Notizen und Anmerkungen von unterwegs

Jacques Attali fliegt schnell und ziemlich tief

FOCUS Nr. 49/2011

Wenn Deutschland und insbesondere Angela Merkel in Sachen Euro-Bonds nicht bald nachgeben, dann wird der Euro Weihnachten nicht überleben. So sprach Jacques Attali, der ehemalige französische Regierungsberater, dem FOCUS Ende November ins Mikrophon. Diese gewagte Prognose ist Wort für Wort nachzulesen in der Ausgabe 49 des Magazins auf der Seite 30.

In den letzten kalten Wochen des vergangenen Jahres hat der düstere Ausblick des Jacques Attali gehörig für Aufsehen gesorgt und bei manch Unkundigem auch Beunruhigung ausgelöst.

Nun, Mitte Januar 2012, die Euro-Bonds gibt es immer noch nicht, die Weihnacht ist längst vorüber und der Euro lebt. Und Monsieur Attali steht da wie ein Narr.

Vielleicht sollte man Jacques Attalis Worte nicht zu schwer wiegen. Er ist allgemein bekannt für seine, sagen wir mal, unorthodoxe Sicht der Dinge. Der Wirtschaftswissenschaftler des Jahrgangs 1943 ist ein typischer Vertreter der französischen Elite: feinste Schulen, gleich mehrere Grandes Écoles, Staatsdienst, Professor, als Krönung dann enger Berater des Präsidenten Francois Mitterrand mit einem Büro im Élysée-Palast. Ein eigenwilliger Kopf, oft ein zahnloser Löwe, der auf den Pariser Soirées Privées impressionieren kann, aber der mit seinem verschwurbelten Denken nicht im und am Geschehen ist.

Attalis stets spürbarer Dünkel bleibt typisch für jene Salon-Sozialisten aus der Umgebung Mitterrands, für jene Jack Lang oder Strauss-Kahn. Politiker, die sich per Selbstüberhebung, als Elite des Landes begreifen, wenn das mal ausreicht.

Ich habe mit Jacques Attali 1992 ein Buch verlegt, Millennium – Gewinner und Verlierer in der kommenden Weltordnung. Kein großer Wurf, eher ein flott und schnell geschriebener prophetischer Essay, was uns wohl im nächsten Jahrtausend zu erwarten hat.

Und auch in diesem Buch deutet sich schon das ganze intellektuelle Dilemma an. Da in Attalis Kreisen die Abscheu vor Amerikanischem ausgeprägt ist, ernennt Attali kurzerhand Europa und Japan zu den neuen Machtzentren des 21. Jahrhunderts. Wie wir heute wissen, liegt Attali auch bei dieser Vorhersage voll daneben.

Sobald Jacques Attali spricht, so spricht nicht der Volkswirt, sondern der politische Philosoph und das Ressentiment einer arg hoch getragenen Nase. Und wenn die Voreingenommenheit und das Klischee mit einem französischen Intellektuellen durchgeht, dann gibt es oft kein Halten.

Wenn es jedoch an der einen oder anderen Stelle konkret werden muss, siehe das weihnachtliche Ende des Euro, dann wird selbst in den Pariser Salons ziemlich tief geflogen.

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  1. I. Houben

    Mir ist so einer lieber als dieser Sasrzoy und seine Truppe, die das schöne Frankreich verschandeln.

  2. apple

    Fortsetzung:
    Diese „Salonlöwen“ Frankreichs kennen wir doch schon seit mehr als fünf Jahrhunderten, eben, seit es die Salons gibt, in denen diese „charmanten Löwen“ den meist adeligen, auf alle Fälle reichen Damen die Zeit vertrieben. Nostradamus zählte auch dazu und Attali scheint die Tradition bis fast in die Gegenwart getragen zu haben. Und was ist jetzt? Pah! Plaudertaschen, viel Gerede und (m.E.) Größenwahnsinn. Wie gut sich doch Sarkozy und Merkel ergänzen.

    Attali -> Naisbitt, das ist ein Musterbeispiel für Dampfplauderei gegenüber Vernunft und Intelligenz.

  3. apple

    Ja, ja – immer die Franzosen! 😉

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