Notizen und Anmerkungen von unterwegs

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Paul Anka: Goodnight, My Love

Auch mit 82 Jahren ohne Berührungsangst vor dem Publikum. Paul Anka: Goodnight, My Love. Mohegan Sun Arena, Uncasville/Connecticut, November 2023.

Goodnight, my love 
Pleasant dreams and sleep tight, my love
May tomorrow be sunny and bright
And bring you closer to me

Before you go
There’s just one thing I’d like to know 
If you love is still warm for me
Or has it gone cold?

If you should awake in the still of the night
Please have no fear
For I’ll be there, darling you know I care
Please give your love to me, dear, only

Goodnight, my love 
Pleasant dreams and sleep, sleep tight, my love
May tomorrow be sunny and bright
And bring you closer to me

Goodnight, my love
Pleasant dreams and sleep tight, my love
May tomorrow be sunny and bright
And bring you closer to me

Goodnight, My Love – Pleasant Dreams (zu deutsch: Gute Nacht, mein Liebling – angenehme Träume), oft auch verkürzt als Goodnight, My Love bezeichnet, ist eine Ballade im 4/4-Takt. Sie wird häufig von Jazz- und Pop-Sängern gesungen. Komponisten der Ursprungs-Version sind George Motola und Jesse Belvin im Jahr 1956. Die Originalaufnahme stammt von Jesse Belvin für das Label Modern Records aus Los Angeles.

Der Text von Goodnight, My Love – Pleasant Dreams umschreibt ein Liebeslied, in dem Zuneigung und Fürsorge einen Gute Nacht-Wunsch begleiten. Die Akkordfolge der Strophen entspricht einem einfach aufgebauten Pop-Schema mit Turnaround und Bridge. Diese Schnörkellosigkeit lässt Platz für ein kraftvolles Arrangement und vokale Finesse.

Goodnight, My Love (Pleasant Dreams) wird über die Jahre und Jahrzehnte von

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Señor Teddy in Acapulco

Teddy Stauffer als Wayne in dem Film 48 Stunden bis Acapulco.

Im Jahr 1982 lebte ich für mehrere Monate im mexikanischen Acapulco, als Acapulco noch das gute herrliche Acapulco gewesen war. Ohne die Drogenkämpfe von heute, die Kriminalität und ohne die Militärs vor den Banken. Und auch der Pazifik leuchtete blau, wie ein Meer nur blau leuchten konnte. Zunächst fand ich Unterkunft in einem Hotel in der Altstadt, später in einem Bungalow an der Quebrada. Und ich wollte Teddy Stauffer kennenlernen, Mister Acapulco, wie er in den internationalen Gazetten tituliert wird, Señor Teddy, so nennen ihn die Einheimischen respektvoll.

Ich schlage das Telefonbuch auf, und sein Name steht da. Stauffer, Teddy 41161, Av. Villa Vera S/N. Stauffer. Villa Vera, so heißt seine luxuriöse Hotelanlage. Nach dem Klingeln meldet er sich persönlich. Kommen Sie morgen doch vorbei, sagt er kurz und freundlich. Ein unkomplizierter Mensch, Acapulco halt. Die Villa Vera war vor 50 Jahren – neben dem Las Brisas – der angesagte Schuppen für Prominente und Superreiche an der mexikanischen Pazifikküste. Frank Sinatra, Elizabeth Taylor, Liza Minnelli, John Wayne übernachteten hier. Das besondere an dem Hotel: Die Suiten verteilten sich wie kleine Villen über eine Anhöhe mit Blick auf das Meer.

In seinem Turmhaus der Villa Vera haben wir uns lange über sein Leben und seine Musik unterhalten. In Murten am Murtensee, zwanzig Autominuten von der Landeshauptstadt Bern entfernt, ist Ernest Henri Stauffer im Jahr 1909 geboren worden. Schon als Schüler hat er mit Freunden eine Jazzband gegründet. Der Rest ist Geschichte. Über 300 Schallplatten haben Teddy Stauffer und seine Original Teddies in den 1930er Jahren aufgenommen. Das ist Rekord in diesen schwierigen Zeiten, der Schweizer Teddy Stauffer wird zum Swing-König von Berlin, vom Publikum gefeiert und bejubelt.

In den Hitlisten stehen sie in dieser freudlosen Zeit immer ganz oben. In Berlin und Leipzig sind Teddy und seine Mannen in jenen Jahren so bekannt wie heute Lady Gaga und Madonna zusammen. Die Band des Teddy Stauffer ist smooth gewesen, swinging und vor allem hotThe hottest Band in Town. Und hot bedeutet in jener Zeit sehr swingend. In Berlin eifern die Teddies ihren Vorbildern aus Übersee nach. Die meisten Song spielen sie nach US-Arrangements, alles klingt sehr amerikanisch. Wir hatten damals den Swing, sagt Teddy Stauffer stolz.

Der Jazz hat den Nazis natürlich nicht gefallen. Doch den Schweizer Stauffer ließ man lange gewähren, zur Olympiade 1936 wollte man ein freundliches Gesicht zeigen und die Welt hinters Licht führen. Wirklich Ahnung von der Musik, die ihnen nicht ins Weltbild passte, hatten die braunen Machthaber nicht. Mit den Jahren wurde der Druck dann doch zu groß. Teddy ging zurück in die Schweiz. Und im Jahr 1941 packte der abenteuerlustige Musiker dann seinen Koffer, fuhr mit einem Atlantikkreuzer über das Meer nach New York, von dort nach Hollywood. Und viele Monate später sollte er dann in Acapulco stranden.

Es wurde für Teddy eine Vertreibung ins Paradies. Der sympathische Schweizer fand schnell im Hotelgewerbe sein Auskommen, zunächst als PR-Manager, später als Teilhaber. Die Karriere als Musiker hatte er in Europa zurückgelassen, die Villa Vera bildete fortan seine neue Heimat. Und Teddy Stauffer sorgte dafür, dass all die Leinwandgrößen aus Hollywood, die Sterne und Sternchen, hinab ins Acapulco Dorado – ins vergoldete Acapulco – pilgerten und froh waren, ohne Schlips und Kragen endlich ins richtige Leben springen zu dürfen.

Und auch Teddy am Pazifik ließ nichts anbrennen. Hedy Lamarr, Rita Hayworth, sein Notizbuch ist voll mit schönen Frauen. Vier Ehen, vier Scheidungen. Für die Ehe ist dieser Mann nicht gemacht. Eher ein typischer Playboy jener Zeit. Jeder älter er wurde, desto jünger die Freundinnen. Aber nun, mit Mitte 70, zeigt sich Teddy als Lebemann, den auch

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Jack Kerouac und das magische Land am Ende der Strasse

Jack Kerouac: On the Road. Das atemlose Manifest einer ganzen Generation. Mit einem halbwegs glücklichen Ausgang.

Von Jack Kerouac – er wird am 12. März 1922 in Lowell, in Massachusetts, geboren – gibt es ein wahnsinniges Buch. On the Road, zu Deutsch Unterwegs, ist ein literarischer Paukenschlag und so etwas wie die heilige Schrift der Beat Generation. Zugleich ist dieser Roman das Psychogramm einer ganzen Generation, die nach dem Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre nicht weiß, wohin.

On the Road, das Werk erscheint erstmals im Jahr 1957, verkörpert den Protest der Jungen gegen die biedere Welt der Eltern. Eine neue Generation, kopflos herumirrend, begehrt auf gegen die satte Spießigkeit der Mittelschicht, sie ist auf der Suche nach Sinn und einem neuen Lebensgefühl. Rock ’n‘ Roll, James Dean, der Bebop, später die Hippies, Easy Rider und Woodstock, sie alle werden im Laufe der Jahre zu den Identifikatoren des Protestes der Halbstarken gegen den braven Alltag der Eltern.

Allerdings finden sich in On the Road auch anerkennende Rückbesinnungen auf’s Althergebrachte und allerlei Anker-Begegnungen, beim Jazz, der Philosophie und in der Literatur. Es wird auf knapp 400 Seiten eine rasante Fahrt, nicht nur durch die USA, sondern auch durch die Gefühlswelt einer ganzen Generation. Der Erzähler Sal Paradise – der Protagonist mit dem verräterischen Namen ist das Alter Ego von Kerouac – und sein Freund Dean reisen durch die Vereinigten Staaten.

Die zwei Freunde trampen, sie kapern Güterzüge, sie klauen Autos, es geht die USA rauf und runter, kreuz und quer. Ohne Ziel und ohne Plan. Es nützt wenig: Am bitteren Ende jeder Reise bleibt nach der Rückkehr die Leere, die vergebliche Suche nach dem Ich, nach einem Platz in der Gesellschaft, nach den eigenen Idealen und Werten, die sich doch von denen der Eltern-Generation unterscheiden müssen. 

Sal und Dean, und all die anderen, wohnen schäbig in Spanish Harlem, sie wühlen und kruscheln in Chicago und New Orleans, sie lassen sich treiben in Arizona, sie kiffen sich durch San Francisco, jeder Schritt ohne Sinn und Verstand, immer gehetzt. Und so erweist sich der Rhythmus dieses Buches ebenfalls als rasend, ganz wie die Jazzmusik der damaligen Jahre, die honigsüßen Swing-Girlanden fallen aus der Zeit, schneller Bebop Jazz formiert sich, schrill und atemlos.

Jack Kerouac reist als underdog, säuft sich durch die billigen Kneipen der Vororte, fällt hinein in die abgetakelten Bretterbuden des roten Lichtes bei Nacht, schrammt haarscharf an den Gefängnistoren vorbei, tigert munter durch die Ghettos der Großstadt. Der Mann aus Lowell schreibt lakonisch, karg und trocken, aus dem Bauch heraus, schmerzfrei rotzt er all seine Sätze heraus. Um grammatikalische Korrektheit und stilistische Konvention schert er sich einen Dreck, die Sätze sprudeln wild heraus wie ein stürmisches Quellwasser.

All das Herumirren will eine tiefe Leere verdrängen. Jack Kerouac sucht das Ziel seiner Träume. In On the Road findet er ganz zum Ende der Reisen schließlich seinen Garten Eden. Hinter uns lag das ganze Amerika und alles, was Dean und ich bisher vom Leben gekannt hatten, auch vom Leben unterwegs. Endlich hatten wir das magische Land am Ende der Straße gefunden, und nie hätten wir uns träumen lassen, wie magisch es war.

Es ist das Land, wo nicht Milch und Honig, sondern

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Mucho macho, Machito

Machito, im Juli 1982; Photo by Volker Wagner

Salsa, Latin, Buena Vista. Das ist Musik, die unter die Haut und dann direkt in die Beine geht. Noch heute hallen die Ohrwürmer der Latin-Klassiker nach, das Oye, como va des Timbalisten Tito Puente, Watermelon man gespielt von dem Perkussionisten Mongo Santamaria oder die Ballade von Pedro Navaja, die Ruben Blades zum besten gibt.

Mit ihrer scharfen Sauce aus viel Rhythmus, südamerikanischer Melodik, ausschweifenden Improvisationen und swingendem Unterbau gelingt es den Salsa-Königen aus Kuba, Puerto Rico und der Bronx musikalisch die halbe Welt zu betören. La Sonora Matancera, Monguito, Celia Cruz, Willie Colón oder Ray Barretto, die alten Knaben vom Buena Vista Social Club – das ist Musik, vital und explosiv, wie sie manch junger Rapper nicht mitreißender hinkriegt.

Doch den Vater, den Urahn, dieser Musik kennen heute die wenigsten. Angefangen hat das ganze in den

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Im Tropicana hageln die Sterne

Grafik by Fernando Tejeda

Havanna, im April 1983

Im doch tristen kommunistischen Alltag auf Kuba erwartet uns am Abend eine farbenprächtige Abwechslung. Wenn man einen guten Tag erwischt, so hat man uns gesagt, dann endet die Show des Tropicana weit nach Mitternacht.

Wie auch immer, der Ruf des Tropicana bleibt legendär. Der beste Nachtclub der Welt. Xavier Cugat und Nat King Cole haben auf der Bühne dieses Freiluftclubs gespielt und in den Zuschauerreihen saßen Kerle wie Ernest Hemingway oder Marlon Brando.

Und so nähern wir uns denn neugierigen Schrittes diesem Club unter dem schwülen Sternenhimmel Havannas. Vor uns sehen wir ein weitläufiges Areal, das von weitem eher an ein schmuckes Farmhaus erinnert. Tropicana prangt mächtig und bunt im Halbkreis über dem Eingang.

Ein Tisch vor der breiten Bühne wird uns zugewiesen. Ohne dass wir etwas bestellt hätten, stellt uns ein langer, ziemlich miesepetriger Ober wortlos drei, vier Flaschen Carta Blanca auf den Tisch, dazu ein paar Gläser, und überlässt uns

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Die besten Sänger aller Zeiten

Vor einiger Zeit gibt der Rolling Stone eine Sondernummer heraus. 100 Greatest Singers of All Time steht auf dem Cover des Musikmagazins. Die Ausgabe der führenden amerikanischen Musikzeitschrift kürt die besten Sänger aller Zeiten – Männlein und Weiblein in einer Liste.

Und hier spricht nicht irgendwer, nein, hier meldet sich die wohl bestgemachte Musikzeitschrift der Welt zu Wort. Und das Wort des Rolling Stone hat Gewicht.

Eine wahrlich imposante Auflistung von Platz 1 bis Platz 100, die da im Rolling Stone zu finden ist, zusammen gestellt von einer überaus gewichtigen Jury aus illustren Journalisten und bekannten Musikern.

Nachstehend die ersten zehn Positionen. Also die 10 größten Sänger der Welt, die 10 größten aller Zeiten, gemäß der Jury des Rolling Stone.

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Teddy Stauffer kann das braune Pack nicht ausstehen

Teddy Stauffer auf der Terrasse seines Apartments im mexikanischen Acapulco, im November 1982;
Photo by W. Stock

Einige Zeit haben die Nazis die Swing-Musiker in Ruhe gelassen. Eine trügerische Ruhe. Denn die Braunhemden haben die synkopierte Musik als entartete Kunst gehasst und bekämpft. Doch Teddy Stauffer war Schweizer und bei ihm hätte man diplomatische Verwicklungen riskiert. Zudem wollten die Nazis vor den Olympischen Spiele 1936 der Welt ein freundliches und sauberes Idyll vorgaukeln.

Teddy Stauffer und seine Original Teddies, damals Deutschlands bekannteste Swing-Band, befinden sich im Berlin der 30er Jahre auf dem Höhepunkt ihres Ruhms. Doch nach 1936 nimmt die Pression zu. Die Nazis verachten die Musik aus Amerika, seit 1935 darf Jazz nicht mehr im deutschen Rundfunk gespielt werden und nun werden auch öffentliche Auftritte schwieriger.

Der 73-Jährige führt mich auf die Veranda seiner Turmvilla in Acapulco, so als müsste er nach frischer Luft schnappen. Im November 1982 bin ich zu Besuch bei Teddy Stauffer in Mexiko, seiner neuen Heimat, und der berühmte Orchesterchef erzählt aus seinem bewegten Leben.

Wir spielten 1938 in Leipzig, im Felsenkeller, wo auf der Bühne und vor der Tanzfläche große Plakate hingen: Swing tanzen und Swingmusik verboten – Reichsmusikkammer. Zwischen zwei Musikstücken kam plötzlich die Gestapo auf die Bühne und stoppte das Konzert. Der Gestapoleiter sagte ganz formell: ‚Man hat reklamiert, dass Sie Swingmusik spielen.‘ Da meinte ich: ‚Ja, was ist denn das, Swingmusik?‘ Er konnte es natürlich nicht erklären.

Über das Gesicht des betagten Mannes huscht ein verschmitztes und zufriedenes Lächeln, während seine Augen zu dem blauen, sanften Meer vor Acapulco schweifen. Dann verdunkelt sich seine Miene und er versucht im nächsten Satz den melodiösen Klang seines Schweizerspanischs mit dem ruppigen Tonfall des Nazideutschs zu überspielen.

‘Spielen Sie keine deutschen Schlager?‘, fragte der Gestapomann hart. Da habe ich zu meinen Musikern gesagt, Nummer 43, das war ‚Bei mir bist Du schön‘. Das hört sich schön deutsch an, ist aber ein hundertprozentig jüdisches Lied. Das haben wir dann gespielt, aber die Gestapo sagte, dies sei immer noch amerikanische Negermusik. Daraufhin spielten wir den ‚Bugle Call Rag‘, aber im Marschrhythmus. In seinem Klarinettensolo hat Ernst Höllerhagen dann über das Horst-Wessel-Lied, die inoffizielle Nazi-Hymne, improvisiert. Das war so der Anfang von meinem Ende in Deutschland.

Der Völkische Beobachter, die Tageszeitung der Nazis, und ein Musikfachblatt griffen Stauffer und die Band dann an und schrieben: Raus mit diesen Ausländern und der Judenmusik. Das Ende der Schweizer Swing-Band in Deutschland war dann abzusehen. Die Teddies spielten auf der Schweizer Landesausstellung, als der Geisteskranke aus der Berliner Reichskanzlei 1939 den Überfall auf Polen befahl.

Der Krieg, vor dem so viele gewarnt haben, ist da. Es wird ein Krieg, an dessen Ende halb Europa in Schutt und Asche liegen wird und Millionen von Müttern, Vätern und Kindern in Konzentrationslagern um ihr Leben gebracht sein werden.

Doch Deutschland befindet sich im Kriegstaumel. Es herrscht Mobilmachung, die deutschen Musiker der Teddies werden eingezogen. Das Orchester zerbricht. Nein, nein, Widerstandskämpfer sei er nicht gewesen, meint Teddy Stauffer, das sei zu viel der Ehre. Er habe einfach dieses braune Pack mit seiner bornierten und freudlosen Auffassung vom Leben nicht ausstehen können.

Und im Jahr 1941 packt Teddy Stauffer dann seinen Koffer, fährt mit einem Dampfer über den Atlantik nach New York, geht nach Hollywood und wird viele Monate später hier in Acapulco stranden. Es wird für Teddy eine Vertreibung ins Paradies.

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Londons bester Swingerclub

Photo by W. Stock

Ronnie Scott’s in Soho. Photo by W. Stock

Sie sind fast alle verschwunden, entweder von der Bildfläche oder in die Bedeutungslosigkeit. Ich meine die Jazzclubs, dort wo sich in den 60er und 70er Jahren des abends die Anhänger der swingenden Musik trafen, bei einem Bier oder zweien, und den Musikern lauschten.

Wohin man auch blickt, traurig genug, die Jazzclubs spielen keine Rolle mehr. Mit einer Ausnahme, möchte man hoffnungsvoll anfügen, Ronnie Scott’s Jazzclub in London. Der zeigt sich fidel wie in alten Tagen.

Zwar ist sein Gründer, der Londoner Tenorsaxophonist Ronnie Scott, vor einigen Jahren gestorben. Doch es geschah dann etwas, was als großer Glücksfall zu bezeichnen ist. Auf den Gründer folgte mit der Theaterunternehmerin Sally Greene eine neue Generation, die den Laden übernahm, eine Person, die sowohl betriebswirtschaftliches Denken als auch musikalischen Sachverstand in sich vereinigt. Und wohl auch die Liebe zum Jazz.

Ronnie Scott’s Club liegt ein bisschen unscheinbar da in der Frith Street Nummer 47. Zwischen all den trendy Vineshops und Restaurants, den kleinen Trödelläden und den camouflierten Massagesalons. Hier zwischen Piccadilly und der Shaftesbury Avenue schlägt das Herz von London. nicht gerade im feinen und eleganten Takt, aber heftig pulsierend und dem Neuen zugeneigt.

Es fällt auf, dass im Club nicht nur kleine Hausgruppen oder der Nachwuchs spielt, sondern veritable Weltstars. Wenn ein Großer nach Europa kommt, dann ist die Chance groß, dass er hier in London in der Frith Street auftritt. Das lässt sich wegen der hohen Kosten allerdings nur amerikanisch darstellen. Die Auftritte des Stars erfolgen über zwei oder gar Auftritte pro Abend verteilt, wobei das Publikum dann immer ausgewechselt wird.

Zur Musik gibt es Essen, Getränke von der langen Bar links neben der kleinen Bühne. Eine Ronnie’s Bar, eine Lounge im Obergeschoss, rundet das Konzept ab. Dazu Merchandising. Nur in einer solchen Mischkalkulation wird man ein solch anspruchsvollen Programm finanziell stemmen können.

Und so geben sich die Stars von Jazz und Pop in Ronnie Scott’s die Klinke in die Hand: Tania Maria, José Feliciano, Nigel Kennedy, Monty Alexander, Manu Dibango – das sind Namen nur der letzten Wochen.

Was mir am neuen Ronnie Scott’s zudem auffällt, ist die Qualität des Marketing. Sonst oft nicht gerade die Stärke der Jazz-Freunde, zeigt sich die Werbung für den Club und die Konzerte auf der Höhe der Zeit. Website, Mitgliederkonzept, Thementage, Events, ein informativer Newsletter – alles vom Feinsten. Und all das, obwohl man mittlerweile über 50 Jahre auf dem Buckel trägt. Solches macht Hoffnung, nicht nur für den Jazz, sondern auch für den Live-Jazz.

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Drei Wünsche des Jazz

Dies ist ein wunderbares Buch, ein Buch voller Anmut und Sentimentalität. Es lädt ein zur nostalgischen Reminiszenz und zum tiefgehenden Staunen. Ein Kleinod für Jazz-Freunde aus dem Reclam-Verlag.

Die Mentorin des Werkes, die Baronesse Pannonica de Koenigswarter, die jüngste Tocher von Charles Rothschild, war eine Jazzverrückte, seit sie als junges Mädchen die Plattensammlung ihres Vaters entdeckte.

Später wurde sie Vertraute, Beichtmutter und letzte Hilfe vieler Jazz-Musiker im New York der 50er und 60er Jahre. Nica war die Frau, in deren Wohnung Charlie Parker Obdach fand und starb. Und in der Thelonious Monk neun Jahre lebte.

In über zwei Dutzend Jazzkompositionen flog ihr der Dank der meist schwarzen Musiker zu. Nica oder My Dream of Nica von Sonny Clark beispielsweise oder das berühmte Pannonica von Thelonious Monk.

Mit ihrer Polaroid-Kamera fotografierte die Baronesse 300 ihrer Musikerfreunde und ihnen allen hat sie die Frage gestellt, was sie sich wünschen würden, hätten sie drei Wünsche frei. Ihre Großnichte Nadine de Koenigswarter hat aus den Antworten ein leidenschaftliches und zugleich liebenswertes Buch zusammen gestellt.

Ebenso interessant wie die leicht vergilbten Polaroids erscheinen die drei Wünsche der Giganten des Jazz. Von Monk, Dizzy Gillespie, Coleman Hawkins, Art Blakey oder Clark Terry. In ihren Wünschen zeigen sich die Künstler als sorgengeplagte underdogs, die in einem zähen Kampf um künstlerische Anerkennung, materielles Auskommen und wohl auch um ein bisschen Liebe ringen. So drehen sich die meisten Wünsche um die Themen Geld, Musik und Frauen.

Mein Lieblings-Dreier? Hier ist er:
1. Glück.
2. Musikalischen Erfolg.
3. Das Dritte will mir nicht einfallen!… Ich überlegte krampfhaft, was es ist…. Jetzt weiß ich’s! Ich wünsche mir ein Baby!

Dies schrieb Freddie Hubbard.

Der lakonische Miles Davis brachte nur drei Wörter zu Papier, denn er hatte nur einen Wunsch: WEISS zu sein.

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Carlos Gardel singt jeden Tag besser

Photo by W. Stock

Buenos Aires, im Januar 1988

Der Gott der Porteños ist schon lange tot. Genauer gesagt, seit 1935, als er bei einem Flugzeugabsturz in Medellín ums Leben kam. Und doch scheint dieser Tote lebendiger zu sein als so mancher in dieser Stadt.

Man kann ihn nicht übersehen in Buenos Aires. Sein Foto baumelt wie eine Duftkerze in den Taxis, er klebt als Postkarte in der Kante des Friseurspiegels oder man betritt eine U-Bahn-Station, die seinen Namen trägt.

Und das riesige weiße Mausoleum des Tangosängers auf dem Chacarita-Friedhof ist eine Pilgerstätte, die mit allerlei Devotionalien der Ehrerbietung bestückt ist und stets von Bewunderern umlagert wird. Cada dia canta mejor, wohl wahr, mit jedem Tag singt er besser, steht als Losung auf einem goldenen Schild.

Carlos Gardel gilt in Buenos Aires als Gott des Tangos, was wahrscheinlich aber untertrieben ist. Denn eher ist er Gott, Jesus und Moses in einer Person. Wen sollte man hier sonst verehren? Die Politiker? Korrupt bis auf die Knochen. Manager? Schmierig und gierig. Schauspieler? Ziemlich bedeutungslos. Nein, nein, der Tango, diese traurige und doch irgendwie trotzige Musik eignet sich wunderbar, die unaufhörlich platzenden Träume des argentinischen Bürgers zu beklagen.

Der Tango, der um die Wende zum 20. Jahrhundert in den Matrosenkaschemmen des La Boca-Hafenviertels entstanden ist, beschreibt die melancholische, teils resignative, aber auch stolze Haltung der sozial Benachteiligten. Im Tango klagt der kleine Mann über seine Not und das Schicksal, das es nicht gerade gut mit ihm gemeint hat. Der Tango jammert über das fehlende Geld und den verbleichenden Glanz der Schönheit, über den Krach mit einer Frau, die Bitternis einer nicht erhörten Liebe.

Auf die Kernbotschaft verdichtet, beschreibt der Tango das erschreckte Aufwachen aus einem schönen Traum. Wie das Erwachen aus dem Traum vom Reichtum, der Illusion von Liebe und dem Traum, der zwischen Geburt und Tod liegt. Der bekannte Gardel-Tango Adios Muchachos ist so eine typische wehmütige und bockige Abrechnung mit dem hiesigen Leben, in der Botschaft ähnlich wie Frank Sinatra My Way singt. Und bei beiden könnte es auch heißen: Lebt wohl, Ihr Scheißkerle, ich mach mich davon, und Ihr dürft mich mal alle mal kräftig!

Sicherlich ist der Tango ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann. Noch mehr ist er aber ein stummer Dialog zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Mann und Frau, zwischen Nähe und Fremdheit. Für die Argentinier als Nation drückt der Tango den kollektiven Wunsch nach Geborgenheit und Heimat aus, eine Träumerei, die von der Wirklichkeit so schändlich hintertrieben wird. Und es ist der tote Carlitos, der von dieser Utopie singt. Mit jedem Tag besser.

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