allen scheppert den alten Jazz

New York, im September 1987

Michael’s Pub auf der 55. Strasse, nahe Third Avenue: kleine Teller, laues Bier. Das übliche halt. Nichts jedenfalls, das wert wäre, berichtet zu werden.

Wenn da nicht jeden Montagabend ein Amateurmusiker seine Jazzklarinette in Michael’s Pub spielen würde. Dann steht das Publikum Schlange. 200 Neugierige sind heute Abend gekommen.

Das New Orleans Funeral and Ragtime Orchestra ist eigentlich eine Combo mit Trompete, Klarinette, Posaune, Piano, Tuba und Schlagzeug. Der Name des Klarinettisten ist die Sensation: Woody Allen.

Wie ein Häuflein Elend sitzt Mister Allen da, mit schütterem Haar, ebensolcher Gestik, blutrotem Popeline-Shirt, azurblauem Blazer und mit dieser, ähem, zeitlosen Hornbrille. Von Vorgestern ist auch der Jazz.

Woody Allens Toleranzschwelle reicht bis

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Latin Beatles – Where a man can dance with his wife

John Lennon & Paul McCartney – das sind Mozart & Bach der Neuzeit. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass diese Musik nahezu perfekt daher kommt. Wie will man dies toppen?

Insofern sind Cover-Versionen der Beatles verlorene Liebesmüh. Es sei denn, man findet eine ganz andere Perspektive. Dies berücksichtigt, löhnt es, ein Ohr dieser Platte zu leihen.

Bei Tropical Tribute to the Beatles haben sich all die Großen der Salsa-Szene, jene Musiker rund um die legendären Fania All Stars, an den Kompositionen der Fab Four versucht und – oh Wunder – es funktioniert.

Ein Beatles-Song als Merengue oder Bolero erhält durch den karibischen Rhythmus eine neue Klangfarbe und auch einen neuen Spannungsbogen. Pop und Salsa – warum nicht?

Tropical Tribute to the Beatles erschien 1996 auf Ralph Mercados RMM Records. Die Arrangements sind von Steve Roistein, der auch musikalischer Leiter dieser heiteren Einspielung war.

Auf dieser Platte finden sich ein paar richtig knackige

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Sarah Vaughan singt „Send in the Clowns“

Manchmal fliegt der Jazz wie ein Hammer durch die Luft. Solches geschieht bei den Liedern der Sängerin Sarah Vaughan.

Meine Meinung ist bekannt. Von all den großen Jazz-Sängerinnen – Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Dinah Washington, Carmen McRae – halte ich diese Sarah Vaughan für die beste. Ich habe sie einige Male live erleben dürfen und immer empfand ich diese Stunde als hohen Feiertag für alle Sinne.

Sarah Vaughans Stimme zeigte sich technisch perfekt: wandelbar, flexibel im Rhythmus, notengenaust in der Intonation. Eine Stimme, mehr wie ein Melodieinstrument, mit starken Momenten, wenn sie die Improvisationslinien rauf und runter gleitete. Und trotz all dieser technischen Rigorosität bewahrte sie eine nonchalante Lockerheit und den scherzhaften Dialog mit den Zuhörern.

Sarah Vaughans Version von Send in the Clowns hat so ziemlich alles, was eine gute Interpretation braucht: Gefühl, Tiefe, Seele. Die Frau konnte singen wie keine zweite, sie vermochte Tonhöhen von Note auf Note traumwandlerisch zu wechseln. Sarah besaß eigentlich eine Altstimme, die

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Wie Benny Goodman die schwarze Musik swingt

Benny Goodman in Den Haag, im Juli 1982; Photo by Volker Wagner

Louis Armstrong, Fats Waller, Artie Shaw, Duke Ellington, und viele andere mehr. Diese Großväter-Generation hat nicht nur den Jazz geprägt, sondern ihn gleichzeitig zu nie gekannter Blüte geführt. Man darf sich als Glückskind fühlen, wenn es einem vergönnt war, einen dieser Titanen des Jazz live erlebt zu haben.

So bleibt der Swing lange im Kopf, wahrscheinlich für ewig, wenn man beispielsweise solch eine historische Grösse wie Benny Goodman hören und sehen darf. Dieser Benny Goodman ist ein ganz formidabler Klarinettist alter Schule. Ein Weltstar, der den Swing in die Wohnzimmer der ganzen Welt gebracht und den Jazz hoffähig gemacht hat. Insofern verkörpert Goodman das Gutbürgerliche im Jazz, das Sittsame, wohl auch das weiß-weichgespülte einer eigentlich schwarzen Musik.

Dieser ältere Herr im cremefarbenen Sakko, der da

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Enrique Plá, Kubas bester Drummer

mit Enrique Plá, im Juli 1983; Photo by Volker Wagner

Der Revolution des Fidel Castro von 1959 folgte auch eine Revolution in der Musikszene Kubas. Alles wird anders.

Zunächst der Exodus: Zahlreiche bekannte Musikidole kehrten ihrer angestammte Heimat den Rücken. Dámaso Pérez Prado – sein Mambo-Orchester fällt mit einem explodierenden Bläsersatz auf – zieht es vor, in Mexiko City zu leben. Ebenfalls nach Mexiko, später in die USA, geht Celia Cruz, die Königin der Rumba. Die fesche Olga Guillot sieht, so singt sie, den so geliebten Son aus Kuba fliehen. Und sie flieht gleicht mit.

Doch Kubas Musikszene zeigt sich vital, rasch kommt eine neue Generation Musiker auf. Chucho Valdes ruft 1972 ein Ensemble ins Leben, das über Jahrzehnte zu den besten weit und breit gehören sollte. Die Gruppe legt sich den

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The Voice & The Brain: Frankie and Quincy

Neben seiner unvergleichlichen Stimmfarbe und seines traumwandlerischen Rhythmusgefühls gibt es ein weiteres Geheimnis um den Erfolg von Frank Sinatra. Der Crooner hat zeitlebens immer genug finanzielle Mittel, Spitzenleute um sich zu scharen.

Das gilt zunächst für Musiker, denn stets haben ihn erstklassige Solisten und Orchester begleitet. Da muss man nur den Namen Count Basie erwähnen. Gleiches jedoch trifft auch auf die Arrangeure zu. Sinatra hat sich stets mit den besten seines Faches umgeben und all die Spitzenarrangeure haben für ihn Spitzenarrangements geschrieben.

Gemeinhin wird die Bedeutung der Arrangeure unterschätzt. Mehr noch als der Komponist verantwortet der Arrangeur den musikalischen Erfolg. Oder anders, ein schlechtes Arrangement kann eine gute Komposition gnadenlos kaputt machen.

Das wusste Frankieboy. Und deshalb legt er auf gute Arrangeure ein besonderes Augenmerk. Nelson Riddle ist der wichtigste Arrangeur Frank Sinatras in den 50er Jahren. Bei Capitol Records beginnt 1953 ihre Zusammenarbeit. Riddle arbeitet über all die Jahre besonders die swingenden Elemente in Sinatras Musik heraus. Songs For Swinging Lovers (1956), A Swinging Affair (1956) und Sinatra Sings For Only The Lonely (1958) sind die herausragenden Platten dieser Partnerschaft.

Der Arrangeur Don Costa betont hingegen mehr die pop-geneigte Seite Sinatras. Seine Meisterstücke sind My Way (1969), Ol’Blue Eyes Is Back (1973) and Trilogy (1980). Es ist dieser Don Costa, der die Arrangements für Sinatras Welthits My Way und New York, New York schreiben sollte.

Aber auch die Arrangeure Billy May, Johnny Mandel, Axel Stordahl in den frühen Jahren, Neil Hefti und Gordon Jenkins bauen wichtige Meilensteine in der Karriere Sinatras. Alles schön, alles oberschön. Doch da gibt es noch einen anderen.

Denn der beste aller besten an Sinatras Seite wirkt zunächst als musikalischer Leiter seiner Band, später dann auch als sein erster Arrangeur. Sein Name:

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