Reisen & Begegnungen

Kategorie: Politik Seite 6 von 9

Der Politthriller, in dem ich mitspiele

Die Mauer steht am Rhein, das inzwischen sowohl als Hardcover als auch als Taschenbuch erschien, ist ein nettes Buch. Oder genauer: Zumindest die Grundidee des Buches – Untertitel Deutschland nach dem Sieg des Sozialismus – besitzt Charme. Hier wird nämlich die Geschichte von DDR und BRD als spiegelverkehrtes Gedankenspiel nachvollzogen.

Nicht der kapitalistische Westen hat Ende der 80er Jahre den Kampf der Systeme gewonnen, nein, umgekehrt. Die kommunistische DDR hat obsiegt, die alte kapitalistische Bundesrepublik siecht dahin, Erich Honecker wird der neue Chef vom wiedervereinigten Deutschland und der Alltag findet unter kommunistischen Vorzeichen statt.

Ein paar Aufrichtige wandern aus in die Schweiz, nach Zürich, wo eine Exil-Regierung gebildet wird. Diejenigen, die da bleiben, passen sich an, wenden sich schneller, als ein Trabi seine Runden zieht. Also, nette Idee, und zudem eine gute Gelegenheit, dem einen oder anderen eine Kopfnuss zu verpassen, zum Beispiel den Opportunisten von Erichs Gnaden.

Autor dieses Politthrillers ist der

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Der Fall Europas

Eine Neuerscheinung, die einem den Atem stocken lässt. After the Fall. The End of the European Dream and the Decline of a Continent. Der amerikanische Historiker Walter Laqueur hat dieses Buch vor kurzem geschrieben und es ist die beste Analyse zu unseren Problemen weit und breit.

Laqueur, ehemaliger Professor an der Georgetown University in Washington, überzeugt durch seinen messerscharfen Blick auf den alten Kontinent. Dieses Europa sei zu bequem geworden, habe seine Werte verloren, Schurken wie Gaddafi gewähren lassen, habe sich vom leichten Wohlstand einlullen lassen und sich nicht zukunftsfit gemacht.

Die Wahrheiten, die Laqueur ausspricht, sind unangenehm. Der Historiker liebt eine klare Sprache. Europa sei an sich selbst gescheitert: keine politische Integration, alternde Gesellschaften, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, eine falsche Einwanderungspolitik.

Walter Laqueur, 1921 in Breslau geboren, und als Jugendlicher kurz vor dem Krieg mit Familie vor den Nazis geflohen, zeichnet als Historiker die großen Linien. Die drei Jahrzehnte nach dem Krieg dienten der moralischen Vision von Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Nach diesen sozialdemokratischen Jahren ging es abwärts. Werte wurden

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Bezahlt wird nicht in der DDR

Ost-Berlin, den 18. Juni 1982

Der Ruf dieses Theaters hallt wie Donner. Das Theater am Schiffbauerdamm. Ost-Berlin. Das Berliner Ensemble. Das Haus von Bertolt Brecht. Wir schreiben das Jahr 1982.

Die Wiedervereinigung liegt noch in weiter Ferne. Noch regiert hier die SED, in einem Staat, der sich DDR nennt und sich für das bessere Deutschland hält, obwohl er an den Grenzen die Menschen tot schießt wie Karnickel.

Doch man hält die Fahne der Kultur hoch. Der richtigen Kultur. Ein Hauch der Literaturgeschichte weht durch den klassizistischen Bau, man wähnt sich nahe an der klassischen Moderne, hier wirkte Bert Brecht, der Augsburger, und viele reden sich ein, hier sei er noch immer.

Doch heute Abend wird nicht Brechts episches Theater gegeben, sondern Dario Fo: Bezahlt wird nicht! Für 2,05 Ost-Markt. Das Theater kommt adrett renoviert daher und strahlt im Glanze, wie sonst eigentlich in diesem Land wenig strahlt und glänzt.

Dario Fo, das ist eine italienischer Theater-Anarchist, kein Mann für zarte Zwischentöne, sondern für’s Grobe. Eigentlich keine

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Dietrich Oppenberg sichert die Presseversorgung

Dietrich Oppenberg (re.), Düsseldorf im Mai 1991; Photo by Hasso von Bülow

Die Unabhängigkeit des Journalismus ist ein hohes Gut. Und wenn man es mit der Unabhängigkeit des Journalismus ernst nimmt, dann setzt dies in vielen Fällen auch materielle Unabhängigkeit voraus. Ich habe in meiner Zeit in Lateinamerika einfach zu viele Artikel der Firma Lob & Hudl gelesen, zu viele gekaufte Journalisten und zu viele Zeitungen gesehen, die am Tropf des Staates hingen.

Der Journalismus sollte raus aus der Hungerlohn-Ecke, aus dem kargen Künstlerdasein, er sollte sich zu einem mündigen Berufsbild mit Qualität und Selbstwertgefühl wandeln. Das mag die Vision von Dietrich Oppenberg gewesen sein, die ihn antrieb, das Versorgungswerk der Presse ein halbes Jahrhundert zu seiner Lebensaufgabe zu machen.

Die Presseversorgung, die in Deutschland die private Altersvorsorge für Medienleute bündelt, war für den überzeugten Sozialdemokraten eine Institution, in der sich Verleger und Gewerkschaften in beiderseitigem Interesse treffen sollten.

Denn Journalisten und Verleger lag daran,

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Jacques Attali fliegt schnell und ziemlich tief

FOCUS Nr. 49/2011

Wenn Deutschland und insbesondere Angela Merkel in Sachen Euro-Bonds nicht bald nachgeben, dann wird der Euro Weihnachten nicht überleben. So sprach Jacques Attali, der ehemalige französische Regierungsberater, dem FOCUS Ende November ins Mikrophon. Diese gewagte Prognose ist Wort für Wort nachzulesen in der Ausgabe 49 des Magazins auf der Seite 30.

In den letzten kalten Wochen des vergangenen Jahres hat der düstere Ausblick des Jacques Attali gehörig für Aufsehen gesorgt und bei manch Unkundigem auch Beunruhigung ausgelöst.

Nun, Mitte Januar 2012, die Euro-Bonds gibt es immer noch nicht, die Weihnacht ist längst vorüber und der Euro lebt. Und Monsieur Attali steht da wie ein Narr.

Vielleicht sollte man Jacques Attalis Worte nicht zu schwer wiegen. Er ist allgemein bekannt für seine, sagen wir mal, unorthodoxe Sicht der Dinge. Der Wirtschaftswissenschaftler des Jahrgangs 1943 ist ein typischer Vertreter der französischen Elite: feinste Schulen, gleich mehrere Grandes Écoles, Staatsdienst, Professor, als Krönung dann enger Berater des Präsidenten Francois Mitterrand mit einem Büro im Élysée-Palast. Ein eigenwilliger Kopf, oft ein zahnloser Löwe, der auf den Pariser Soirées Privées impressionieren kann, aber der mit seinem verschwurbelten Denken nicht im und am Geschehen ist.

Attalis stets spürbarer Dünkel bleibt

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…und wie wir wieder reich werden

Photo by W. Stock

Als erstes müssen wir aufhören, auf Pump zu leben. Ausgeglichene Haushalte müssen sowohl beim Bund, in den Ländern und den Gemeinden die Regel werden. Und – als Zeichen guten Willens – sollte endlich auch getilgt werden.

Im Bundeshaus gilt es, eine Lücke von 26 Milliarden Euro zu schließen. Bei einem Ausgabenvolumen von 306 Milliarden Euro dürfte dies machbar sein. Die Ausgaben des Bundes sind in keinem Jahr gesunken, sondern immer gestiegen. Ein Sparwille war bisher nicht auszumachen. Sich auf höhere Einnahmen zu verlassen oder diese zu fordern, ist fahrlässig. Spätestens beim nächsten Konjunkturabschwung bricht diese Strategie in sich zusammen.

Für den Bund gilt, was auch für ein Unternehmen gilt, Haushalte werden über Kosten gesteuert. Alles andere wäre kaufmännisch riskant. Zusätzliche Einnahmen bleiben willkommen und dienen dann der Tilgung.

Was makroökonomisch richtig ist, das trifft auch für den

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Wie wir arm wurden…

Photo by W. Stock

Im nächsten Jahr macht Deutschland mehr Schulden als in diesem Jahr. Wie diese Schulden zurück gezahlt werden sollen, weiß keiner. Ein wenig komme ich mir vor wie auf einer Hochzeit. Einer hat die Musik bestellt, aber keiner will danach zahlen.

So langsam dämmert’s den Leuten. Unser Wohlstand ist auf Pump. Seit Jahren verschlingen unsere Wohlfühlstaaten mehr als sie einnehmen. Die Schulden steigen. Trendwende nicht in Sicht.

Deutschland muss sich von einer Illusion verabschieden. Von dem Glauben, dass der Wohlstand automatisch immer weiter steigt. Und plötzlich ziehen Wolken auf: prekäre Arbeitsverhältnisse, verdichtete Arbeit, sinkende Reallöhne. Da schüttelt sich Deutschland: der Wohlstand wächst nicht mehr, sondern er nimmt ab.

Die Mittelschicht gerät unter Druck und wird von Abstiegsängsten geplagt. Viele verstehen nicht, was da vor sich geht, und reagieren mit Angst, Auflehnung und Resignation. Der Normalbürger agiert verunsichert und defensiv. Statuserhalt ist seine Devise, ja nicht sozial abrutschen. Die Mittelschicht verfolgt ihren kleinen Traum vom Wohlstand: ein kleines Häuschen, eine gute Ausbildung für die Kinder, einmal im Jahr ans Meer. Der Mittelschichtler liebt Sicherheit und Harmonie.

Doch Sicherheit und Harmonie kann

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Angela Merkel bleibt die Antwort schuldig

Photo by W. Stock

Berlin, den 18. November 2011

Die Bundeskanzlerin besucht die Zeitschriftentage des VDZ. Wie so oft überzeugt Angela Merkel mit gesundem Menschenverstand und einer Politik mit Augenmaß. Doch diesmal bleiben ihre Worte seltsam leer.

Unsere Welt befinde sich im Umbruch und Deutschland stehe vor gewaltigen Herausforderungen. Gerade bei der Integration von Migranten und der Bildungsförderung spielen Zeitungen und Zeitschriften eine wichtige Rolle.

Die Gesellschaft drohe auseinander zu driften und zu zersplittern. Hier komme den Medien die wichtige Aufgabe zu, Zusammenhalt und Zusammenleben zu fördern.

Über die Jahre hinweg betrachtet zeigen die Anmerkungen der Bundeskanzlerin jedoch auch, wie eng die Gestaltungsspielräume der Politik mittlerweile geworden sind. VDZ-Präsident Hubert Burda hatte in seiner Einführung vier ganz konkrete Felder genannt, auf denen die Verleger Anpassungsbedarf durch Ordnungspolitik sehen: die Lockerung des Kartellrechts, eine Netzneutralität, das Leistungsschutzrecht und ein praxisnaher Datenschutz.

Zu allen Punkten bleibt Angela Merkel eine konkrete Antwort schuldig. Kartellrecht? Zum Teil Ländersache. Leistungsschutzrecht? Großer Widerstand im Parlament. Datenschutz? Muss über Europa laufen.

Politik, dies sagt Angela Merkel nicht, aber man spürt die Botschaft, Politik ist ein

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Henry Kissinger: Die Macht verschiebt sich vom Atlantik zum Pazifik

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Berlin, den 17. November 2011

Eine kurze, aber prägnante Rede von Henry Kissinger gestern Abend auf der Publishers‘ Night des VDZ. Die eine oder andere unangenehme Wahrheit sagte der von den Nazis vertriebene Heinz Alfred Kissinger aus Fürth seinen Zuhörern denn auch auf Deutsch.

Zunächst machte der ehemalige amerikanische Außenminister deutlich, wie brüchig es um das europäische Haus bestellt ist. Der Grundwiderspruch unserer Tage: Die Wirtschaft funktioniere heute nach globalen Regeln, während der Westen noch in den Denkmustern der Nationalstaaten verharre. Die EU sei ein technokratischer Torso.

Dies gehe einher mit einem Souveränitätsverlust der Staaten und der Politik. Deshalb seien andere davon gezogen, es mache keinen Sinn, sich über die Spielregeln zu beschweren. Die Gewinner des Wettbewerbes amüsiere dies nur.

Der Friedensnobelpreisträger von 1973 wies auf den Paradigmenwechsel hin: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei es um Sicherheit gegangen, hochgerüstete Weltmächte standen sich damals gegenüber.

Heute gebe es glücklicherweise kein Feindbild mehr. Die Herausforderung liege auf wirtschaftlichen Gebiet. Nun komme es darauf an, die Globalisierung zu einem

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Mao: ferner Großvater und neuer Popstar

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Peking, Anfang November 2011

Der große Vorsitzende Mao Zedong zeigt sich immer noch präsent in Peking. Auf dem Tiananmen Platz natürlich in seinem Mausoleum, in einem Glassarg. Nicht tot, dafür aber überlebensgroß am Tor des himmlischen Friedens, der Kopf überlebensgroß, noch in Hunderten Metern sichtbar.

Mao prangt auf Geldscheinen, Gemälde mit seinem Konterfei finden sich in den Straßen, Zeichnungen in den Shops. In den Buchläden ist sein rotes Spruchbeutel-Büchlein noch immer im Stapel ausgelegt. Die weisen Worte des großen Vorsitzenden. Mao-Bibel haben wir sie früher genannt. Fotos, Poster, Statuen, groß, klein, mittel. Oben, unten. Der Chairman Mao ist überall.

Doch wie sieht das heutige moderne China diesen Mann? Ich frage nach, und bekomme meist die gleiche Antwort. Mao sei der Vater der Unabhängigkeit, der Einheit Chinas, man möge ihn, man verehre ihn.

Insbesondere in der Generation der 60- bis 80-Jährigen scheint Mao populär. Er wirkt als Katalysator. Für alle, denen die neue Zeit nicht ganz geheuer ist, die mit dem Tempo der Reformen so ihre Schwierigkeiten haben, für all die, bleibt Mao die fixe Größe, der Anker, das Stetige.

Der Mythos Mao steht so für

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